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Montag, 6. Juli 2020

Von Corona, Freiheit und Sexualität, von Ängsten und Krankheit

Es ist vielleicht manchem der Leser zu abstrakt, wenn von der Rolle der "sexual liberation - sexuellen Befreiung" als Sprengsatz die Rede ist, der unserer Kultur ihre Eingeweide herausschoß, sodaß sie zum immer stinkenderem Leichnam wurde. Aber weder ist es abstrakt noch erfunden. Es ist vielmehr die Beschreibung eines ganz realen Geschehens, das sich wie schleichendes Gift (oder ein trojanisches Pferd) in das allgemeine Meinen und Werteempfinden einschlich. 

Hollywood hat dabei eine ganz besondere Rolle gespielt. Es ist gewiß zu einfach, diese Vorgänge nur auf diese oder jene Person - Eric Eriscon, Wilhelm Reich, oder Albert Kinsey - zurückzuführen. Gewiß, diese haben durch ihre Theorie-Konstrukte das logische Denken korrumpiert. Indem sie Begriffe einschleusten, die in Wahrheit nicht klärten, wie Begriffe es tun sollten, sondern reale Phänomene zusammenpackte und vernebelte, also in einen Deutungshorizont hineinstellten, der nicht der Wahrheit entsprach. 

Aber das Gewissen "entlastete", indem es diesem die Spannungspflicht nahm. Spannung, wie es Wesen der Persönlichkeit ist, die immer im Aufbau ist, also immer Obacht und Anstrengung bedeutet, um dann von Stufe zu Stufe hochzusteigen, wobei die jeweils etablierte Stufe zum gelassenen Habitus (also zum unangestrengten Tun - man muß sich das vorstellen wie einen trainierten Muskel, der erst bei fünfundzwanzig Kilo Gewichtheben schnauft, um nach Training bald fünfzig Kilo ohne "Anstrengung" zu bewältigen) hebt.

Warum sollte das geschehen? Aus demselben Grund, wie es zum Repertoire des alltäglichen Lebens gehört. Wo das Schwache oder Schwächere das Stärkere nicht überwinden kann, ohne das Stärkere bei seinen Schwächen zu packen, und es dann zu schwächen. Nein, das gehört nicht zum natürlichen Repertoire des Menschen, wie die Evolutionsfasler formulieren wollen. Es gehört zu den Möglichkeiten des Bösartigen, als Frucht des freien Willens. 

Und darauf entspricht dieser Kampf um den Ort, den man neidet, den man erreichen möchte, und der vom per Geburt gegebenen abweicht. 

Oh, es kommt mit der Stimme des "Vernünftigen", und das heißt dem Heiligen, und das heißt dem Menschen das Heile, und das heißt ... das Gesunde. Das ist in der aktuellen Corona-Pandämonie, die das Tor zum Bösen öffnen sollte und tut, nicht anders als in den beiden Sturmangriffen, in denen die sexuelle Befreiung im 20. Jahrhundert kam. In den 1930ern unterlag es noch der starken Kirche, die diese Taktik erkannte und mit ihrer Macht, die sie damals noch hatte, zurückwies. Womit sie die Menschen schützte. Aber noch einmal kam es, in den 1950ern und 1960ern, und diesmal war die Kirche bereits zu ausgehöhlt, die Vernunftgrundlagen ihrer Prälaten nach jahrzehntelanger Hintergrundarbeit zu angegriffen, um noch widerstehen zu können. 

Wie konkret das geschah, zeigt dieser Film, den der VdZ zufällig fand. Es ist einer jener Filme, die mit dem Gesundheitsargument und in aller Meinungsbreite, die wir heute so gut kennen, den Sturm auf die je individuellen Gewissen ausführte. Der Leser möge genau schauen, wie sich alle diese Motive auch heute finden. Die Gegner der sexuellen Befreiung sind krank, böse, Triebtäter weil Getriebene, unfreie, dem Leben feindliche Kreaturen (häßlich, so nebenbei, wie jede Kreatur).

Wie strahlend hingegen die Helden des Neuen, des Freien! In den 1960ern wurde die sexuelle Freizügigkeit in den Medien sogar mit dem Argument der Meinungsfreiheit (Larry Flint's Porno- und Sex-Magazine kamen so zu ihrem Siegeszug)!

Hollywood war kein künstlerisches Unterfangen gewesen, nicht von den allermeisten. Es war ein Geschäftsunternehmen, eine Gewinnmaschinerie, eine Machtmaschinerie, wie alles Geschäftemachen aus sehr persönlichen Gründen motiviert, und von allem Anfang an deshalb auf jene Bereiche spezialisiert, die viel Geld brachten. Geld, ungerechtes Geld, wie es ein menschlicher Bereich bringt: Der der Schuld. Der des Verstoßens gegen die eigene Natur. Der der Sünde. 

In den 1930ern war die Angsthürde die Geschlechtskrankheit, der (wie im Film erwähnt, der 1938 entstand) eins aus zehn zum Opfer fiel, wenn er sexuell frei handelte. Aber die Fülle der Argumente überrascht, die hier filmisch ins Treffen kommt: Diese Hürde ist überwunden, und macht die Bahn frei für die Lösung von Sexualität von Ehe und sogar Geschlechtsgrenzen: Der Leser möge sogar die Werbung für lesbische Liebe beachten, die sich in raffinierten Bildern zeigt. 

In den 1960ern war es die Schwangerschaft, die zur zu überwindenden Krankheit erklärt wurde. Gegen die es nun ebenfalls ein Mittel gab - die Empfängnisverhütung, die Pille, die Chemie. In Zeiten des Corona-Virus ist es der soziale Kontakt, der tödlich ist, es sei denn, er werde durch Impfung behandelt.

Und wer hatte vor allem unter der sexuellen "Unterdrückung" zu leiden? Leser, schlucke er tief, schaue er diesen Film: Die blonde Frau, die "Schiggse", die es zu "schdubsen" galt. Während der normale, traditionelle, etablierte, situierte Mann nur eines im Kopf hat - Sex. Hört der Leser da nicht längst Reich? Oder Kinsey?

Noch mehr. Das Gesundheitsargument, schon vergessen? Damals war es Syphilis, die Drohung bei sexueller Befreiung. Aber Herrschaften! Dagegen ist doch nun ein Kraut der Moderne gewachsen - Penicillin! So, wie gegen Corona die Impfung gewachsen ist. Erst dann kann man sich von der Angst befreien, zu erkranken, ja - zu sterben, nach furchtbarem Leiden zuvor. Klingelt's allmählich? Sieht der Leser die Archetype?

Ein Argument der Gemeinnützigkeit, das in Wahrheit dazu benutzt wurde, um eine neue Norm zu setzen. Indem das bei jedem Vorhandene, der Fehltritt, das Nachgeben in der Versuchung (das Mädchen im Film nützt gewissermaßen die "Besetzungscouch") zum Gesollten erhoben wird.**
Entscheidend dabei ist jedoch, daß das Gesundheitsargument nur vorgeschoben ist. Das, was wirklich verbreitet wird (und deshalb wohl werden soll) ist ein anderer Umgang mit Sexualität (in diesem Fall). Es ist die Sprache hinter der Sprache, hinter dem Gesagten, auf das es ankommt. 
In dieser Sprache wird eine neue Normalität so selbstverständlich dargestellt, daß der Unterschied zwischen Allgemeinheit und Natürlichkeit eines Verhaltens die Plätze tauscht. Der Kampf gegen die Krankheit wird also ein Kampf gegen die Natur, und der Kampf gegen diese Natur wird zur wesensgemäßen Aufgabe des Menschen.
Die Sittenlosigkeit, die Schwäche, die zur Norm erklärt wurde, war eine Gelddruckmaschine, wie zu allen Zeiten. Sie versetzte Hollywood in die Lage, gegen die Kunst (die im Grunde kein Geschäftszweck sein kann) zu konkurrieren - Charley Chaplin war unerreichbar, es fehlt dem bloßen "Geschäft" als Geldgewinnungsabsicht eben jedes schöpferische Element - und sie schließlich zuzukaufen. Von wo? Eben. Aus Europa. Und hier vor allem aus unseren Ländern. 

Deutsche Filmfirmen waren ebenso im Portefeuille wie alle die Proponenten, von Billy Wilder oder Fritz Lang über Max Reinhardt (der Anteil der Österreicher darunter, letztlich alle der Theater- und Dramaturgietradition entsprungen, ist auffallend; Wien war sogar noch bis in die 1950er eine der größten Filmproduktionsstätten der Welt) bis zu allen jenen, die Hollywood ab den späten 1930ern erstmals mit Qualitätsfilmen bekannt und als Kassenschlager gewinnträchtig machten, und die mit viel Geld gelockt wurden. Geld, das moralisch als Bestechung zu werten war, und deshalb von den 1930er Jahren an den Landesverrat durch Schuldzuweisung an unsere Länder (und vor allem aber: An die Väter!) als notwendig zu verachtende Herkunftskultur zu rechtfertigen suchte.  

Mit der Erfindung des Starkults - auch Medien waren beliebtes Anlageobjekt, von Anfang an! - besaß man sehr bald sogar die Mechanik, die den Menschen in seinem tiefsten Bedürfnis trifft, den schöpferischen noch mehr vielleicht, weil existentieller.

Diese Geschäftsleute waren aus jenen Bereichen entstanden, die dem normalen Menschen eher abhold weil zu schmutzig, zu abseitig, zu widerlich und damit zu kulturfeindlich waren. Sie kamen aus dem Textilhandel, konkret sogar: Aus dem Lumpenhandel, der noch nicht so feststehenden West- und Mittel-USA, aus den Emporkömmlingen, mit allen Eigenschaften, die diesen anhaften. Erst als die Gewinnmöglichkeiten offensichtlicher wurden, kam das Geld des etablierteren Ostens dazu, das der Wall Street. 

Schaue der Leser, wie modern die Bildsprache, wie freizügig die Darstellungen, wie "offen" das Wort, das geführt wird. Wie stereotypisch gleich der Gegenwart die dramaturgische Sprache. Noch einmal: Der Film stammt aus den 1930er Jahren der USA. Als Hollywood die Erfahrung machte, wie sich ihre eigenen Interessen nach und nach mit denen der politischen Elite deckten.

Lasse der Leser sich selbst von der Zeitgemäßheit des Aussageprinzips in der Bildsprache verblüffen, mit der gekonnt und subtil - man beachte die permanent "schwüle" (erotische) Stimmung im Film! das muß einmal jemand können! - und in einer Sprache, die absolut der Gegenwart gleicht, moralische Konstitution transportiert wird. In der eine "neue Normalität" - ein "Sprung in der Gesellschaftsentwicklung" - dargestellt wird. Die wir erst erreichen, wenn wir den Krieg gegen die Krankheit gewinnen. Und wir werden ihn gewinnen. Mit der Hilfe der Wissenschaft. Nur bei ihr liegt Heil.

Zum Einbetten haben wir leider keine Version gefunden. Der Leser möge aber beruhigt diese Seite besuchen, wo er den Film aus 1938, der wegen seines Alters außerhalb jeder Urheberrechtsansprüche steht, aber wegen der Dateigröße hier nicht aufzuladen ist, ansehen kann.




**Das ist das Fatale am Film in den meisten Ländern in der Gegenwart, vor allem aber in Österreich. Wo das Niedrige zum Gesollten erhoben wird, weil angeblich nur das Niedrige das Echte ist. Wahre, Wahrhaftige sei, es ein Gesolltes, auf das hin es zu transzendieren gilt, also gar nicht gibt. Solche Idealismen sind nur etwas für verschrullte, verklemmte, falsch gebildete Väter (=Sexualstraftäter), aber nichts für freie Junge, die alles aus wissenschaftlichen Gründen besser wissen.



*210620*