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Dienstag, 12. Juli 2011

Es bleibt nur Barbarei - I

Was, so fragt Michel Henry, kann eine Universität (und der von ihr heraus abgestufte Lehrbetrieb einer Gesellschaft) überhaupt noch bedeuten, wenn die Grundfaktoren einer Kultur, ihre Grundformen – Kunst, Religion, Ethik – von der Universität verkannt werden? Sie benennt heute zwar Prioritäten, Werte – Objektivität, Unparteilichkeit und folglich „Strenge“, Neutralität – aber wie sollen sich diese Werte legitimieren lassen, wenn sie nicht aus dieser Ethik heraus geboren und hinterfragt werden? Die Wahlentscheidungen der Universität werden außerhalb aller Ethik und alles Lebens getroffen, ja nachgerade dieses Außerhalbstehen ist ihr Kriterium (was an sich ja bereits eine ethische Entscheidung ist!) Damit sind diese Wahlentscheidungen solche ohne Wahl, in unmenschlicher Radikalität und Gewalt. Sie werden getroffen in einem galileischen Raum des „Wissens“, einem radikalen Postulat.

Sie läßt die im Ursprung radikale Trennung Universität – Welt fallen. Der technische Gehalt der Welt wird (und wurde) zum Gehalt der Universität, sodaß diese in einem langen Prozeß gleichfalls begann bzw. beginnt, Kultur bewußt und systematisch aus ihr auszuschließen. Dieses Prinzip hat mittlerweile die gesamte Erde verheert, alle Kulturen, ausnahmslos, erfaßt und zerstört.

In ihrem Ursprung erfaßte die Universität Theologie und Philosophie. In ihrer Mitte aber treten die Galileischen Prinzipien auf, und nun treten die modernen Wissenschaften auf den Plan, und verändern radikal die Wissenschaften: sie schließen das Subjekt aus, und objektivieren (im galileisch-mathematischen Postulat) das Naturseiende, das von allen sinnlichen Qualitäten entblößt wird. Die Humanwissenschaften hören auf, vom Menschen zu sprechen – sie sprechen nur noch vom „Anderen seiner selbst“, der Mensch wird zum statistischen „Objekt“, seine Lebensäußerungen an seiner Statt zum Objekt des Forschens. Der Mensch läst sich auf in Neuronen und Atome, Moleküle und Prozesse.

Die Geisteswissenschaften, die noch vom Menschen sprachen, ihn suchten, werden zugunsten der Naturwissenschaften verdrängt. An allen Höheren Schulen passiert genau dasselbe. Pädagogik wird vom Inhalt getrennt, Lernen vom Inhalt unabhängig, der Lehrende wird vom Identifikationssubjekt, der repräsentiert und repräsentieren muß, was er lehrt, zum Ingenieur der Inhaltsvermittlung. Während aber „Lernen“ das imitative Nachvollziehen eines Inhalt bedeutet, ein personaler, persönlicher Akt ist!
Somit wird an den Schulen etwas gelehrt, das gar nicht mehr abzugrenzen ist, weil es aufgrund der Natur des Menschen vom identifikationsprozeß „natürlich“ auch weiterhin gar nicht zu lösen ist.

Mit der Marginalisierung der Philosophie in den Höheren Schulen aber wird jene Instanz ausgeschaltet, die das zu Wissende einer subjektiven Beurteilung unterzieht – Wissensinhalt entzieht sich der Kritik einer von ihm verschiedenen Instanz!

Morgen 2. Teil) Der Totalitarismus des Wissens statt Erkenntnis



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