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Freitag, 15. Juli 2011

Ok, I am a Nazi

Lars von Trier in Cannes im Mai 2011 bei der Pressekonferenz zur Premiere seines Films "Melancholia 2001" - ein skandalisierter Auftritt, der ihn fast seine Karriere gekostet hätte und wer weiß wieviel wirklich gekostet hat, das wird sich ja noch herausstellen, denn es wird etwas an ihm haften bleiben, allen Entschuldigungen zum Trotz.

Hier ist das Video, auf das mich J dankenswerterweise hingewiesen hat. Er schreibt, daß man etwa ab Sekunde 50 merkt, wie der Mann merkt, wie er sich aus einem völlig harmlosen Geplappere, einer absoluten Ironie, in immer mehr Unsinn verheddert, weil ein Ernst eindringt, mit dem er nicth gerechnet hat. Denn er hat offensichtlich nicht mit einer neurotisierten, zwanghaft reagierenden Öffentlichkeit gerechnet. Mehr und mehr wird ihm das bewußt, und er redet sich nur noch mehr in den Wirbel hinein, seine Witze, seine bizarre Selbstironie, aber auch seine Versuche mit dem Thema zu spielen, greifen nicht mehr, und das Malheur ist fertig.

In dem Bemühen, auf jeden Fall Distanz und moralische "Richtigkeit" anzuzeigen, ist das Thema "Juden & Nazis" zum zivilisatorischen Dämon geworden. Man DARF sich von diesem Thema nicht distanzieren, man soll davon nicht frei werden dürfen - und damit ist auch das Verbot impliziert, es nicht "bewältigen" zu dürfen. Plötzlich gibt es "Blasphemien", und zwar in derselben Öffentlichkeit, die sie bei religiösen Themen schon fast abgeschafft hat, aus derselben Abgeklärtheit und Rationalität, die dieses Thema hinwiederum, und zwar in seiner aktualistischen Form, regelrecht sakralisiert - einen bestimmten Gestus sakralisiert!

Damit soll dieser Gestus psychotisch verankert werden. Als Gegenwehr. Fragen wir uns gar nicht erst, was es bedeutet, daß sich eine Weltöffentlichkeit bemüßigt fühlt, sich SO zu distanzieren, daß es sogar eine Berührung mit dem Thema unmöglich macht, seine Behandlung in Riten festlegt, gegen die erst zu verstoßen das Delikt ist, das Ausstoßung nach sich zieht. Das kann - und hier muß man auf Seiten Triers stehen, keine Frage! - Kunst und Künstlertum nicht akzeptieren. Es MUSZ zu einem Aufbrechen der Zwänge, auch bei diesem Thema, kommen, weil es sonst der Vernunft unzugängig bleibt. Jede Generation muß sich ihre Vernunft aus dem Übernommenen heraus neu aneignen, sich neu zugängig machen. Und dazu muß sie frei sein, hier darf es tatsächlich keine Tabus geben, hier braucht es Freiräume.

Was es nämlich sonst für gegenwärtige und kommende Generationen hieße? Es ist nicht auszumalen, weil es jede subjektive, wirkliche Reaktion apodiktisch unterdrückt. Erst damit aber provoziert man eine Reaktion, die dieses Thema als wirklich nicht - und zwar durch die Art es heute zu behandeln! - bewältigt erweisen wird. Denn plötzlich könnte die gewünschte Haltung - die Ablehnung des Nationalsozialismus, der Judenvernichtung - unter den Verdacht geraten, gar nicht vernünftig zu sein! Warum sonst soll man sie dem subjektiven Vernunfturteil vorenthalten?

Das zu wollen - und leider ist es ein regelrechter pathologischer "Kultur"gestus geworden, der sich in den Schulen, in der sogenannten Pädagogik etc. wie ein Geschwür festgefressen hat - ist tatsächlich zutiefst unvernünftig.




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