2. Teil) Der Totalitarismus des Wissens statt Erkenntnis
Damit haben sich
unsere kulturellen, gesellschaftlichen Grundlagen von den Prinzipien weg- und
zu konkreten Wissensinhalten hinverlagert! Genau das ist auch zu beobachten:
Die Identifikation mit vermeintlich Gewußtem, mit vermeint „sicheren
Wissensinhalten“ – und nur noch „solche“ werden an den Schulen vermittelt, das
geistige Instrumentarium, sie zu hinterfragen, fehlt mittlerweile völlig!
- ist so weitgehend, daß andere
Auffassungen, Meinungen längst als existentielle Bedrohung betrachtet und
bekämpft werden, vor allem wenn es um fundamentale „Wissensinhalte“ geht, die
ein gesamtes Weltbild stützen bzw. hinterfragen. Gleichzeitig verlagert sich
existentielle Sicherheit und Verankerung auf pures Verhalten: Man beobachte
deshalb die Diskussionen um Evolution/Schöpfung, aber noch mehr alles, was als
ethische Priorität gereiht wird, in allen Wirkmechanismen:
Klimatheorie/-wandel, das Gedeihen von Verschwörungstheorien, etc. Wissen,
Wissensinhalt wird solcherart zum Dogma! Denn die Struktur des Wissenserwerbs
selber – früher alleiniger Inhalt der Universität! – wurde und wird unantastbares,
fundamentales Dogma selbst.
Wissen wird in seinem
Anspruch totalitär. Umso mehr, als geisteswissenschaftliche Methoden –
Mathematik, Statistik – die Naturwissenschaften vermeintlich unantastbar
objektiv machen. Die galileischen Prinzipien dringen in jede Disziplin ein, und
stürzen sie um. Fast unmerklich gibt jede ihren transzendentalen Bezug auf und
unterwirft sich. Damit werden die Elemente unserer Kultur entleert und
zerstört. Sie sind nicht mehr sie selbst, sondern nur noch hinsichtlich ihrer
Funktionen bedeutsam: in ihrer Bedeutung für gesellschaftliche Prozesse,
psychoanalytisch, etc. In den Schulen dienen sie nur noch insofern, als
sie die Einfügung der Schüler in gesellschaftliche Abläufe fördern oder nicht.
Sprachen sollen nur noch dem Umgang mit dem täglichen Leben dienen, so
oberflächlich das auch sein mag. Ja die Vulgarität wird sogar primär weil
einfachster „Zugang“. Alte Sprachen werden wertlos, sofern sie es nicht noch
gerade schaffen, irgendeinen Nutzen vorzuweisen (entsprechend die
Argumentation: „Förderung der Gewandtheit des Denkens“ etc.) – dabei sind sie
zum Bersten voll mit Kultur!
Aber sogar der
Philosophie wird ihr eigener Gegenstand – das Leben selbst, seine Theorie –
geraubt. Weil dogmatisch die Subjektivität ausgeschieden wird, innerhalb einer
Problematik der Erkenntnis, deren Wesen das Subjekt ist!, bleibt nur noch
Sinnlosigkeit und Konstruktivismus. Während das Gefühl über Hintertreppen
wieder zurückkehrt, und in einen jede Form und Denkgestalt zurückweisendem, haltlosen
Subjektivismus der Beliebigkeit mündet. Die Philosophie selbst aber wurde zur
Epistemologie, zur Forschung über sich und das Wissen selbst, zur
Wissenschaftsgeschichte, die die Frage, ob man sie nicht überhaupt abschaffen
sollte, gar nicht mehr beantworten kann, weil sie keine Welt mehr abbildet.
Und von der
Psychologie ohnehin längst in der Deutungshoheit entwertet wird: als rein
biologistischer Verhaltensprozeß, zu dem alles menschliche Verhalten degradiert
wird: die alles Menschliche durch etwas Nicht-Menschliches, durch materiale,
biologische Prozesse, angeblich und postulativ erklärt. Damit wird der Mensch
endgültig galileisch-mathematisch aufgelöst.
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