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Mittwoch, 11. November 2015

Aus dem Nichts, und doch so vertraut

Fast alle politischen Dispute - ob auf den Ebenen der Verantwortlichen, oder in der Bevölkerung - leiden unter dem Verlust der Begrifflichkeiten, die anzeigen könnten, worum es überhaupt geht. Das betrifft vor allem Dispute, die mit Kultur und Volk zu tun haben. Das ist in deutschen und österreichischen Landen gewiß historisch begründet, aber nicht nur. Denn es ist vor allem eine Frucht einer zwar nicht explizit, aber immanent sozialistische Politik. Die eine Frucht des Nominalismus ist, der Europas Völker am Eingang der Neuzeit - Renaissance - erst allmählich, spätestens seit dem 18.19. Jhd. exponentiell zu erfassen begann. Das Merkmal des Sozialismus, der insofern fälschlich als "Kind des Christentums" bezeichnet wird, ist genau das, was damals Einzug hielt: Das Umlegen von personhaften Kategorien, dem menschlichen Leben also, auf technisch-dinghafte Kategorien. Der Mensch wurde zum Ding. Weshalb der Sozialismus eben KEIN Produkt des Christentums ist, sondern Diebesgut einer Konkurrenzveranstaltung.

Mit ebensolchen technischen Begrifflichkeiten wird deshalb auch die Frage der Flüchtlinge diskutiert. Während das integrale Denken, das grundlegend dem Menschen eigen ist, das Denken in geschauten Bildern, aus Gründen dieses Rationalismus, der als einziger Modus des Denkens, der Wahrheitsfindung anerkannt wird, verleumdet und überhaupt ausgeblendet wird. Damit grenzt man aber den Menschen selbst aus. Weil aber die Begrifflichkeiten mittlerweile sogar fehlen, sind die meisten Menschen nicht mehr in der Lage, das immer diffuser nur noch "Gefühlte" als gerechtfertigt darzustellen.

Damit wird der öffentliche Disput - die Sprachlandschaft - zu einer Parallelveranstaltung, in der sich ein großer Teil, in Wahrheit: die gesamte Bevölkerung nicht mehr angesprochen sieht. Es bleibt nur die Wahl, den Mut zum als "irrational" definierten Denken aufzubringen, mit der immensen Gefahr, das Gefühl  nicht mehr sortieren, beurteilen zu können, oder die Aufgabe der Eigenverantwortlichkeit.

Deshalb ist es überhaupt nicht verwunderlich, ja folgerichtig, daß dieser Disput vor allem von den "gebildeten Schichten" geführt und getragen wird. Denn sie sind in diesen Rationalismen gefangen genug, um die Verbindung mit dem eigentlichen Denken nicht mehr zu finden. Zumalen ihre Existenz von der Bedienung dieser mathematischen Denkmechanismen (nur das sind sie nämlich) abhängt. Dieses nominalistische Denken (aufgefettet bestenfalls mit Karikaturen von Religosität, wie dem "neuen Christentum", oder der gnostischen Esoterik) aufzugeben ist für sie also mit der Gefahr verbunden, ins Nichts zu fallen.

Aber ebenfalls nicht grundlos wächst in der Bevölkerung der Eindruck, daß dieser Disput nicht geeignet ist, ihre - gefühlten, insofern nur gewußten - Sichtweisen zu treffen. Dies mündet in einen noch wenig sichtbaren, aber latenten und immer  mächtigeren Affekt gegen diese bzw. alle bestehenden Eliten. Weshalb sich - im Internet nachzusehen - zwar durchaus neue Eliten gebildet haben und bilden, doch fehlt ihnen die ontisch verankerte Legitimität. Was schon aus der Art des Mediums hervorgeht, das das Wesen von Autorität völlig auf den Kopf stellt und damit verfehlt.

Doch ist es heute nicht anders als immer und überall: Völker, Gemeinschaften egal welcher Art, werden nur durch Personen, durch Gestaltgefüge konstituiert wie verwirklicht. Und zwar durch reale Gestalten eines realen Gegenüber. Weshalb der VdZ der Auffassung ist, daß der Weg nicht mehr weit dazu ist, daß Personen, an die niemand dachte, praktisch "über Nacht" auftauchen werden, die unsere politische Landschaft sowie die Landschaft unseres Sprechens (als Landschaft des Denkens) dramatisch umwälzen werden. Das wird uns allen so natürlich weil vertraut erscheinen, daß niemandem die grundlegende Veränderung, die damit verbunden ist, auffallen wird. 

Diese Person wird wie ein Messias auftauchen, noch mehr aber von den Menschen als Messias behandelt werden, selbst wenn es nicht so genannt wird. Und er wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit aus der Peripherie des Sprachraumes kommen, weil der feste Leib dieses (menschlichen) Raumes immer zu sehr in sich selbst verfestigt ist.* Und wir werden mit Dingen (und Begriffen) zu tun haben, die wir heute längst meinen vergessen zu haben, oder nicht mehr verstehen weil mit der dahinterstehenden Realität, ihrer wirklichen Wirklichkeit nicht mehr in Zusammenhang bringen können.

Wie weit wir (zeitlich) noch bis dorthin haben, kann der VdZ nicht sagen. Es ist schon deshalb zeitlich schwer vorherzusagen², weil solche Umschläge sich lange aufbauen, um sich dann - meist durch einen für sich gesehen eher unbedeutendem, noch innerhalb des bestehenden Disputsklimas bewegendem Anlaß, also noch dem Alten, nicht dem Neuen zugewandt - zu entladen. Im konkreten Fall heißt das: Wir stehen in der Endphase der republikanischen Demokratie. Die Frage ist, wie zäh wir daran festhalten, wie gut es weiterhin gelingt, Wesenskonturen zu verbergen oder die Auswirkungen deren Reibungen aus der faktischen Situation heraus wegzubeschwören (wie es etwa die Pädagogik oder die Psychologie tut, die als "Heilung" die Auflösung der Gestalt sieht, aber natürlich nicht mit der Kraft der ontologischen Entelechiestrebungen rechnet, die also ihrem Menschenbild auf den Leim geht). 

Je länger dieser Umbruch (den niemand bewußt in die Hand nimmt, denn das würde den derzeitigen und dogmatisierten wie tabuisierten politischen Strukturen widersprechen) sich hinausschiebt, desto heftiger (weil um- oder unterfassender) wird er passieren. Denn es ist ein Erdbeben der unsere Gesellschaften tragenden Schollen.**

Mit der nicht gerade unwahrscheinlichen Möglichkeit, daß es sich um einen lediglich "cleveren" Messias handelt, der die ihm Vertrauenden, ihm Zugewandten in ein definitives Desaster führt, das die Substanz auslöscht. Ob das so sein wird hängt aber in erster Linie mit dem Schicksal zusammen, das sich die betreffende Gemeinschaft, das betreffende Volk als (fast nur monadisch zu begreifende) Ganzheit "erwirkt" hat.***




*Josef Nadler zeigt in seiner "Geschichte der Literatur der deutschen Völker", die ja eine Geistesgeschichte des Sprachraumes ist, daß so gut wie alle Anstöße und Neuerungen aus Randgebieten (auch geographisch gesehen, was mit der Gesetzlichkeit der Verortung zu tun hat) oder von Außenseitern kamen und kommen. Vermutlich ohne es zu wissen, hat er ein biologisches Gesetz darin wiedergefunden, das alle Lebewesen sogar in sich selbst kennzeichnet. Die gleichfalls in dieser Polarität zwischen (oft winzigen, meist scheinbar unbedeutenden) Peripherien (Momente kurz vor dem Verlöschen) und dem Zentralen stehen. Insbesonders die Fortpflanzung, zuvor die Blütentrage ist von dem gekennzeichnet, wovon jedes Frühjahr immer wieder neu erzählt. (Vgl. auch das neutestamentliche Gleichnis vom Senfkorn, oder vom "Stein, den die Bauleute verwarfen".)

²Der VdZ hat die im Grunde gleiche Prognose - aus einer Weiterführung von beobachteten Wirklichkeiten - schon vor 30 Jahren gestellt, sieht sei mittlerweile nur noch klarer und begründeter. Er hat damals aus Überlegungen zum Generationswechsel (nein, sicher nicht wegen des Maya-Kalenders, den kannte er damals gar nicht ;-) den Umbruch "um das Jahr 2013" prognostiziert. Mittlerweile hält er es aber für möglich, daß er sich noch etliche weitere Jahre hinziehen kann. 

Das ist aber nicht unbedeutend für seinen Ausgang. Denn NOCH existiert eine Generation, deren Geburtsdatum bis in die Mitte der 1960er Jahre reicht, in der rudimentär das Erbe unserer Kultur - EINER Kultur - wenn auch verwüstet, noch besteht. Sodaß gewisse Regenerationskraft, Tatkraft für einen geordneten Neuaufbau von so vielem, noch da ist. Diese Potenz sieht der VdZ in den später Geborenen aber nicht mehr. Die bereits (und immer mehr) in kultureller und vor allem religiöser Wüste (Verfall des Kults!) aufwuchsen. Ein Umbruch der noch lange auf sich warten läßt würde uns also gewissermaßen in eine kulturelle Steinzeit, in barbarisch-heidnische Zustände zurückwerfen, in der keine Gefüge mehr bestehen, sondern nur noch durch Kampf ("try and error") bestenfalls verdinglicht - nennen wir es ruhig beim Wort: das ist das Wesen der Faschismen - entstehen können, nicht mehr durch Rückgriff und (leiblichte) Erinnerung. Denn die Jugend zumindest unserer Lande (die Entwicklung in Osteuropa ist teilweise wenigstens noch nicht so weit fortgeschritten) IST mittlerweile barbarisiert. Und das heißt, daß sie vom leiblich gewordenen Habitus her (in dem sie sich gegen ihre eigenen Grundlagen wenden, selbst wenn sie noch "Richtiges denken" können) nicht mehr in der Lage ist (von wenigen Ausnahmen abgesehen, es mag sie geben), Geist zu entwickeln. 

Weniger düster könnte so eine Entwicklung nur verlaufen, wenn noch auf diese älteren Generationen zurückgreifende, dann aber hierarchische Gefüge entstehen. Woran der VdZ aber nicht glaubt, weil die nachfolgenden Generationen, die diese Entscheidungen zu treffen hätten, bereits zu sehr in Narzißmen verhangen sind. Aber wie heißt es so schön? "Man hat schon Pferde kotzen gesehen."

**Es ist aus der Erdbebenforschung bekannt, daß sich Spannungen in der Erdkruste sehr lange aufbauen können, ohne sich zu entladen. Und Spannungen entstehen aus der Reibung von realen Bausteinen, das heißt: den Reibungen zwischen je natürlichen Seinsstrebungen (als Gestaltbeharrungsmomente). Folgen keine kleineren Entladungen, baut sich ein immer größeres katastrophisches Ereignis auf, ohne dessen Zeitpunkt vorhersagen zu können.

***Der VdZ sieht also zwei Möglichkeiten: Entweder wird es ein "Monarch" sein (mit dem schwer zu lösenden Legitimitätsproblem), oder ein Diktator. Beide - eine dritte Variante sieht er nicht - könnten auch direkt "von außen" kommen, beide Varianten gibt es als "gut" oder "schlecht". In jedem Fall ist eine gewisse "Konvertitencharakteristik" (Positivismus bzw. Voluntarismus) damit verbunden.





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