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Dienstag, 17. November 2015

Das gilt auch für Paris

Natürlich ist es Unsinn zu behjaupten, Islamismus hätte nichts mit Islam zu tun, und die Penetranz, mit der diese Ausage auftauht, macht sie nicht klüger, nur noch verdächtiger. Mit Recht. Umso mehr verwundert sie, wenn sie aus katholischen Kreisen kommt. Denn gerade die Kirche ist das reale Mysterium der Einheit in einer Universalie, und ginge man davon aus, wieviele Christen das "Wahre Christentum" vertreten, käme man auf genau Null Prozent. Weil genau das gilt, was Kardinal Newman einmal so formulierte: Wo immer ich sündige, glaube ich nicht, bin ich häretisch. Und jeder sündigt des Tages sieben mal siebzigmal. 

Diese Einheit unter einer Universalie - Kirche - ist eine die nur schon durch Taufe gestiftet wird. Sie zu erfüllen ist dann Aufgabe jedes Einzelnen. Und sie ist eine Aufgabe, sich von der Wahrheit durchdringen zu lassen. Das nur in der Schrift zu verankern widerspricht dabei nicht nur der Anthropologie, es funktioniert einfach nicht. Denn jede Schrift braucht um überhaupt verstanden zu werden den geistigen Hintergrund, die (wenn man so will) real geformte Archetype der Gestalt, um eine Aussage überhaupt aufnehmen zu können. Nur in der Tradition einer ungebrochenen, weitgehend zumindest homogenen Überlieferung läßt sich ein Text verstehen, so wie sich eine Sprache nur verstehen läßt, wenn in ihr als Muttersprache der gesamte Kontext der Wirklichkeitsbezüge des mit den Worten Gemeinten, Symbolisierten übernommen wurde.

Der Islam zeigt genau diese fundamentale Schwäche, der auf die wesentlichste Quelle seiner Herkunft zugleich verweist - das arianische Christentum des syrisch-arabischen Raumes, das eben nicht an den inkarnierte Gott glaubte, sondern für die das Wort Gottes durch Propheten vermittelt alleiniger Anhaltspunkt bleibt. So sehr, daß sogar eine linguistische Analyse des Koran innerhalb des Islam kaum möglich ist, weil es diesen Anker prinzipiell gefährdet. Zwar hat man ihn immer wieder festzunageln versucht, sei es im Kalifat, sei es in der Stellung einer Schule, wie der Al Acqsa Moschee in Kairo, aber es hat nie gereicht, die Autorität für den gesamten islamischen Raum zu erlangen, und reicht heute schon gar nicht.

Aber damit bleibt der Islam tatsächlich Interpreationssache, und welche Interpretation richtiger ist, kann objektiv gar nicht festgestellt werden, bleibt eine Frage der Vorliebe. Nur aus dem Text alleine läßt sich alles und jedes behaupten wie widerlegen. Ähnlich wie bei der Bibel, wie die tausenden protestantischen Gemeinschaften und Splittergruppen beweisen, die deren "sola scriptura" bewirkt hat. 

Auf einen "friedlichen Islam" zu hoffen bleibt deshalb eine pure Frage des Zufalls. Das gilt auch für so wunderbare Interpreten wie Navid Kermani, in dessen Büchern sich so wunderbare Aussagen finden, daß das Christentum schon zum Greifen nahe liegt (ohne freilich einfach in dieses je übergehen zu können, es wird immer an einer Grenze, die einem Quantensprung und nicht einem Additivum gleichkommt, stehen bleiben wird müssen.

Aber das gilt gar nicht viel weniger und schon gar nicht anders (sieht man vom sakramentalen Charakter der Kirche ab) von jeder Vereinigung, der man zubehört. Ob das der Taubenzüchterverband ist, die EU oder NATO, das TTIP, der Zugehörigkeit zu einer Nation oder einer Volksgruppe oder der Weltvereinigung der Chorsänger - immer steht eines für alles, und alles wirkt in das eine. 

Das sollten Katholiken eigentlich wissen und so sehen. Den Einzelnen also in seinem identitären Rahmen dieser Zubehörigkeit anzusprechen ist keine ungerechte Diskriminierung, sondern schlicht Realismus. Jeder Katholik weiß, daß die Sünde des anderen ihn genauso affiziert, wie seine eigene diesen. Weshalb das eigentliche Wesen des Katholizismus - und das ist ja sein Geheimnis der Erlösung! - die SÜHNE auch, ja vor allem für die Schuld des anderen ist. Wo die Kirche nicht heil ist, heilig ist, nicht glaubwürdig ist, bin ICH es, auch wenn ich die Einzeltat des anderen nicht begangen habe. Das entspricht eben dem organismischen Charakter von (geistigen) Wesenheiten, von Universalien, die im Konkreten sehr real sind.

Auch das bildet im Weltlichen eine Analogie. Etwa in einem Unternehmen, zur Illustration. Wo ein Mitarbeiter Scheiße baut, leidet die gesamte Firma. Und wo einer Erfolg hat, kommt es dem Ganzen zugute. Und deshalb ist es sehr wohl berechtigt sich mitzufreuen, wenn ein Österreicher den Weltcup der Slalomfahrer gewinnt, so wie dort, wo eine Fußballmannschaft ein Spiel verliert - und die ganze Nation betrübt ist. Eines ihrer Organe hat versagt, oder gesiegt, das Ganze aber ist davon affiziert. Auf seiner Ebene, die auf eine Weise die letzte ist, auf andere aber sogar die erste, aus der sich ein Teil real definiert.

Und wenn Paris im Blut ersäuft, weil Islamisten es mit Bomben überziehen, ist es in diesem Rahmen durchaus auch eine Angelegenheit ganz Europas, dem DER ISLAM explizit gegenübersteht. Das nicht sehen zu wollen war immer schon naiv und gar dumm, vor allem aber ist es verantwortungslos.

Und man muß die Frage stellen, ob eine Interpretatoin des Islam als spirituelle, friedliche Kraft nicht bereits eine christlich inspirierte Sichtweise ist, die von den natürlichen Gegebenheiten der Muslime in vielen Fälle gar nicht mitgetragen werden kann. Denn es ist der Habitus, der eine Interpretation ergibt. Und der Habitus der islamischen Welt ist - eine soziale Bewegung der unteren Schichten (s. u. a. H. Belloc), die nach oben drängen, der Emporkömmlinge, der Konvertiten (!), der politischen Absicht. Der deshalb genau von jenen Schichten nicht mitgetragen wird - das entspricht auch der Erfahrung des VdZ mit Muslimen, und daraus hat er sehr intime Einsichten gewinnen können - die produktiv und aktiv ihr Leben gestalten, und nicht glauben, ihr Leben zusammenrauben zu können.³ Der VdZ hatte die Gelegenheit, in sehr engen Kontkat mit einer solchen jungen muslimischen Familie in Wien zu kommen, die ihr Leben im Grunde bereits aus dem - heidnischen, gewiß, aber damit in die Wahrheit verweisenden - Geheimnis des Kreuzes heraus lebten. Wo eine Religion wahr wird, in der Haltung der Offenheit gelebt wird, kommt sie eben unausbleiblich in die Gefielde des Christentums. Im genannten Fall: Weil sich aus dem schweren Los dieser Familie auf natürlichem Wege gewissermaßen das Kreuz als DER Weg. als der einzige Weg der Lebensbewältigung zeigte. (So nebenbei: Es hatte der Mann dieser jungen Familie, aus der Türkei nur der Frau wegen, die bereits in dritter Generation in Wien geboren und aufgewachsen war, zugezogen, keinerlei Probleme, binnen kurzem einen anständig dotierten Arbietsplatz zu finden, weil er ganz offensichtlich sehr wirklichkeitszugewandt und leistungswillig war.)

Sodaß hier aber der Punkt ist klar von Mitschuld bei jenen zu sprechen, die einer Zuwanderung durch Muslime nach Europa das große Wort geredet haben, ohne sich offenbar Gedanken gemacht zu haben, wie diese Konvertibilität überhaupt real erzielbar sei. Sei es bei dem bereits Geschehen, sei es bei dem daraus zukünftig zu Erwartendem weil keineswegs Undenkbarem, sei es durch das Risiko des gar nicht Abschätzbaren. Eine "Integration" ist nicht einfach per "Werte" erreibhar, sondern diese Werte müssen in der Lebenshaltung und damit in der Religon und damit in der Konversion zum Christentum (als eben die Erfüllung dieser eigentlichsten islamischen Wurzeln) als Wurzeln des volle(re)n Menschseins überhaupt verwurzelt sein.

Es ist deshalb auch und gerade nach Paris der GANZE Islam, der hier mit Recht einmal mehr im Feld der Kritik steht.* (Eine Scheu, die dem Christentum gegenüber faktisch ja auch nicht besteht.) Und keiner Splittergruppe, keiner frommen Friedensgemeinde egal wo steht es zu, sich davon pauschal zu distanzieren, mit dem Spruch "Jaaa, aber das ist ja nicht DER Islam."

Ein Islam, den selbst Navid Kermani nicht mehr findet, wie er bei seiner jüngst gehaltenen Ansprache in der Frankfurter Paulskirche traurig vortrug, weil er durch diese Festmachungen s.o. seit über hundert Jahren nahezu totgeprügelt wurde. Und dessen eigentlichen Wert ohnehin nur der begreift, der das heilige Wesen der Poesie begreift.²

Es ist nicht unsere Aufgabe, dem Islam etwas zuzusprechen, das er nicht hat, das wir als Europäer, als Abendländer aber als unumgänglich wissen: ihn zu definieren, oder ihn als Ganzes (mit organismischer Struktur) zu sehen. Solange der Islam selbst es nicht schafft, von DEM Islam unisono zu sprechen, ist deshalb auch jedes Gerede von "Interreligiösem Dialog" nicht mehr als eine Absichtserklärung, deren Praxis (im übrigen schon prinzipiell) sich bestenfalls auf Einzelne (und in der Perspektive der Bekehrung, als reale Einfügung durch die Taufe in die EINE Wahrheit) beziehen kann. Denn niemand kann überhaupt im Namen des Islam sprechen, weil es einen solchen gar nicht ausdefiniert und verbindlich genug gibt. Bestenfalls kann man von einzelnen, sehr konkreten Gruppierungen sprechen. Immer aber behält er - so wie der Koran,. bei dem es 1/4 aller Suren betrifft - irrationale, dunkele, von gar niemandem verstandene Stellen.**

Und es ist eine Bringschuld aller Muslime der Welt eine Glaubwürdigkeit zu beweisen, die rechtfertigen würde, NICHT jedem Muslim mit größter Vorsicht zu begegnen. Aber es fehlt bis heute jedes Indiz für eine reale Selbstreinigung "der islamischen Welt". Denn aus seinem Bezugspunkt, dem Koran (oder schon gar den Hadithen) läßt sich solche Glaubwürdigkeit keinesfalls und schon gar nicht notwendig ableiten. Solange der Islam dieses Problem nicht gelöst hat, muß er als das genommen werden, als das er im einzelnen erscheint: Unberechenbar.




*Selbst wenn der VdZ das neuerliche allgemeine Betroffenheitstheater, das noch dazu von Frankreichs Politik geschickt inszeniert wie genützt wird, ablehnt. Es ist eine Erscheinung der Virtualität, der Pseudologie, dankbar von so vielen erfaßt, die damit die nächste Gelegenheit haben, den Blick von ihrem nächsten Umfeld, ja von ihren eigentlichen und realen Aufgaben abzuwenden. In solchen universalistischen Empörungen aber können alle beweisen, daß sie "auf der richtigen Seite" stehen, also gut sind. Dabei ist es hochrangig verdächtig, wenn jemand meint öffentlich demonstrieren zu müssen, daß er kein Mörder ist. (Diplomatische u. ä. abstrakte Ebenen sind da natürlich anders zu bewerten; solche Dinge sind eben deren Aufgabe; sie sprechen am richtigen Ort und im Namen eines Ganzen, das eben nur ein Ganzes ist, WEIL es sich in einer hierarchisch-organismischen Organisation befindet.)

²Was die Angelegenheit noch grotesker macht, weil sich unter den vielen, die "den Islam" (in dieser schönen Gestalt) angeblich schätzen und bewillkommnen allzu viele befinden, die genau diese Heiligkeit der Poesie als Fenster des Lebens und Quelle der Welt - und das ist Religion - in seiner ersten Rolle im Lebensvollzug gar nie angenommen haben und "Säkularisierung" fordern, und die Absolutheit der Religion (sonst ist sie nämlich gar keine) ablehnen. 

³Denn nicht bös sein, aber der berühmte Spruch "Ich würde ja die Muslime durch einen Warenboykott boykottieren, aber: sie produzieren nichts!" hat ein erschreckendes fundamentum in re.

**Die in den meisten Traditionen des Islam als "Sprache der Engel" in eine blackbox geschickt werden, sodaß sie von Menschen gar nicht verstanden werden KÖNNEN. Wie es sich damit aber am plausibelsten verhält, kann man bei sogar sehr islamaffinen Linguisten wie Ignaz Goldziher oder Christoph Luxenberg nachlesen.




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