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Freitag, 14. Februar 2020

Irland - Die Mutter über den Vater gestellt (2)

 Teil 2) Man stellte in Irland die Mutter über den Vater



Und das hat in Irland eine lange lange Tradition. Waters verweist auf den interessanten Umstand, von dem man sich auch bei Besuchen in Irland überzeugen kann (wie der VdZ es tat, dem fiel es ebenfalls auf), daß das irische Geschichtsbewußtsein sich seltsam häufig auf frühere legendäre "Königinnen" beruft. Irland war eben nie (oder ist schon lange nicht mehr) ein wirkliches Patriarchat! Es war immer bzw. ist seit langer langer Zeit ein Matriarchat. Die Männer waren dafür da, funktionale Dinge zu tun. Die ihnen aber die Frauen auftrugen, die die Autorität auch in moralischen Fragen hatten. 

Der irische Katholizismus hatte damit keine intellektuelle Basis, sondern war in dieser Mutterbezogenheit lediglich "etabliert", war nur mit der Mutterverbindung eingesogene Verhaltensprägung, mit allen Folgen (wie: Angst vor Individualismus und Widerstand gegen Masse und Mehrheit).

Waters ist das erst in den 1990ern aufgefallen, als er einerseits mit dem ehemaligen Sozialismus der Tschechei zu tun bekam, anderseits selbst Vater wurde. Und mit ungläubigem Staunen feststellte, daß in Irland Väter keine Rechte hatten, ebenso wenig Kinder in Bezug auf ihre Väter. Das gesamte Rechtssystem war auf die Frauen und Mütter ausgerichtet, um deren Rolle und Rechte zu stärken.


Elvis oder Jesus, Intelligenz oder Geist

Der irische Journalist, der als äußerst frommer Katholik in einer äußerst frommen katholischen Umgebung aufgewachsen ist, erzählt aus seiner eigenen Jugend in den 1960ern/1970ern, wie er das Einbrechen der Pop- und Rockkultur des Westens erlebt hat: Als fundamentalen Konflikt mit der Welt, in die er hineingeboren worden war. Jesus war, so wie er es erlebt hatte, ein lieber, netter, weicher, unmännlicher Kerl. Aber diese neue Welt, die sich in der Rock- und Popmusik, mit neuen (und rebellischeren, individualistischeren) Vorbildern wie den Beatles oder dem Fußballer George Best war viel aufregender, interessanter, attraktiver. Und beides zugleich ging nicht, das fühlte er damals, ohne das Warum (wie heute) zu kennen. Also entsorgte auch Waters den "süßen Jesus" und wandte sich von der Kirche ab. Moderne Zeit und alter Glaube schienen ihm unvereinbar: Vor die Wahl gestellt "Elvis oder Jesus" wählte er Elvis. Dort schien auch alles viel "gescheiter", intellektuell überlegen zu sein.

Was er damals nicht erkannt hatte, war, wie hoch intelligent sein Vater, seine Vorfahren gewesen sind. Trotz nur geringer Schulausbildung hatten sie die geistigen Fähigkeiten zu hochwertigster Arbeit und Weltbewältigung. Die den heutigen Menschen völlig fehlt, die zwar mit Bergen von Zeugnissen ausgestattet werden, in deren Leben es aber keinerlei Evidenz für Intelligenz gibt, die mit dem Leben und der Welt zu tun hat. Der heutige Begriff von Intelligenz richtet sich nur auf eine institutionalisierte Definition, nicht auf Welt und Leben. Mit dem kulturellen Bruch seiner Jugend aber wurde auch diese neue Form von "Intelligenz" allgegenwärtig. Endgültig wurde im letzten Jahrzehnt die alte Form von Geist erledigt und zum Verschwinden gebracht.

Aber Waters war nicht zufrieden. Was da vor sich ging in der Welt blieb ihm ein Rätsel. Also begann er in den 1980ern und 1990ern erneut zu suchen. Und stieß in Ratzinger und Johannes Paul II. erstmals auf einen anderen, ihm neuen, vernunftbetonten und vernunftbasierten Katholizismus, der sich von dem bloß frommen, den er kannte und der ihm in seinem anti-intellektuellen und die Welt draußen lassenden Affekt nicht gerade attraktiv erschien, völlig unterschied. Nach und nach entdeckte er stattdessen, daß der Katholizismus auch diese neue Welt zu begreifen half. Ja erst in seinem Licht begann er zu verstehen, was er in der Welt und Irland erlebte.  

Früher hatte er den Katholizismus für ein Gebäude von Regeln und Vorschriften gehalten, das eine Clique alter Männer über die Menschen verhängt hatte. Nun begann er ihn als tiefes geistiges, konsistentes, großartiges Gebäude, der Verfaßtheit der Welt in toto zu begreifen, von dem ihm nach wie vor viel noch nicht klar ist, auf welche Klärung er aber mit immer mehr Vertrauen auch warten kann, weil er deren Lösung in der Kirche ahnt. Denn Zeit spielt im Erkennen eine immense Rolle. Keinesfalls ist ihm heute die Kirche diese Art von Desaströsität, als die er sie in seiner Jugend bzw. im Licht der "neuen" Kultur gesehen hatte. Aber um das zu sehen, hat er lange gebraucht.

Auch um zu sehen, wie eng linke, liberale Ideen von Gerechtigkeit mit dem Sozialismus verbunden sind. Dabei war er lange noch ebenso ein links-liberaler Denker, dem die pro-life-Bewegung etwa suspekt war. Bis er allmählich sah, daß hinter der Abtreibungsfrage ein völlig anderes Begreifen von Leben stand. Als er sich damit an seine frühere (linke, liberale) Kollegenschaft wandte, erlebte er aber eine seltsame Reaktion der Ablehnung. Mehr und mehr erkannte er sogar, daß dort von Anfang an eine Zielsetzung am Werk war, die auf eine Neubewertung der Homosexualität abzielte. Und das ging von der Verantwortung seiner Tochter gegenüber aus, die er in ihren Schulen und Einrichtungen mit einer ständigen ideologischen Erziehung konfrontiert sah, die allem bodenständigen Verstehen widersprach. 

Zumal er selbst mehr und mehr den Wert der Tradition erkannte. Selbst im Torfstechen, wo er und sein Bruder die alte Methode des Abhebens von Hand wählten, wofür sie von allen Nachbarn verlacht wurden, die längst mit riesigen Maschinen die Torflandschaften auszuheben und zu zerstören begonnen hatten. Aber genau diese neue Art zu denken, alles in abstrakte Vorgänge umzubrechen, ohne Rücksicht auf irgendetwas, war auch die Basis des kulturellen Umbruchs. Dort ging alles an Verbundenheit und Verantwortung, also Verwurzeltheit verloren, und wurde zum bloß intellektuellen Ding, zu dem man sich persönlich nicht stellen mußte. Mehr und mehr begann er auch seine Verbundenheit und Liebe zu Irland, seinen Menschen, dem Boden neu zu erfahren. Aus dem Linksliberalen wurde ein Traditionalist, der überall den Finger seines Vaters im Rücken spürte. Und wo immer er Vernunft erlebte, war sie in der Tradition bereits enthalten.


Morgen Teil 3) Als er zur Kirche zurückkehrte, fand er keine Kirche mehr