Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 13. Februar 2020

Irland - Die Mutter über den Vater gestellt (1)

Noch 2010 wäre unvorstellbar gewesen, was sich in Irland seit 2011 abspielte: Das einstige Flaggschiff des Katholizismus brach binnen nicht einmal eines Jahrzehnts auseinander, und wurde zum Schlachtschiff des modernistischen Liberalismus der westlichen Welt, in dem die Kirche in atemberaubendem Tempo ausgebootet wurde, daß heute Irland wie zuletzt in den Fragen der Abtreibung oder der "Ehe für alle" sogar "vorbildhaft" wirkt. Auch im Haß auf die Kirche.

Wie konnte das geschehen? Wie war ein solcher Sinneswandel eines ganzen, durch und durch katholisch gewähnten Volkes in so kurzer Zeit möglich? E. Michael Jones geht im Gespräch mit dem in Irland sehr bekannten (und kontroversiellen) Journalisten John Waters dieser Frage nach.

Und Waters stellt gleich zu Beginn fest, daß der frühere Eindruck eine Täuschung gewesen ist. Eine Erzählung war lange Zeit aufrecht erhalten worden, die von der inneren Realität immer weniger bis gar nicht mehr gedeckt war. Der starke, hohe, weit ausladende Baum inmitten der Wüste der Neuzeit, als den man Irland wahrnahm, war von innen heraus bereits durchfault. Als in dem bekannten koordinierten Einwirken von NGOs, Medien und Ideologien, wie es auf bewährte Weise bereits sämtliche westliche Völker und Kulturen überwältigt hat, die ersten massiven, gezielten Axtschläge auf ihn einprasselten, stellte sich blitzschnell heraus, wie wenig Substanz und damit Widerstand noch vorhanden war, wie bereitwillig man aber diese Welt einer neuen Moral aufnahm und sogar herbeisehnte. Die irische Gesellschaft war und wurde in Wahrheit bereits seit langen Jahrzehnten geistig ausgehöhlt, und damit sturmreif geschossen für die "Neue Zeit", die "neuen Werte", wie sie den gesamten Westen bereits erfaßt haben.

Der legendäre irische Katholizismus war nur Fassade, war nur ein braves Nachlaufen und Festhalten an Gewohnheiten. Sobald diese - wie in der ernsten Finanzkrise 2011, in der Irland vor dem Bankrott stand - ihre Gefügtheit und Sicherheit verloren, brach die "Gesellschaft der Tradition" zusammen, und nichts blieb mehr übrig. Bislang eher nur unter der Hand gepflegte Sichtweisen kamen plötzlich nach oben, weil das Überkommene hinterfragt wurde. Mit einem Mal brach auch ein latenter Anti-Klerikalismus auf, den sich die irische Kirche (leider) gar nicht nur zu Unrecht selbst zuzuschreiben hat. Denn auch die hatte es sich bequem eingerichtet, und schien machen zu können was sie wollte, weil die Gesellschaft "dicht" hielt. Damit war nun Schluß.

Es stellte sich heraus, daß die Treue zur Kirche und ihre Stellung in der Gesellschaft oft einfach Indifferentismus gewesen war. Man nahm es hin, hinterfragte es kaum, ohne wirklich dahinter zu stehen. Waters meint am Beispiel seines eigentlich "tieffrommen" Vaters, daß der sein Gebetsleben pflegte, zur Messe ging, etc. etc., aber von Priestern und Bischöfen kaum Notiz nahm, ja eher amüsiert von diesen war, aber sie nicht ernst nahm. Er hatte seinen privaten Weg des Umgangs mit Gott in der und durch die Kirche. Und das war eine weit verbreitete Haltung in Irland!

Die Sichtweise der Kirche durch die Iren war generell sehr simpel. Man sah sie als regelbasiert, und daran hielt man sich. Eine in dem Sinn "personalisierte" Entscheidung war nicht nötig und traf auch kaum jemand. Wirklich tiefe Fragestellungen waren nicht üblich und wo immer sie auftraten, wurden sie auch vom Klerus abgetan und auf "das Gesetz Gottes" geschoben, basta. In dem Moment, wo es dazu kam, wo Kirche zu einer Angelegenheit der Treue durch persönliche Entscheidung wurde, wo das Individuum gezwungen war, seinen Glauben zu kennen und zu verteidigen, weil man TROTZ so vielem zu ihm hätte stehen müssen, weil die Moderne (die in vielem einfach eine Methodik des Zweifels ist) alles hinterfragte und rationale, geistige Antworten brauchte, kam der Abfall. Diese Argumente gab es nicht, man war nicht gewöhnt, sich damit zu befassen.

Dabei ist ein zweiter Aspekt zu berücksichtigen, der mit dem Genozid (der heute immer noch weithin fälschlich und in täuscherischer Absicht als "Hungersnot" bezeichnet wird) der Jahre 1845 bis 1949 zu tun hat und mit seinen fünf Millionen Toten* die Hälfte der irischen Bevölkerung auslöschte. Dies hatte beim Klerus eine Haltung bewirkt, in der das Thema "Sexualität" tabuisiert und auf Nachwuchsfragen konzentriert wurde, um die Geburtenziffern wieder hoch zu treiben, die Menschenverluste auszugleichen. Sie konzentrierten sich dabei vor allem auf die Mütter, die Frauen, und marginalisierten die Väter. So kam es zu einer symbiotischen Beziehung von Priestern und Müttern, um die Moral der Familie zu kontrollieren. Der irische Katholizismus wurde "unterwürfig" und weibisch.

Die Männer wurden irrelevant, wurden regelrecht zu Außenseitern des gesamten irischen moralischen Lebens. Mit Folgen. Denn während es im Zuge der Enzykliken Papst Leo XIII. (ab 1879) über die grundlegende Rolle des Thomismus als bestes philosophisches System des Katholizismus zu einem Aufblühen der Philosophie in Europa und Amerika kam, ging dieser intellektuelle Zug an Irland spurlos vorüber. 

Stattdessen wurden Erscheinungen der Muttergottes wie die von Knock (1879; Knock gilt heute als drittwichtigster Marienwallfahrtsort Europas von Erscheinungen, nach Lourdes und Fatima) ins Zentrum des kirchlichen Lebens gestellt, und das blieb auch so bis ins späte 20. Jahrhundert. Devote Frömmigkeit verhinderte so eine intellektuelle Auseinandersetzung, schien sie gar nicht notwendig zu machen, und damit eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Zeit und den geistigen Strömungen und Irrtümern der Moderne. Man stellte, so nennt es Jones beim Namen, die Mutter über den Vater.

 Morgen Teil 2) Man stellte in Irland die Mutter über den Vater





*Diese Zahl ist durch systematische Zählungen aus Massengräbern belegt, und wird heute von keinem ernsthaften Historiker noch bestritten. Nur die Engländer, die dafür direkt verantwortlich waren, weigern sich bis heute, das zuzugeben, und versuchen immer noch, die offizielle und zynische Version von einer von den Iren selbst verschuldeten Hungersnot durch "Kartoffelfäule", die eine Lüge ist, in der Welt aufrecht zu halten.