"Man kann die technischen Medien nicht aus ihrer Apparatur heraus verstehen, die sie entwickeln, sondern nur von dem aus, was jeweils die Folge davon für das Leben ist, das heißt von der Stellung aus, die es durch seine Verknüpfung mit ihnen einnimmt. Die Frage der Medien und insbesondere des Fernsehens unterliegt dann einer wesenhaften Verlagerung: vom Ort der Objektivität aus, wo sich in der Evidenz seiner Erscheinung das instrumentale Sein als solches ex-poniert, hin zum Ort seines realen Funktionierens als Lebensweise oder Praxis.
Was ist folglich das Fernsehen als Praxis? Jenes Verhalten, worin sich da Leben außerhalb von sich wirft, um sich von sich loszumachen und sich selbst zu entfliehen, da es nicht imstande ist, im genannten Verhalten in sich selbst zu verbleiben und zu ruhen, sich selbst zu genügen und sich aus sich durch sein eigenes Tätigsein, zu befriedigen. Wenn das Techniksystem im allgemeinen eine solche Finalität der Lebensselbstflucht offenbart, dann erreicht diese mit den Medien ihre äußerste Ausdrucksform. Das Fernsehen ist die Wahrheit der Technik; es ist par excellence die Praktik der Barbarei."
Was Michel Henry da in "Die Barbarei" schreibt ist direkt auf die "social media" bzw. das Internet umlegbar. Es handelt sich hier nicht um gleichwertige oder problemlos ins Leben zu integrierende Formen sozialer Kommunikation, sondern als solche verwendet sind sie aus ihrer Natur heraus lebenszerstörerisch: Als Praxis der Lebensflucht.
Denn genau darum haben die social media sich so rasend schnell verbreitet: wie das Fernsehen entstammen sie der Langeweile, der kulturell ungebundenen Lebenskraft, die sich ihrer als affektive Disposition selbst offenbart. Sie schwillt aus sich selbst heraus an, und hält sich bereit für einen Gebrauch, der über sie verfügen möchte. Sie widerspricht damit jener Lebenshaltung, in der sich das Leben aus sich selbst heraus - in der Kultur - steigernd vollzieht.
Auf den Wegen der Kultur aber kommt man nur vorwärts, als man diese Wege bereits eingeschlagen hat. Die Ausführung - als Schöpfer, als Betrachter, als Leser - ist dann nur die Fortsetzung des ununterbrochenen Prozesses, durch den das Leben sich selbst kultiviert.
Nur dort, wo dieser Prozeß abreißt, aber damit auch für den Selbstvollzug als Kultur unbrauchbar wird, bricht die Langeweile ein: als Nichteinlassen aufs Leben.
Während in der Betrachtung der Kunst das Leben zu sich selbst kommt, sich selbst vollzieht, wird es in den Medien sich selbst entfernt. Dem Medienkonsum bleibt die Leere eines "Vollen."
In den social media wird die Lebensechtheit der Kommunikation, der zwischenmenschlichen Begegnung zum fortwährend bewegten und bewegen müssenden "Fernsehbild" umgebrochen. (Deshalb die Affinität der social media zu "Zahl" und "Menge" als einzige adäquate Kategorien.)
Es ist deshalb illusorisch zu meinen, es ließe sich innerhalb dieser sozialen Praxis (der Lebensflucht) "ethisch" korrekt handeln. Die Medien, in ihrem Gebrauch, sie SELBST sind diese Lebensflucht: Es gibt kein "gutes" Facebook, je nach Verwendung oder subjektiver Haltung! Facebook an sich ist eine Praxis der Lebensflucht.
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