Es ist die Nachfrage nach Bedürfnissen, die das normale Rechtswesen eines Staates nicht befriedigt, die das eigentliche Geschäft der Mafia ausmacht, schreibt die FAZ in einem Bericht über eine große Oxforder Studie über das Wesen des organisierten Verbrechens. Die ein gewisses Umdenken verlangt, denn man hat bisher die Mafia vielfach falsch eingeschätzt.
Eine Mafia funktioniert nämlich nur in begrenztem Rahmen. Eine Gesellschaft, die aus lauter Verbrechern besteht, hat ein akutes Vertrauensproblem. Damit ist einer Organisation eine natürliche Grenze gesetzt - wem trauen? Eine große Gesellschaft funktioniert nur mit hochgradiger Arbeitsteilung, und die braucht Vertrauen, klare Kompetenzregelung. Aber selbst das simple Anfertigen eines Organigramms bildet ein Sicherheitsproblem. Eine Mafia kann ihre Entscheidungen nicht formalisieren, wie es ein Unternehmen vermag.
Also bleibt nur die persönliche Kontrolle - und die ist durch das Anwesenheitsprinzip kapazitätsmäßig begrenzt. Deshalb funktioniert Mafia immer nur regional, in überschaubaren Verhältnissen, und sie funktioniert nur durch Beitritt "ganzer Personen" - nicht als "Nebenbeschäftigung", von der man sich auch wieder distanzieren kann. Selbst die Kommunikationsmittel der Gegenwart entsprechen nicht den spezifischen Anforderungen dieser Personalität - es braucht persönliche Nähe von "Boss" und "Befehlsempfänger".
Die Globalisierung bietet deshalb für sie sogar eine gewisse Existenzgefahr, weil z. B. Drogenimporte aus Drittländern nach Deutschland, als Beispiel, nicht mehr kontrollierbar sind. Aber die wirtschaftlichen Interessen der Mafia hat man bisher sowieso vom Prinzip her falsch eingeschätzt. Ihr Geschäft ist die Gewalt, nur durch dieses Prinzip funktioniert solch eine Gesellschaft.
Entsprechend dominieren auch als Führungspersonal Personen, deren Qualifikation spezieller Natur ist - der letzte aufgegriffene Mafiapate war im Grunde Schafhirte, mit entsprechendem intellektuellem Hintergrund, der aber persönlich gefürchtet war, weil er fünfzig Personen mit eigenen Händen erwürgt hatte. Die Mafia ist deshalb im wahrsten Sinn eine "Industrie der Gewalt". Das ist ihr eigentliches Geschäft - sie ist ein personenzentriertes Gewaltsystem.
Morgen Teil 2) Der moderne Sozialstaat entstand als Konkurrenz zur Mafia
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