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Dienstag, 11. Februar 2020

Horex - Das Produkt übernimmt die Firma (2)

Teil 2) Rasch rasch. Alles.



Natürlich kann auch diese Dokumentation (unten) nicht umhin, den neuen Göttern ihre Gaben darzubringen. Und die Horex-Zeit 1933-45 zum Verbrechen der reibungslosen Eingliederung in nationalsozialistische Gesinnung, die Produktion von Wehrmachtsmotorrädern zum ideellen, zumindest haltungsmäßigen Kriegsverbrechen zu machen. Vielleicht aber muß man doch eine leicht schattende Bemerkung machen. Denn im Fall Horex hat sich Produkt und Unternehmer gespalten. Horex war nicht von der Innovationskraft und Produktliebe der Eigentümer getrieben, die hatten die Mitarbeiter. Sondern es war mit dem Lebemann Fritz Kleemann, diesem "Sohn des Gründers", doch einen recht geldorientierten, im Grunde wurzellosen Charakter der Tankstelle für persönliches Wohlleben. 

Dem es offenbar kein Problem war, die Motorradproduktion im Kriege einzustellen, und die abstrahierte Fertigungskapazität der "Rüstungsindustrie" zur Verfügung zu stellen. Samt Zwangsarbeitereinsatz. Aber was wäre mit solchen auch anderes zu machen gewesen? Und immerhin, was war (wie meist, übriges) unter "recht menschlichen Bedingungen" geschehen, wie eine Ukrainerin erzählt, die damals in Bad Homburg arbeitete. Fritz Kleemann selbst wurde nur als "minder belastet" eingestuft, und konnte weitermachen.

Allerdings kam nun die größte Zeit für Horex. Schon 1948 erhielt Horex die Genehmigung durch die Alliierten, wieder Motorräder zu bauen. Denn dort hatte man sich ja besonnen. Man brauchte ein prosperierendes Land Deutschland. Eben ein "Wirtschaftswunder," als diesen eiskalten Täuschungsprozeß der Indienststellung des Lebenswillens und der Lebensliebe der deutschen Völker in einen kapitalistischen Masterplan. Und nun mußte alles schnell gehen, in mehrfachem Wortsinn. Und in den späten 1940ern waren Motorräder DAS Fortbewegungsmittel für die breiten Massen. 

(1954) Die neue Zeit orientiert sich an der Welt
Zum Rhythmus des Rock'n Roll - wie passend, ist doch Rock'n Roll in seinem Anruf an die subjektive Begierde ("Rock'n Roll" ist ein Camouflagewort für "Drogen und Sex") selbst Rebellion gegen ontologische Ordnung - entwarf Reeb rasch ein Motorrad, das genau dem Zeitgeist der Mobilität entsprach. Die "Regina" war geboren. Klar, einfach im Design, technisch "reduziert nackt" und übersichtlich, und so gebaut, daß jeder auch daran herumschrauben konnte.

Doch der Höhenflug dauerte nur bis in die Mitte der 1950er. Dann hatte der Mohr auch in diesem Fall seine Schuldigkeit getan. Die deutschen Menschen hatten wieder Kaufkraft entwickelt, nun konnten sie anders verwendet werden. Die Meute zog weiter.

Die Horex-Blüte war aber nur kurz
Unter dem Eindruck des globalisierten Warenangebotes, dieser neuen wurzellosen Art mit Dingen umzugehen, die die deutsche Wirtschaft im Mark traf und völlig "umstrukturierte", mußten oder wollten ("Absatzprobleme"; gerade entwurzelte Firmeneigentümer geben unter diesem Aspekt sehr rasch auf) die Eigentümer die Produktion der motor- und antriebstechnisch überlegenen Horex-Motorrädern aufgeben, sprich: verkaufen. Das Tempo als Hauptsatz der Gleichung hatte alles überrollt. Die ersten Kleinautos oder zumindest Kabinenroller, kaum teurer als Horex-Motorräder, kamen auf den Markt. Kämpfen wollte Fritz Kleemann offenbar nicht, das war entweder zu mühsam, oder es fehlte, wie anzunehmen, einfach der Grundansatz, warum Horex überhaupt bestehen sollte. Er weigerte sich also völlig nachvollziehbar, Autos zu bauen, um das Werk zu retten. Es hätten auch Fußklammern sein können, dazu aber brauchte er kein Horex-Werk.

Das "Deutsche Wirtschaftswunder" zeigt auch hier mehr und mehr sein inneres Gesicht. Es war nur möglich gewesen, weil es die Hingabefähigkeit so vieler Menschen gab, aber keine sozialen, gewachsenen, traditionellen Strukturen mehr. Die wurden, wo noch da, von den Siegern ausgetrieben. In diesem "social engineering" entstanden neue neutralen Voraussetzungen - "allgemeiner Wohlstand" und hohe Leistungsbereitschaft weil unsättigbare Suche nach Ort - die den Faktor "Geld" mehr und mehr bestimmend machten.

So ein Mensch war endgültig auflösbar in technische Funktionen. Mehr bleibt nicht, wenn die verbindliche, selbstverständliche soziale Hierarchie, die Ordnung fehlt. Seine schöpferische Kraft wird dann nicht mehr gebraucht, denn die kann sich auch gar nicht entwickeln, sie wird sogar zum Hindernis. Es zählen dann andere "Fähigkeiten".* Weite Bereiche der Wirtschaft wurden damals zum Tagesgeschäft, flatterhaft wie der Wind, launisch wie die Mode. Es zählte nicht mehr das Bleibende. 

Auch bei Horex hatte niemand damit gerechnet, daß Kundenwünsche so fundamentlos geworden waren, mit dem Produkt selbst kaum noch etwas zu tun hatte: Es ging um eine Funktion, hier "Ortswechsel", die auch ganz andere Dinge und Einrichtungen beistellen können, noch dazu, wenn sie bequemer zu konsumieren ist.**

Aus dem verbindlichen Leben nach Archetypen in Orten als Dynamo der Geschichte, wurde ein flatterhaftes Leben nach Stimmungen. Bei einem unschöpferischen Kaufpublikum, das in Werbevirtualitäten lebt und nicht mehr selbst aktiv sein kann (das heißt aber: Leben), sondern ver-braucht, verbrennt, und damit ständig aktuell gehaltene Zulieferung vom nächsten konsumierbaren Gefühl braucht.

Einige Zeit versuchte auch Zündapp (eine nächste Unternehmens-Legende, 1984 nach wechselvoller Geschichte an Chinesen verkauft) Horex-Maschinen in seine (US-)Verkaufsstrategie einzubauen, aber auch das blieb ohne Erfolg. Mercedes kaufte schließlich 1960 die Betriebsanlagen und legte den Motorradbau endgültig still. Aus Horex in Bad Homburg wurde ein Mercedes-Teile-Zulieferbetrieb. 

Aber der Name Horex wurde anders verkauft. Mercedes brauchte ihn nicht. Er lebt mehr oder weniger sogar noch heute, wenn auch bei anderen (kleinen) Herstellern. Geblieben ist nur das Produkt, als Erinnerung bei Fans und Enthusiasten. Ob die Bemühungen einiger dieser Begeisterten gelingen, das Produkt zu revitalisieren, wird sich zeigen, es ist gar nicht auszuschließen.

Denn in jedem Fall bleibt interessant, wie stark sich hier das Produkt Horex schon von Anfang an vom Unternehmer getrennt hat. An deren Namen erinnert man sich weniger als an den des Konstrukteurs, eines Mitarbeiters.






*Heute braucht man sie ja überhaupt nicht mehr. Da gibt allumfassend die Politik vor, "was innovativ ist". Dazu braucht sie freilich nur ablaufoptimierte und -optimierende Lohnsklaven mit privater Bespaßungsbegierde und wurzelloser Privat-Willkür als Ersatz-Suchfeld für Glück, das vor allem eines braucht: Die Dogmatisierung des Leitspruchs, daß irgendwann die pseudo-rationalen, zweitwirklichen Illusionen wahr werden.

**Es gibt in der jüngsten Wirtschaftsgeschichte schon viele Unternehmen (man denke an Nokia), die bei einem eigentlich nebensächlichen Modell- oder Modewechsel völlig aus der Bahn geraten und zusperren "müssen".