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Donnerstag, 20. Oktober 2016

Zeitbombe Bildung (1)

Sehr gute und richtige Aspekte zur Situation der staatlich gewollten Bildungspolitik zeigt Hadmut Danisch in einem seiner Artikel auf. Die darauf abzielt, jedem Menschen wenn möglich eine "akademische Ausbildung" (soll heißen: den Besuch einer Universität) zukommen zu lassen, denn dann würden sich alle Probleme ja lösen. "Bildung", verstanden als schulisch-universitäre Wissensvermittlung, wird nach einhelligem Bekenntnis mittlerweile wie ein Mantra an allen Ecken und Enden hergebetet, wird zum Allheilmittel. Welch ein Irrtum!

Tatsache ist, schreibt Danisch (und nicht zum ersten mal mit einem konkreten Fall belegt), daß die akademischen Abschlüsse mittlerweile kaum noch etwas wert sind - vor allem in den nicht-technischen, nicht-anwendungsorientierten Fächern - und die Bildungspolitik eine versteckte Methode ist, die Arbeitslosenstatistik zu schönen. Denn ein Großteil der "Akademiker", die heute Universitäten mit dem Anspruch, nunmehr sogar "Elite" zu sein, wird einfach nicht gebraucht. Nicht nur, weil die Massenuniversität die eigentlichen Kriterien der Bildung, die in der Persönlichkeit liegen, nicht am Vorrat von angeblich "Gewußtem", den sich ein Student antankt, völlig ignoriert, was auch mit politisch-ideologichen Zielen (Gender, Feminismus, alle Arten von "Anti-Diskriminierung", Aufmischung der sozialen Herkunftsschichten, usw. usf.) zu tun hat. Sondern auch, weil es immer mehr Absolventen in Fächern gibt, die überhaupt keinen Wert für die Gesellschaft haben. Oder was soll man mit einem Absolventen aller möglichen soziologisch-psychologisch-weltanschaulichen Fächer anfangen, wie "Genderforschung"? Nun aber, von staatlichen Institutionen dazu "ausgebildet", verlangen diese Menschen auch, daß der Staat gefälligst eine berufliche Tätigkeit dafür liefert. 

Was der ja auch tatsächlich macht! Mit jeder Menge neu geschaffener Planstellen für solche "Fachleute", ein Treibsatz mit ungeheurer Wirkung übrigens, der auf die Politik auf schier katastrophische Weise zurückwirkt. Weil er ihr Richtungen, Inhaltseinflüsse vermittelt, die mittlerweile jeden Bereich der Politik zur ideologischen Werkstatt machen.

Angeführt ist dieser Artikel, weil er um einen wichtigen Aspekt ergänzt werden soll, der sich in dieser Situation zeigt. Und der hier schon öfter dargelegt wurde. Nicht nur, daß diese Situation gesellschaftspolitisch viel brisanter ist, als viele annehmen. Denn hier wird aus unerfülltem (und nie erfüllbarem) Anspruch eine immer größer werdende soziale Schichte herangezogen, die enttäuscht und frustriert ist, weil sie nicht gebraucht wird. Es sind diese Schichten, die sozial puren Sprengstoff bedeuten, die Schichten der Nicht-Gebrauchten. Die Schichten, die mit Anspruchshaltungen ans Leben herantreten, die niemals erfüllt werden können. Denn das eigene Leben ist nicht eine Bringschuld der "anderen", der Gesellschaft, sondern eigene Aktivität.

Das Pikante an dieser Situation ist dabei, daß sie keineswegs "aussichtslos verfahren" ist. Das ist eine menschliche Situation nämlich NIE. Aber sie ist es erst dort nicht, wo sie sich selbst transzendiert, also in einen höheren Sinnzusammenhang einzuordnen weiß. (Etwas das Danisch übrigens ablehnt bzw. nicht (er-)kennt.) Das heißt daß nur eine hochgradig verchristlichte Welt, wie sie sich erst als Sühnegemeinschaft begreifen kann (wie das bis zum Beginn der Moderne die eigentliche Kraft des Abendlandes war, werte Herrschaften!), auch diese Situation noch in Fruchtbarkeit überleiten könnte. Durch den individuellen Akt des "Sterbens", des Absterbens, dem einzigen und eigentlichen Schooß jeder kulturellen und geistigen Fruchtbarkeit. Tragisch ist freilich, daß die irrigen Ansätze der Bildungsauffassung mit einer Verweigerung genau dieses Geheimnisses von allem Schöpferischen - und damit: gelungenen Lebens, des Schaffens von Geschichte - zusammenhängen.²

Denn genau damit hat ein völlig verfehlter pädagogischer Ansatz zu tun, der die beruflichen Tätigkeit eines Menschen als Frucht und Folge seiner neutralen "Begabungen" sieht. Dazu wird die Herkunftsidentität - und damit überhaupt jede Identität - bereits der Kinder (im Namen des schönen Nebelwortes "Chancengleichheit") ausgelöscht, sofern überhaupt noch vorhanden, und Wert auf die Ausbildung von "Fähigkeiten" gelegt, die neutral betrachtet werden und auf die irgendwann und irgendwie ein Beruf passen soll.

Die Wirklichkeit sieht aber genau umgekehrt aus. ERST ist eine identität, erst ist ein Platz in der Welt, in der Gesellschaft da, und DANN kommen die Talente ins Spiel. ERST ist der Beruf, und dann die Talente. ERST ist die Gestalt, die einem irgendwie und unbewußt schon als Kind oft aufleuchtet, manchmal sogar ohne das Wissen, in welchem Beruf sich das expliziert. Ein Kind sieht sich ALS jemand, in einer Bewegung, in einem Tun, hat dafür manchmal aber nicht einmal einen Namen, einen Begriff. Oft freilich, vermutlich fast immer stimmt es mit bestimmten Berufsbildern überein, die - eiderdautz - fast immer direkt aus dem Herkunftsumfeld stammen, sich dort bereits vorfinden; und auf seltsame Weise sucht ein Kind auch seine Vorbilder, die mit diesen Bewegungsbildern übereinstimmen. Es sind Bewegungsbilder des Selbstvollzugs, die als Identität der Herkunftsfamilie entstammen, aus der eigenen, generationenübergreifenden Vergangenheit gewissermaßen entnommen sind, die anzeigen, wo eines Ort ist. Und ERST NACH DIESEM ORT werden Talente als solche benennbar.

Das heißt auch, daß es in jedem Kind zwar tatsächlich viel gibt, was es KANN, oder: scheinbar auch kann oder könnte. Daß gute Erziehung und schulische Bildung keineswegs heißt, ALLE diese Talente zu "fördern" oder zur Ausbildung zu bringen, im Gegenteil. Gute Erziehung muß von einem Ort ausgehen, den dieser junge Mensch einmal ausfüllen sollte, und auf diesen hin die Ausbildung von einzelnen Fähigkeiten abstimmen. Dieser Ort, diese Identität ist jene Spitze einer Hierarchie der Persönlichkeit, die nach und nach zur Ausbildung kommen soll. 

Es heißt nicht, daß das IMMER stimmt, aber es heißt, daß es in der allerüberwiegenden Mehrzahl der Fälle stimmt, daß dieser Ort eine Fortsetzung des bisherigen familiären Identität bedeutet. Man erkennt das u. a. daran, daß jeder der Kinder hat oder großgezogen hat feststellen wird, daß sich die Berufswünsche der Kinder zumindst so irgendwie am ersten Vorbild - den Eltern - ausrichten. Irgendwie wollen die Kinder etwas werden, das im Vater, in der Mutter bereits erfahren wurde. 


Morgen Teil 2) Sodaß alle Menschen (fast) alles könnten, aber nichts können
 - Und: Die Fußnoten




*070916*