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Mittwoch, 12. Februar 2020

Keinen Wert, in den zu investieren lohnte

Interessant, was Max Otte, der in einem neuen und dicken Buch vor einem kommenden Mega-Crash warnt, der nicht nur wirtschaftlich motiviert ist, sondern auch mit dem globalen politischen Umbrüchen zu tun hat, hier im Gespräch mit Roland Tichy, sagt.* Otte meint nämlich nicht nur, daß die Immobilienpreise derzeit einfach zu hoch sind, sondern daß der Unabhängigkeitsfaktor bei eigenem Hausbesitz weit überschätzt wird. Man ist erpreßbar, sagt der Ökonom, denn Häuser, Immobilien sind Interessensbündel, wo sich keineswegs nur private Interessen sammeln, sondern diese mit zahlreichen öffentlichen Interessen zusammentreffen.

Der Staat, die Behörde kann relativ leicht und jederzeit darauf zugreifen, um so den eigenen Besitz zu ihren Gunsten zu nützen. Es ist derzeit günstiger, zu mieten, als zu kaufen! Das hat auch damit zu tun, daß die Deutschen mit an die 50 Prozent ihrer Vermögenswerte zu viel in Immobilien investiert sind. Der Wert von Aktien gerade auch über Krisen hinaus wird nach wie vor unterschätzt. Viel zu viel Geld liegt stattdessen auf Bankkonten und Sparbüchern, und schrumpft durch die Nullzinspolitik langsam vor sich hin. Die Variabilität der Inländer, was sie mit dem Geld anfangen könnten, ist ziemlich beschränkt.

Es ist ein unbegründeter Mythos. Wir sind nicht "reich".

Das ist schon deshalb interessant, weil das deutsche Haushaltsvermögen mit 50 bis 60.000 Euro im europäischen Verhältnis außergewöhnlich NIEDRIG ist. In Spanien, Griechenland, Italien besitzen private Haushalte nahezu das doppelte an Vermögen! Nicht zuletzt in (selbst genutzten) Immobilien. Kein Land in Europa hat einen so niedrigen HausBESITZERanteil wie Deutschland.

Das bringt einen weiteren Gedanken auf. Denn es zeigt etwas an, wenn so offensichtliche Unsicherheit herrscht, was von bleibendem Wert ist, daß man lieber auf schwindendes Potential setzt (Sparguthaben) denn darauf, Werte zu sammeln, zu speichern, der eigentlichen Grundlage von Vermögen also zuzuführen. Der Leser möge sich selbst seinen Reim auf die Tatsache machen, daß in unseren Ländern niemand mehr weiß, warum überhaupt etwas wert sein soll. Er möge sich fragen, ob dies nicht mit einem generellen Verlust von Werten zu tun hat. Die weniger mit der subjektiven Sittlichkeit zu tun hat, darauf kommt es hier an, sondern mit der Sicherheit, ob diese subjektiven Werte genügend gesellschaftliche, allgemeine Anerkennung finden.

Immerhin ist "Wert" ja keine absolute, objektive Größe. Nicht, wenn es um weltliche Güter geht. Sondern sie hat mit Wertschätzung zu tun, mit der Erwartung, daß auch andere diesen Wert sehen und anerkennen. Und dafür ihre Lebenszeit, ihre Arbeit (=Geld) ausgeben. Das ist im Wesentlichen das, was man mit Kultur bezeichnet.

Man könnte also im Verhalten der Deutschen hinsichtlich Vermögen und Speicherung die völlige Verunsicherung über den Wert der eigenen Kultur und der im gesellschaftlichen Leben offiziell anerkannten Werte (Kunstgüter, Klein- und gewerbliche Kunst, generell Dinge der Lebenssteigerung also, aber auch in Güter, MIT denen sich Werte schaffen lassen, wie Unternehmen, Maschinen, Entwicklungen) erkennen. Damit verbunden ist auch die Vermeidung jedes Risikos, denn alles bleibt uneinschätzbar zum einen, ungeschätzt zum anderen. Auch die Menschen und ihre Fähigkeit, mit allen Umständen fertig zu werden. 

Es wirkt fast, als würde sich die tiefere Stimmung der Menschen in unseren Ländern auf einen Zustand völliger Kulturlosigkeit einstellen, oder sogar bereits darauf eingestellt haben. Das ist die wahre Verunsicherung, in der wir stehen, die sich sogar schon zur Gefahr entwickelt hat.







*Das eigentliche Thema des Podcast soll zwar "Mittelstand und dessen Gefährdung" lauten, aber solange man in solchen Gesprächen nicht den Begriff selbst zu klären vermag, und Mittelstand einfach mit Einkommenshöhe gleichsetzt, lohnt das nicht. Denn ja, der Mittelstand ist nicht nur gefährdet, sondern wird regelrecht zerstört, und das hat mit seinem Wesen zu tun, nicht mit Einkommenshöhe. Mittelstand bedeutet, das Risiko des eigenen Lebensunterhalts zu tragen, und deshalb auch die Einkommensquelle (meinetwegen in marxistischen Termini: Seine Produktionsmittel) in der Hand zu halten, und Einkommen dadurch zu generieren. Jede Form von Lohnabhängigkeit ist also per se bereits kein Mittelstand. Vielmehr ist diese Begriffsverwirrung schon Teil der Krise, weil Teil einer riesigen Täuschung. Die halt sehr beliebt ist, weil sie so vielen schmeichelt, aber ihm fehlt das Hauptkriterium des Mittelstands - die Freiheit, die nur daraus erwächst, wenn auch das Risiko des eigenen Lebens selbst getragen wird.

Vor allem damit (weil dem damit zusammenhängenden "Selbstwertgefühl" als "Gefühl für den richtigen Ort") hat auch zu tun, wenn beklagt wird, daß 70 Prozent der Deutschen bereits vermeiden, öffentlich zu sagen, was sie denken. Es fehlt uns weit weniger an "Freiheit" als an "freien Menschen"!