Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 18. September 2016

Lernen der eigenen Natur zu folgen

"Tugend heißt zu lernen, der eigenen Natur zu folgen" (Thomas v. Aquin). An diesem Satz baut Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz diesen Vortrag aus der Uni Dresden über Haltungen und Charakter auf. Wir sind vom ersten Moment an nicht ein "etwas", sondern ein "jemand", vorgeprägt und mit Richtung in die Welt entsandt. Aber das bildet eine "offene Flanke", die wir nie kennen. Deshalb kann auch Erziehung nur innerhalb dieses Geheimnisses bleiben. Denn das Selbstsein ist gegeben, nicht selbst gemacht, und kann nur im konkreten Vollzug an einem Herantretenden erfahren werden - in dieser Selbst-Stellungnahme wird dieses Verstricktsein erfahrbar.

Es ist die eigene Grenze, die das je individuelle Gesetz der Vollkommenheit sein muß weil nur sein kann. Die moderne Rede von der Willkür als Freiheit ist ein Verfehlen des Wirklichen. Es ist dabei eines der schlimmen, folgenreichen Übel der Gegenwart, Tatsachen auf Meinungen zu reduzieren. Aber nur an der Grenze BEGINNT alles sein Wesen. Was grenzenlos ist, was sich begrifflich nicht klar definiert und definieren will, bekommt sein Wesen nie zu fassen.

Wer glaubt, "alles" aus sich machen zu können, wie es heute fast schon allgemein (und mit dem verfehlten Auffassen von Talent und Begabung verhangen) ist, verfehlt nicht nur sich, er mündet höchstwahrscheinlich sogar in einem generellem Versagen.

Erst im Annehmen einer Gabe, die ich empfangen habe, kann ich (sie) geben. Wir verdanken unser Dasein nicht unserer Fähigkeit, unserer Tüchtigkeit - wir verdanken es als Gegebenheit, als unverdientes Geschenk, dem wir mit den heutigen Verblödungsgedanken von "Gerechtigkeit" nicht näher kommen.

Es ist wie bei einer Marionette - sie ist von oben gehalten. Und doch muß sie von unten stehen. Wollten aber ihre Füße willkürlich gehen, würden sie dem Gegebenen zuwiderlaufen, sie würde in Widerspruch mit ihren Gaben stehen. Man kann mit den eigenen Füßen den Charismen sogar nicht nur zuwider- und davon laufen, man kann sie zerstören: Wenn man mit dem Ort, an dem man steht, nicht zufrieden ist, sondern aus dem Charisma ein Anrecht auf "Ort" ableitet und eigen-willkürlich anstrebt. Begabung macht sehr leicht überheblich.

Umgekehrt braucht gerade großes Charisma oft große, ja größte charakterliche Zucht, um diese Gabe überhaupt halten zu können. Der VdZ hat wieder und wieder darzulegen versucht: Wir haben ganz sicher das Gegenmittel gegen alle Übel mitten unter uns. Als Gaben. Aber wir sind in kollektiver Verblödung versunken - und das ist einer kollektiven Charakterverbildung zuzuschreiben. Und nach wie vor wird aus Talent, Charisma, Begabung ("Gabe") Anspruch abgeleitet, statt Charakterbildung als das einzige und ausschlaggebende Kriterium zu begreifen, ohne die jede Gabe zum abgewrackten Dreck buchstäblich versinkt. Entweder wird nämlich heute "Persönlichkeitsbildung" als "Machbares" pervertiert und genau dadurch verhindert, oder Talent als einziges Kriterium gesehen, das Verwahrlosung weil verweigerte Charakterbildung rechtfertigt. Die Scheinpädagogik der Kinder-Vergöttlichung, in die ganze Generationen bereits getaucht wurden, ist dabei kaum genug in seiner Verderblichkeit zu nennen. Die genau das nicht mehr kennt: Daß Charisma, Begabung zuerst und vor allem Charakter braucht. Sonst ist sie nicht nur wertlos, sondern sogar verderblich. Denn Begabung kann auch zerstören, ja sie zerstört, wenn sie nicht ausreichend durch Charakter gefaßt wird. Aber davon haben seit Jahrzehnten nicht einmal mehr Lehrer überhaupt auch nur eine Ahnung.

Gerade das "zu früh ankommen wollen" ist dabei eines der heutigen Problemthemen. Denn die Methodik, die an allen Ecken und Enden wartet, zielt genau darauf ab. Aber sie zerstört sogar das Mögliche. Und das ist was an dieser Stelle so oft schon dargelegt wurde: Die heutige "Förderungspraxis" vernichtet sogar, was an Charismen gegeben wäre, weil sie das Charisma (das Talent, die Begabung) für sich stellt und nutzbar machen will.

Aber Charisma braucht einen ganz konkreten und historischen, deshalb ortsgebundenen Formungsweg, um jenen Charakter zu zeitigen, der auch ein Charisma überhaupt erst leuchten, wirksam werden lassen kann. Der wirkliche Ort eines Menschen ist Gabe, ist ungeschuldet, ist nur zu erhoffen wie dankbar anzunehmen. Die Grundhaltung, die es als Charakter also zu lernen gilt, ist zu lernen, das Gegebene anzunehmen und darin dankbar zu halten.

Der Kraft und Strenge von oben - dem, was sich im Charisma ergießen möchte - muß sich Kraft und Strenge von unten entgegenstellen. Zärtlichkeit reicht nicht nur nicht, sondern zerstört dieses Treffen. Es braucht Männlichkeit.










*310716*