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Samstag, 2. Juli 2011

Wo alle es doch wissen!

Das gibt Aufregung im Blätterwald und auf den Gassen. Noch nie war es für den Bürger von nebenan und den Akademiker der Zukunft so leicht, auf der richtigen Seite zu sein: da erdreistet sich ein muslimischer Arzt (und Vizepräsident der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Österreich), Ahmed Hamidi, Doktor, wie anzunehmen steht, seinen weiblichen Patienten zu sagen, daß Sport für Frauen nicht gut und gesund sei. Prompt wirft sich das Land in Pose und die Empörungsmaschine an: Was für ein islamitischer Hund, was für ein rückständiger Patriarch! Wagt es, ein Dogma anzukratzen, das Dogma der völligen Gleichheit der Frau, die selbstverständlich alles und mehr tun solle, das auch dem Manne freistand. Wie kann man nur sagen, daß Sport für Frauen nicht gut sei!

Dabei übersieht er natürlich, daß alle österreichischen Frauen regelmäßig Sport betreiben. Das wußte er aber wohl nicht, denn man sieht es ja auch nicht. Im übrigen hat er sich entschuldigt, er sei doch mißinterpretiert worden, er habe den Leistungssport gemeint, und der sei auch für Männer gut, er rate Frauen immer, sich zu bewegen.

Kann irgendjemand erklären, was es die Öffentlichkeit angeht, was ein Arzt in seiner Tätigkeit für Meinungen vertritt? Denn das Bemerkenswerte an dieser Diuskussion ist, daß alle es BESSER WISSEN. Die Empörung hat sich auf den sachlichen Inhalt der Aussage konzentriert! Sie wissen es besser! Wie kann der nur etwas sagen, das alle besser wissen!

Sodaß ihm vorgeworfen wird, nicht auf der Höhe des allgemein Gewußten zu sein. So, wie wir eben auf der Höhe der Wissenschaft leben, nicht wahr? Weil ja alles, was wir tun, nicht nur gut und schön ist, sondern auch wissenschaftlich bewiesen. Und diese Aussage ist somit der Erweis reiligiös-kultureller Minderwertigkeit.

Daran erkennt man, welche dramatisch irrige Rolle das "Gewußte" im Lande bereits spielt - es sind Dogmen, es sind feste Bestandteile der Identität, sodaß jeder Widerspruch zur Gefährdung des Bestands im Sein, zur Todesgefahr wird. Wenn der Mann also hier, als Muslim, praktizieren soll, dann soll er gefälligst verbreiten, was Stand des Wissens ist! Wer nicht auf der Höhe der zeitgeistigen Meinungen ist - und die sind doch, bitte, absolut! Was heute gewußt wird, das ist Dogma! Das ist absolute Gewißheit! - der hat auch im Lande nichts zu suchen.

Stell Dir vor, Mizzi, das weiß doch sogar ich, daß Sport für Frauen gesund ist! Geh, sag der Fanni, daß sie mir noch ein Gulyas richtet, ja? Diese Muslime - die wissen doch wirklich gar nichts.

Der Hausarzt ,meiner Kindheit in den 1960er Jahren war ein selten weiser, alter Mann, ein Künstler als Arzt, ein Vertrauter der Familie, wie eben ein Hausarzt sein sollte, dessen Diagnosen eine unübertreffliche Synthese von Intuition, Empathie, Wissen, Klugheit und Erfahrung darstellten - der aus Sport keine große Sache machte. Nicht EINmal wurde das erwähnt! Der war also sicher nicht der Meinung gewesen, daß die entgeisterte Beach-Volleyball-Massenhysterie mit abendlichem Rudelfick am Wörthersee ein notwendiger Bestandteil weiblicher Gesundheitspflege wäre. Denn sonst sehe ich ohnehin keinerlei Ambition der Österreicher, in Massen regelmäßig Sport zu betreiben. Und wie es aussieht, sind nicht einmal die überwiegende Mehrheit der österreichischen Frauen der Meinung, Sport wäre Lebenselexier - wo wären die Sportausübenden? Ich sehe sie jedenfalls nicht. Sie sind eine Minderheit.

Der Arzt, der seit 30 Jahren in Österreich lebt und praktiziert, ist von seinen Ämtern in der Glaubensgemeinschaft mittlerweile zurückgetreten. Er hat hoffentlich gelernt, daß er in einem Land der Irren und Kranken wohnt. Deren Lebensweise anzutasten kann gefährlich sein, sie haben nur noch, das Recht zu haben, "recht zu haben". Geisteskranken darf man ihre Fetische auf keinen Fall wegnehmen!

Noch nie war es so leicht, Sympathie für die Muslime zu empfinden.

Wäre. Wäre es gewesen. Der Mann will aber nun die Zeitungen verklagen, sie hätten seine Aussagen verzerrt, er habe nur den Spitzensport gemeint. Und das sei doch wissenschaftlich erwiesen. Und außerdem sei wissenschaftlich erwiesen, daß Frauen aus hormonellen Gründen für Sport nicht so gut geeignet wären. Wahrscheinlich streiten sie nun vor Gericht, was Stand der Wissenschaft ist. Das hätte er dann sagen dürfen, und er und die Öffentlichkeit werden es zufrieden sein.

Er hat also doch keinen Humor. Aber kann man sich Irren gegenüber humorvoll verhalten?


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