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Dienstag, 6. Januar 2015

Aber es sind nur Äquivokationen

Die Wahrheit ist nicht einfach das, was "richtig" ist. Den wahrhaftigen Menschen erkennt man deshalb nicht daran, daß er etwas sagt, das nicht falsch ist. So, wie man den guten Menschen nicht daran erkennt, daß er sagt, was Gutheit sei. Und der wahrhaftige Mensch ist auch nicht daran erkennbar, daß er unter wirklichen Fehlern leidet.

Deshalb ist die Lehre der Katholischen Kirche so verführerisch, so anfällig für Verkrustung in Unlebendigkeit. Sie baut auf schon rein psychologisch gesehen eine ungeheure Traditionswucht. auf dem Zeugnis unleugbar wahrhaftiger Menschen, die die Wahrheit selbst, in Person, bezeugt haben. Und der Mensch, der zur Wahrhaftigkeit nicht fähig ist, ist versucht, sich ständig zu vergewissern, ob was er sagt diesem offiziellen Wortlaut nicht widerspricht. Umso mehr sprechen solche von den Früchten, die sich im wahrhaftigen Menschen zeigen, und versuchen, jene in einem oft sehr subtilen Spiel an sich zu beweisen. 

Deshalb sind sie auch oft vorsichtig, denn sie wissen von sich selbst her, daß sich der Mensch gar nicht täuschen läßt. Denn ihr Verhalten ruht auf dieser Erkenntnis der eigenen Unwahrhaftigkeit. Also überschütten sie gerne die Mitwelt mit Worten, um in keinem Fall dabei erwischt zu werden, gegen die Wahrhaftigkeit interpretiert zu werden. Der Katholik etwa, in dem er sich ständig auf offizielle Aussagen bezieht.

Aber es sind nur schizoide Äquivokationen. Die Verwirrung stiften, weil sie die Menschen in einen Zwiespalt treiben, in eine Spaltung zwischen ihrem Urteil und dem lebendigen Sein, an dem auch sie teilhaben, sonst gäbe es sie nicht.

Nur in der Sittlichkeit läßt sich eine Gestalt tragen, aufbauen, die auch aus diesem Duft der Wahrheit atmet und lebt. Nur so läßt sich jene Persönlichkeit ganz real aufbauen, die das Wesen der Wahrheit in sich trägt (und nur das ist ja Persönlichkeit) und damit zur Ähnlichkeit mit der Wahrheit selbst kommt. Die ja Person ist, also ihr Leben und Sein in sich trägt, als Wahrheit somit west. Der man sich anähnelt durch Gehorsam im ganz konkreten Seinsfeld, und das heißt: dem Platz entsprechend, in den man gestellt ist, und der durch eine Idee im Gesamtfeld der Ordnung der Welt - als Name - dem Dasein vorausgeht. Denn diese Idee muß in einem wirklich wirklich werden, als Ort der Seinsanbindung in der Selbstüberschreitung. Persönlichkeit wird man nur durch Vertrauen ins Sein.

Weshalb der Mensch der Unwahrhaftigkeit, dem dieses Vertrauen fehlt (und meist weiß er sogar darum), auch eine Scheinpersönlichkeit aufrichtet, willentlich zu konstruieren sucht, oft sogar einen Koloss zusammenflickt, der aber auf tönernen Füßen steht. Er versucht Sein "in sich" vorzutäuschen. Und akklamiert alles heftigst, das wahre Persönlichkeit in bestimmte positivistische Merkmale zerfallen läßt, die als Autorität des Guten zum öffentlichen Wertgerüst dogmatisiert werden sollen, um ihn zu retten.

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Möge sich doch der Leser selbst einen Reim auf Menschen machen, die durch ihre Aussagen den unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Menschengruppen jene Hinweise liefert, die diese wiederum zu den unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Hoffnungen - unter Berufung auf Aussagen! - berechtigen. Und alle Gruppen kennzeichnet eine seltsame "Auslese" dieser vielen Worte, in der sie wie im Märchen die (ihrer Meinung nach) guten ins Töpfchen, die schlechten (nicht passenden) ins Kröpfchen sortieren. Nicht die Stiefmutter übrigens, die die guten wie die schlechten Erbsen in die Asche gestreut hat, findet Erlösung.


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Denn der Geist ist unsichtbar. Er kann sich nur in der Entäußerung sehen, also in der Form - und so spricht der Geistlose unentwegt, weil ihm die Form fehlt. Daß also ein Zeitalter wie das unsere durch die Medien, social media, unentwegt spricht, ist der sicherste Erweis seiner Geistlosigkeit, in der Geist zu "produzieren" versucht wird. Wird nämlich aus mangelnder Sittlichkeit die Form nicht ergriffen, als Selbstergreifung, fehlt die Wirkung und damit das Erleben des Geistes durch das Begegnende weil nunmehr nicht handelnd "Bewirkte". Ja, selbst die oft virtuose, rastlose Scheintätigkeit, die oft beobachtet wird, hat denselben Zweck. In Wahrheit ist es ein Verbergen vor Gott. Er, das Sein, das jeden nahtlos umgibt, er ist es, der getäuscht werden soll.

In Sprache deshalb, weil alles aus dem Wort kommt, Gott selbst das Wort ist. Der Mensch ahmt das Für-sich-sein und In-sich-sein, das erst ihn ja überhaupt sein läßt, als Struktur seines Seins überhaupt, in diesem Aus- und Einströmen nach, das nämlich seine Grundtätigkeit ist. So, wie Gott Vater sich im Sohn sucht und findet, sucht sich der Sohn im Gehorsam im Vater, und beide im Geist.  

Und alle drei finden sich, schreibt Franz von Baader einmal, in der doxa, in der Herrlichkeit, der Ausbreitung, dem Himmel. (Sodaß auch das Streben nach Anerkennung im Menschen, nach Auktoritas, eine sehr tiefe Begründung in der Analogie Gottes hat.) Das eine ist durch den Akt der Zeugung es selbst, das andere durch Darstellen und gehorsam Rückbergen, sodaß sich der Vater im Sohn in der Liebe geeint wiederfindet. Während Gott aber darin Entzweiung (durch Ungehorsam des Sohnes) unmöglich ist (er würde alles ausscheiden, abstoßen, was nicht Gott ist, um sich zu erlösen), ist sie - das Böse sohin - dem Menschen möglich. 

Hier irrt Hegel* so fundamental, und hier irrt die gesamte Gnostik, die das Böse in Gott selbst hineinverlegen. Denn das Böse kann nur durch den Mißbrauch des freien Willens in die Welt treten, und es ist auch nicht "notwendig" zur Heiligung des Menschen (wie es der Manichäismus behauptet, weshalb jede Gnostik in sich manichäistisch ist.) Diesen Zwiespalt gibt es nur im Geschaffenen, mit freiem Willen Begabten, als Entscheidung gegen das Sein. Und darin flieht ihn das Sein, in der Untugend sohin, in dieser inneren Spaltung mangels Gehorsam. Daraus erwächst alle Selbstsucht, schreibt Jakob Böhme sehr richtig. Solch ein Mensch kann also genau nicht das, wozu der Mensch berufen wäre - sich aus sich selbst in sich selbst zu halten, Person zu sein. Er sucht Ersatzstrukturen außerhalb seiner - Schein-Sein, in dem er sich zwangsläufig von seinem Fleisch (als "formlos") abscheiden muß. 

Darin liegt das Geheimnis der Erlösung des Menschen DURCH Gottes Sohn, sofern der Mensch sie ergreifen will. Und deshalb läßt die Schrift die Schöpfung mit dem Ausgang des Wortes beginnen, das Gott sprach, und in Jesus Christus soll sie in dieses Wort wieder hineingeborgen, zum Vater zurückgetragen werden, denn in der Schöpfung opfert sich Gott selbst. (Man beachte auch hierin die oben ausgeführte psychologische Konstellation beim Sprechakt, und ziehe die Linien.)

Es ist dem Menschen aufgegeben, diese Inbildhaftigkeit Gottes in sich aufrechtzuerhalten - oder abzulehnen, woraufhin er sich verfinsert, wie seine Umgebung verfinstert. Und dazu muß er zum erste Wollen der Schöpfung kommen bzw. dieses aktualisieren, mit sich einen. Gott "macht sich in der Schöpfung einen Namen."




*Es war wohl Voegelin, der Hegel - aus dem heraus erst das ganze 20. Jhd. (f.) zu verstehen ist - überhaupt einen "pantheistischen Gnostiker" nannte. Und so könnte man das schon sehen.




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