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Montag, 26. September 2016

Die sieben Leben des Rasputin

Rasputin (1869-1916)
Grigori Rafimowitsch Rasputin war durch sein Naheverhältnis zur Zarin (das freilich nie sexuellen Charakter hatte, wie man oft unerstellte, doch war die Zarin dem stinkenden, ungewaschenen, abstoßenden, aber nach Meinung sehr vieler ungemein faszinierenden Bauernstarez nahezu hörig) nicht nur in eine faktische Machtposition im Rußland des letzten Zaren Nikolaus II. gelangt. Er war in einem Land, das sich in einen katastrophal verlustreichen Krieg verwickelt hatte, ein enormes Sicherheitsrisiko. Denn die Zarin verriet ihm praktisch alles, das ahnte man zurecht, und das geht auch aus dem erhaltenen Briefverkehr mit dem Zaren hervor.

Wobei immerhin richtig war, was Rasputin vorhergesagt hatte: Der 1 Weltkrieg würde das Ende des Zarentums in Rußland bewirken. Umso sicherer, je länger er dauerte. Nikolaj II. nahm ihn allmählich ernst, seine Frau sowieso.

Die geborene Hessenprinzessin Alexandra ("Alisja"), die (fast möchte man sagen: pflichtgemäß) einen regelrechten Deutschlandhaß entwickelte, Lieblingsenkelin der Königin Victoria von England wagte bald keinen Schritt mehr ohne Rasputins Rat und Wahrsagung und Segen.

Was viel, aber nicht alles mit dem Zarewitsch, dem Thronfolger zu tun hatte, der ein Bluter war und den Rasputin tatschächlich und immer wieder rasch aus einer seiner zahlreichen lebensbedrohlichen Krisen holen konnte.

Die selbe Anbindung an den "Heiligen" versuchte die Zarin auch ihrem Mann aufzudrängen, im Sinne eines "gottgefälligen Rußland". Nötigenfalls erpreßte sie ihn sogar, wenn auch nur mit den Waffen einer Ehefrau. Ihr Einfluß auf Nnikolaus II. war ohne Zweifel fatal, spätestens, als sie sich mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges immer direkter in seine Geschäfte einzumischen begann. Das Volk haßte sie weithin als "die Deutsche", schon gar als die Niederlagen an den Fronten einsetzten. Die persönliche Urteilskraft des Zaren, der ihr in tiefer Liebe anhing, wurde durch sie immer schwächer, die schon nichts mehr tat ohne Rasputin zu fragen. Der das Ende des Zaren vorausgesagt hatte, sollte der Krieg nicht bald beendet werden.

Wer den Starez ablehnte, hatte keine Karrierechance, selbst in der Kirche, die damit indirekt in seiner Hand war. Denn als Poltiiker war er beim Zaren schlecht angesehen. Wer aber Rasputin zu lieben vorgab, wer ihn lobte, wer ihn schätzte, dem standen dennoch alle Türen offen. Denn dafür sorgte die Zarin.

Wer etwas erreichen wollte, ließ sich also von Rasputin etwa einen Empfehlungszettel geben, die der stoßweise und vorgefertigt bei sich trug Auf dem oft gerade nur seine Unterschrift oder ein Anliegen in wenigen Worten gekritzelt war. Häufig verlangte er für seine Dienstleistungen Geld, noch häufiger viel Geld, dann agber wieder auch nichts. Und war der Bittsteller eine Frau die ihm gefiel, mußte sie sowieso in Naturalien bezahlen. Gleich, oder später, oder öfter später. Die Situation für das Land war tatsächlich unerträglich. Und gefährlich.

Denn der durch sein maßloses Leben mit täglichen sexuellen Ausschweifungen und Sauforgien bis in den frühen Morgen - die Sicherheitsbeamten, die ihn permanent überwachten, machten klar, daß kein normaler Mensch so einen Lebenswandel aushalten könne, sie mußten sich häufig abwechseln, um die lückenlose Überwachung aufrechtzuhalten - bekannte Wunderheiler, Mystiker, Wahrsager, Wanderprediger ... war auch tief eitel, und prahlte, typisch Emporkömmling, im Rausch der Leidenschaften mit seinem Einfluß und seinen Informationen. Wer Rußland ausspionieren wollte, mußte sich nur in seine Nähe setzen und zuhören. Wenn auch sehr sicher ist, daß er niemals Rußland bewußt verraten hätte, wie ihm oft unterstellt wird. Zu sehr hing er an ihm und am autokratischen System, und seine Machtstellung war derartig groß, sein Zugang zu Geldmitteln so unbegrenzt, daß ihn keine Macht der Welt hätte kaufen können.

Schließlich faßte aber eine kleine Gruppe der Duma, der Abgeordnetenversammlung in St. Petersburg, rund um den Großfürsten Jussupow den Plan, ihn durch Ermordung aus dem Spiel zu nehmen. Versuche hatte es ohnehin schon genug gegeben, aber alle hatte der Starez überlebt. Diesmal durfte nichts schiefgehen, Rußland stand am Abgrund.

Jussupow, dessen Familie seit Jahrhunderten so unermeßlich reich war, daß sie sogar das Zarenhaus locker in den Schatten stellte, erschlich sich das Vertrauen von Rasputin, indem er sich an dessen Ausschweifungen scheinbar beteiligte. Bis der Priester ihm völlig vertraute. Eines Tages lud er ihn in sein Petersburger Stadtschloß ein Ds für seine kilometerlangen, verzweigten Keller berühmt berüchtigt war. In denen man sogar noch im 20. Jhd. angekettete Skelette von armen Teufeln früherer Zeiten gefunden hatte, die einfach vergessen worden waren. Dort sei angeblich auch eine außerordentlich attratkive Fürstin zugegen, log der Großfürst. Denn dies in Aussicht gestellt wußte er, daß Rasputin nicht widerstehen könnte.

Dann bereitete der noch recht junge Jussupow zusammen mit weiteren zwei Abgeordneten Kuchen vor. Bei denen man jedes einzelne Bröselchen sorgfältig und so deftig mit Arsen präparierte, daß es gereicht hätte, ein Dutzend Menschen aus dem Leben zu befördern, und das nur mit einer Schnitte. Zur Sicherheite hatte der Großfürst auch noch ein Säckchen Gift in der Tasche, das er in den Wein mischen wollte. 

Rasputin kam, und der Fürst bat ihn in einem der prunkvollen Kellerräume Platz zu nehmen. Denn die angeblich wartende Fürstin habe noch Gäste, sie werde später dazustoßen. Erst wollte der Starez nichts essen (er hatte durch seinen Lebenswandel bereits ein Magenleiden), griff dann aber doch zu. Und verschlang sogar dann ein Kuchenstück nach dem anderen, mit dem Essen kommt der Appetit. Dazu trank er ein Glas Wein nach dem anderen. Alle waren vergiftet. Aber ...  nichts geschah.

Jussupow wurde immer nervöser, denn Rasputin erfreute sich bester Gesundheit, verlangte sogar Tee, um sich auszunüchtern. Denn bald würde ja die Fürstin kommen. Da sah sich der Großfürst keine andere Chance als eine Pistole aus einer Schublade zu holen, und den Mönch in den Rücken zu schießen. Rasputin blieb erst unbeweglich stehen, und fiel dann rücklings auf den Boden. Mit geschlossenen Augen kam er auf einem Eisbärenfell zu liegen und gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Kaum aber hatte der Großfürst die Mitverschwörer gerufen, öffnete Rasputin plötzlich wieder die Augen. Er sprang auf und stürzte auf den Fürsten zu, der mit Entsetzensschreien davon- und die Kellertreppen hoch rannte. Dicht gefolgt von Rasputin, der auf allen Vieren nachhetzte, bis in den Hof, wohin der Fürst gelaufen war.

Die beiden Mitverschworenen sahen, nun was sich abspielte, und stürzten den beiden nach. Sie sahen einen brüllenden Rasputin, der über den weiten, nächtlichen Hof des Stadtpalais lief und schrie, daß er alles der Zarin berichten, sie alle vernichten werde! Spätestens hier löste sich die Schockstarre bei den beiden. Einer nahm eine Pistole und versuchte, den Starez, der schon fast beim Gitterzaun war, zu erschießen. Zweimal verfehlte er ihn, erst knapp vor dem Tor traf er ihn. Einmal in die Schulter, woraufhin sich Rasputin umwandte, und dann noch einmal in den Kopf. Der Mönch sackte zu Boden.

Rasputins Leiche
Die beiden rannten zu ihm, auch Jussupow war nun zurückgekommen, und traten dem am Boden Liegenden kräftig gegen den Kopf. Jussupow schlug nun hysterisch mit einem Schlagstock auf den schon stark blutenden Mann ein. 

Die Gerichtsmedizin hat später zahllose schwere Verletzungen an ihm festgestellt. Ein Auge war aus seiner Höhle geschlagen worden, schwerste Quetschungen waren am ganzen Körper zu finden, und seine Hoden waren zu Brei geschlagen. 

Dann wickelte man ihn in einen blauen Vorhang, verschnürte alles mit einem Seil, und brachte das Paket zur eisbedeckten Newa, wo man ein Loch im Eis vorbereitet hatte. Durch welches man den Starez steckte, um ihn unter das Eis zu schieben.

Als man die Leiche drei Tage später entdeckte -  die Täter hatten die Stiefel Rasputins am Eis vergessen, dadurch wurde er entdeckt - sah man, daß Rasputin es unglaublicherweise geschafft hatte, einen Arm aus der Verschnürung freizumachen. Den hielt die Leiche nun über ihrem Haupt erhoben, sodaß die Legende daraus eine "letzte Segensgeste" machte. Bei der Obduktion stellte man fest, daß Wasser in der Lunge war. Gift in rauhen Mengen, zahlreiche Pistolentreffer, darunter ein Kopfschuß, mit einem Knüppel bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen - alles hatte nicht gereicht. Grigori Rasputin war letztendlich bei seinem Befreiungsversuch ertrunken.

Die Zarin ließ ihn auf Zarskoje Selo, dem Wohnsitz bei Petersburg, begraben. Eine eigene Kapelle wurde für ihn errichtet. Nicht nur in der Vorhersage, daß er ermordeet würde, hatte er Recht behalten. Er hatte auch vorhergesagt, daß das Zarentum seinen Tod nur ein halbes Jahr überleben würde.

Im Zuge der Revolution wurde Zarskoje Selo besetzt, sein Leichnam im April 1917 von den Arbeitersoldaten wieder ausgegraben, und die schon stark verwesten Überreste des Starez aus Sibirien verbrannt. Kaum etwas schien den Kommunisten gefährlicher als Symbole.





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