Kultur ist an das innere Sich-erleiden der menschlichen Grundpassivität gebunden, in der der Mensch dem "vor", der Welt, begegnet. Daraus erwächst ein Impuls, sodaß das Leben aus sich heraus Kultur schafft. Die in den drei Grundformen - Kunst, Religion, Ethik - nur als Erfüllung eines humanen Wirklichwerdenwollens zu begreifen ist, nicht als technizistische Form, wiewohl sie nur als Form existiert. Kultur kann also nur in Subjektivität entstehen und leben!
Das ist auch die Ebene, auf der erkenntnisweisige Evidenz entsteht - jene Gewißheiten über Grundtatsachen des Lebens, jenes Gegenüber zum "Sein", das erst den Menschen wirklich leben läßt.
Das heutige Denken aber schneidet dieser menschlichen Subjektivität ihren Wirkweg ab, ja die Eliminierung dieser Subjektivität ist sogar Ziel - im galileisch-reduktiven, technischen Denken der (sogenannten) "Wissenschaftlichkeit". So wird das Leben selbst zum Feind, wird eliminiert, ohne daß die Grundkraft eliminiert werden kann. Sie sucht sich andere Wege, wendet sich den unteren Stufen des Menschseins zu, findet aber keinen Weg zur Schaffung höherer Form.
Es gibt keine methodisch-technischen Wege zur Herstellung jener drei Kulturfundamente. Sie müssen über die Subjektivität entstehen, werdend das vollziehend erfüllen, was sie sind: Bedürfnisse aus dem Leid der Unerfülltheit.
Nicht die Subjektivität also ist das Problem - sie ist unumgänglich ja sie muß sich in höchster Radikalität begreifen - als einsam dem Sein gegenüberstehend. Sondern die Freiheit! Und nicht die einzelne Sünde, sondern die Wahrheit. Nicht die wissenschaftliche Gewißheit (die es nicht gibt), sondern die höchste Geistesleistung, ja direkt als Empfang des Geistes im Menschen: der Glaube.
Nur in diesem Zusammenhang greifen dann die Begriffe Tugend/Laster. Hier heraus steigert sich das Subjekt in seiner Sensibilität und in seinem Wissen, seiner Klugheit, seiner Tüchtigkeit, wird auch immer mehr befähigt, immer feinere Aufrufe des Begegnenden zu erkennen, sodaß immer feinere Bedürfnisse zum Wort, zur Gestalt kommen: leitet so seine Kraft in immer subtilere, höherstehende Formen - bindet sie zu höherer konkreter Kultur.
Anders kann Kultur nicht entstehen - als aus subjektivem Selbstvollzug der Individuen. Das "leistende Leben des Ego" als höchstes Wirken eines Ins-werk-setzen des Lebens selbst, in der Polarität des Sich-erfreuen und Sich-erleiden. Eines Lebens, das auch nicht nach seinem Platz frägt - weil es ihn immer (!) "hat".
Damit wird auch das Denken nicht zu einem Retardieren eines irgendwie zu denkenden Vor-Gegebenen, sondern es ist die Differenz des Denkens zu sich selbst in seinem fleischseienden Selbstvollzug, seiner Repräsentanz des Ganzen des Subjekts.
Nur aus dieser Differenz heraus also kann auch Wissenschaft leben und entstehen, und so ist sie entstanden. Ehe sie ihren eigenen Ursprung eliminierte. Schon 1935 schrieb Edmund Husserl, daß Europa nur zwei Möglichkeiten hat: entweder den Weg in die Barbarei, weil dem Denken das Leben fehlt, bis dieses zur Barbarei absinkt - Europa schneidet sich also den eigenen Lebensstrom ab! - oder den "Heroismus der Vernunft" als Ausweg, der (um es weiter auszudeuten) durch dieses Golgotha geht, das ihr bevorsteht.
Der Zielverlust der Vernunft geht nämlich unweigerlich mit einem Verlust des Glaubens an sich selbst einher. Durch das falsche Ideal objektiver Wissenschaftlichkeit wird das Denken des Menschen von diesem Selbst als "An-sich-Bestehendes" auffassen. Damit diffundiert das Leistende - die Subjektivität. Sie bleibt "anonym", sodaß die Menschheit in ihrem Miteinander sich nicht als SINNSTIFTEND erfährt.
Und das finden wir doch wohl heute vor! Gerade die Zwischenmenschlichkeiten werden nicht mehr als subjektive Leistung - als "Zu-Leistendes" - erfahren und gesehen, sondern als etwas "an-sich-Seiendes" - das "da" ist, oder "nicht". Deshalb lösen sich alle Zwischenmenschlichkeiten heute regelrecht auf! Weil sie nicht gesetzt werden.
In der Subjektivität aber erfährt sich der Mensch auch als leibseelische Einheit - als Sitz des Geistes, als Träger der Kultur, eingebunden, ja eingeweltet, unlösbar, eng wie die Haut, in einen jeweiligen Kosmos aus Stadt oder Land, in Sakralität, Kunst und Ethos. Weil er das Absolute erfährt - als Erst- und Urerfahrung, das Du, das dem Ich vorausgeht.
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