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Mittwoch, 13. Juli 2011

Es bleibt nur Barbarei - II

2. Teil) Der Totalitarismus des Wissens statt Erkenntnis

Damit haben sich unsere kulturellen, gesellschaftlichen Grundlagen von den Prinzipien weg- und zu konkreten Wissensinhalten hinverlagert! Genau das ist auch zu beobachten: Die Identifikation mit vermeintlich Gewußtem, mit vermeint „sicheren Wissensinhalten“ – und nur noch „solche“ werden an den Schulen vermittelt, das geistige Instrumentarium, sie zu hinterfragen, fehlt mittlerweile völlig! -  ist so weitgehend, daß andere Auffassungen, Meinungen längst als existentielle Bedrohung betrachtet und bekämpft werden, vor allem wenn es um fundamentale „Wissensinhalte“ geht, die ein gesamtes Weltbild stützen bzw. hinterfragen. Gleichzeitig verlagert sich existentielle Sicherheit und Verankerung auf pures Verhalten: Man beobachte deshalb die Diskussionen um Evolution/Schöpfung, aber noch mehr alles, was als ethische Priorität gereiht wird, in allen Wirkmechanismen: Klimatheorie/-wandel, das Gedeihen von Verschwörungstheorien, etc. Wissen, Wissensinhalt wird solcherart zum Dogma! Denn die Struktur des Wissenserwerbs selber – früher alleiniger Inhalt der Universität! – wurde und wird unantastbares, fundamentales Dogma selbst.

Wissen wird in seinem Anspruch totalitär. Umso mehr, als geisteswissenschaftliche Methoden – Mathematik, Statistik – die Naturwissenschaften vermeintlich unantastbar objektiv machen. Die galileischen Prinzipien dringen in jede Disziplin ein, und stürzen sie um. Fast unmerklich gibt jede ihren transzendentalen Bezug auf und unterwirft sich. Damit werden die Elemente unserer Kultur entleert und zerstört. Sie sind nicht mehr sie selbst, sondern nur noch hinsichtlich ihrer Funktionen bedeutsam: in ihrer Bedeutung für gesellschaftliche Prozesse, psychoanalytisch, etc. In den Schulen dienen sie nur noch insofern, als sie die Einfügung der Schüler in gesellschaftliche Abläufe fördern oder nicht. Sprachen sollen nur noch dem Umgang mit dem täglichen Leben dienen, so oberflächlich das auch sein mag. Ja die Vulgarität wird sogar primär weil einfachster „Zugang“. Alte Sprachen werden wertlos, sofern sie es nicht noch gerade schaffen, irgendeinen Nutzen vorzuweisen (entsprechend die Argumentation: „Förderung der Gewandtheit des Denkens“ etc.) – dabei sind sie zum Bersten voll mit Kultur! 

Aber sogar der Philosophie wird ihr eigener Gegenstand – das Leben selbst, seine Theorie – geraubt. Weil dogmatisch die Subjektivität ausgeschieden wird, innerhalb einer Problematik der Erkenntnis, deren Wesen das Subjekt ist!, bleibt nur noch Sinnlosigkeit und Konstruktivismus. Während das Gefühl über Hintertreppen wieder zurückkehrt, und in einen jede Form und Denkgestalt zurückweisendem, haltlosen Subjektivismus der Beliebigkeit mündet. Die Philosophie selbst aber wurde zur Epistemologie, zur Forschung über sich und das Wissen selbst, zur Wissenschaftsgeschichte, die die Frage, ob man sie nicht überhaupt abschaffen sollte, gar nicht mehr beantworten kann, weil sie keine Welt mehr abbildet.

Und von der Psychologie ohnehin längst in der Deutungshoheit entwertet wird: als rein biologistischer Verhaltensprozeß, zu dem alles menschliche Verhalten degradiert wird: die alles Menschliche durch etwas Nicht-Menschliches, durch materiale, biologische Prozesse, angeblich und postulativ erklärt. Damit wird der Mensch endgültig galileisch-mathematisch aufgelöst.


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