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Montag, 17. Februar 2020

Wie es nur gehen kann

Die Geschichte ist zu schön, um sie nicht hier zu bringen. Denn die Entwicklung des Ellwangener Batterienherstellers VARTA nach 1945* beruht auf der Konzentration des Kern- und Gründungsgeschäftes, die Herstellung von tragbaren, wiederaufladbaren Batterien. Danach herrschte in den 1980ern/1990ern wenig Nachfrage, und die weit weniger komplexen Massen-Autobatterien konnten koreanische oder chinesische Hersteller weit billiger von den Fließbändern laufen lassen. VARTA ging es nicht gut, und 2007 wurde die Aktienmehrheit der Traditionsfirma sogar an den (österreichischen) Investor Tojner um gerade einmal dreißig Millionen Euro verkauft. 

Aber man blieb sich in der Ausrichtung nicht nur treu, sondern forschte weiter, blieb bei dem, was man konnte, und entwickelte wieder aufladbare Klein- und Kleinstbatterien in einer Energiedichte, die die globale Konkurrenz um bis zu 30 Prozent übertrifft. 

Womit aber niemand so recht gerechnet hatte, das trat in den letzten Jahren ein: Der Markt für solche Batteriezellen explodierte, und im Moment weiß noch niemand, wo es hingehen wird, denn Kleinstapparaturen sind weltweit und in allen möglichen Bereichen im Vormarsch. Medizin (Insulinpumpen, Überwachungsgeräte im Körper), Hörgeräte, Bio-Daten-Instrumente (Armbanduhren mit Puls- und Blutdruckanzeige, Armbänder für Babyüberwachung), Kopfhörer die immer kleiner werden sollten ... 

Heute stellt VARTA jährlich hundert Millionen Knopfbatterien her, und die Zahl wird sich bis 2022 auf einhundertfünfzig Millionen steigern. Der Anteil am Weltmarkt hat bald 50 Prozent, und noch immer ist kein Ende der Fahnenstange abzusehen. Sogar Apple hat sich bereits in die Riege der Partner eingereiht. Partner eines Unternehmens, dessen oberster Chef (CEO) ein Ingenieur ist, der seit 1991 im Betrieb arbeitet. 

Und das in einem Markt - Batterien, Akkumulatoren - in dem Deutschland als weltweit hoffnungslos abgehängt gilt. Für all die staatlich verordneten Elektro-Antriebe werden die riesigen Mengen an Batterien, die benötigt werden (und wie erst in der Zukunft!), irgendwo in China oder Südamerika hergestellt. Selbst mit Hunderten von Steuermillionen auf die Wiese geknallten Batteriewerke (wie Mercedes demonstriert hat) sind chancenlos und wurden zu Lagerhallen für Importe umfunktioniert. Arbeitsplätze verschwinden ersatzlos, KnowHow, Fähigkeit wird nicht weiter aufgebaut und verschwindet sogar. Weil man sich nach einem "Bedarf" richtet, den die Politik bestimmt, nicht der Markt, der von ganz neuen Mechanismen beherrscht wird, die auf jede Wirtschaft desaströs wirken.

Zwar sieht man heute in den Fertigungshallen von VARTA auch kaum noch Arbeiter, weil diese Feinstarbeiten fast ausschließlich Roboter erledigen. Aber auch diese müssen ja entwickelt, hergestellt, gewartet und laufend verbessert werden. Die Arbeitsplätze haben sich also (wie bei der gesamten sogenannten technischen Revolution der letzten Jahrzehnte) nur verlagert und sind in der Wertdichte sogar gestiegen.

Schon der fehlenden Rohstoffe wegen würde ja Deutschland sagen, wo seine Stärke und damit Zukunft liegt - in der Kleinteiligkeit, der spezialisierten, fachdichten Produktion. Dies zu stärken, vor allem aber auch im globalen Markt zu schützen und das durchzusetzen wäre die Aufgabe der Politik. Deutschland, das eine Bevölkerungsdichte hat, die mit den dichtest besiedelten Gebieten in Ostasien konkurrieren kann, ist ein Land, das regelrecht göttlichen Auftrag hat, sich im Kleinen zu entwickeln. Und es muß somit - wie jedes Land - in gewissen Maß auch die Kriterien für seine "Märkte" selbst bestimmen und aus seiner Charakteristik heraus selbst vorgeben. Ziel jeder Volkswirtschaft muß zuerst nämlich einmal sein, sich selbst im Fluß zu halten.

Nirgendwo hat es dafür bessere Voraussetzungen als im Rückgriff auf die eigene Bevölkerung, auf deren Lebensweise, deren Werthaltungen, deren Gewohnheiten. Und deren Voraussetzungen, was die Problemlösungskraft anbelangt. Lustigerweise ist genau das dann der Moment (die Schweiz zeigt es ja seit hundert Jahren vor), ab dem die inländische Leistung auch im Ausland nachgefragt wird. Jedes Volk muß zuerst einmal SEINE Problemstellungen erkennen und lösen, und von dort aus - bestenfalls - kann es zu weiteren Wirkkreisen fortschreiten. Wir beschreiten heute aber den genau umgekehrten Weg eines absurden Werte-Universalismus, der uns aus dem Boden reißt und schließlich verhungern läßt. Das Wesen des universalsten Wertes, der Wahrheit, aber ist genau die Paradoxie, daß Wahrheit im allerengsten Umfeld beginnt, nur dort zu finden ist, und in der unendlichen Tiefe des Kleinsten endet. Dort, von dort aus ist auch dann das große Ganze der Weltprobleme zu lösen, und NUR von dort aus.

Das schwäbische Unternehmen VARTA, das nach Aktienwert berechnet heute einen volatilen Marktwert von 4,5 Milliarden Euro repräsentiert, hat genau das gemacht. Es hat die Wertdichte seiner Arbeit und seiner Produkte erhöht. Das ist das Geheimnis jeder Wohlstandsvermehrung die auf mehr als Skrupellosigkeit und Geldanbetung beruht, sondern Substanz und Sinnpotential hat.

Wert aber hat (im Gegensatz zum Kapitalismus) mit freiem Markt zu tun. Freiheit heißt aber nicht Willkür, Schrankenlosigkeit gegenüber dem Bösen, sondern Freiheit zum Guten, zur Wertantwort im Begegnenden, das als Gut erkannt wird, das das Sein in der Tätigkeit entfaltet. In der eine Wirtschaft, die auf Schwächen abzielt (wie es die Wirtschaftsentwicklungen weltweit seit Jahrzehnten betreiben), keinen Platz hat. Denn Glück, Lebenserfüllung beruht auf Selbst-Aktivität, und aktiv werden kann immer nur ein Gut, ein Sein.

So trägt sich auch Entwicklung, Innovation "von selbst", weil sie historisch gegenwärtig werdenden Seinsantrieben und darauf beruhenden Lebensveränderungen entspricht. Die nur vom realen Leben herstammen können, wie sie keine Politik, kein Schreibtischfurzer bestimmen oder verordnen kann. Das unterscheidet VARTA von dem, was sich derzeit in der Automobilbranche abspielt (wo ja auch so viele Batterien benötigt werden), und dort jeden Saft aus den Knochen saugen wird. 




*Mit den Verstrickungen von VARTA im Rahmen der Tätigkeit als Rüstungsbetrieb für den Hitlerismus und Teil des Quandt-Firmenkonglomerats (BMW) wollen wir uns hier nicht befassen. Es tut auch nichts zur Sache, um die es hier gehen soll. Man könnte höchstens untersuchen, wieweit erst eine neue Generation von Mitarbeitern seelisch frei genug war, sich wieder auf das eigentliche Tun zu konzentrieren. Nach 1945 war VARTA nämlich einer der zahlreichen "belasteten" Betriebe der deutschen Industriegeschichte, mit denen man nicht wußte, was man nun anfangen sollte. Die Nähe von (kapitalistischer) Industrie und Politik wird auch für eine spätere Abrechnung unserer Gegenwart noch seine Rolle spielen, die Energiewendeprofiteure können sich einstweilen schon mal warm anziehen.