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Mittwoch, 28. Januar 2015

Glatte Lüge

Was passiert eigentlich bei der Illusion? Der von ihr Befallene hält etwas für Wirklichkeit, das keine ist. Deshalb arbeitet der Illusionist bewußt mit der kognitiven Interpretation - dem gedanklichen Urteil. Und nicht selten weiß der "Getäuschte", daß es das soeben Gesehene nicht wirklich gibt, er weiß nur nicht, warum es ihm dennoch so erscheint.

[Schauen Sie nun das Filmchen unten an.]

In der Photographie (und Fernsehen, Film ist Photographie) wird auf eine Wirklichkeit Bezug genommen. Was man in der Photographie sieht, ist nicht das Ding selbst, als Wirklichkeit, sondern sie ist ein Bericht davon, eine intellektuelle Aussage. (Gefühl wird damit durch das Sentiment ersetzt, als intellektive Selbstvergewisserung eines Gefühls aus Wirklichkeitsrezeption, das gar nicht da ist. Wie es gerade für amerikanische Filme so kennzeichnend ist. Und - welche Überraschung - etwa auch für orientalische Filme. Man denke an Indiens Bollywood. In Kulturkreisen also, denen es an Seinsvertrauen mangelt, ja die dessen Bewältigungsversuch darstellen.)

In der visuellen Wahrnehmung eines wirklichen Dings trifft der Mensch auf eine Wirklichkeit. Diese regt in ihm dieselbe Wirklichkeit an. Nicht in einem Übergang, sondern in einer Selbstevokation. Sehen, jedes sinnliche Wahrnehmen ist deshalb ein Akt, eine menschliche Leistung. 

Im Film, und speziell im Fernsehen, und noch mehr: im technisch "perfekten" Fernsehen, wird nun aber keine Wirklichkeit transportiert (bzw. die Wirklichkeit, an der der Betrachter teilnimmt, die sich vor seinen Sinnen ausbreitet, ist völlig anderer Natur als die Aussage "Film"), sondern es wird von einer Wirklichkeit berichtet. Die aber gar nicht erlebbar ist. Weil sie nicht da ist.

Der Betrachtungsvorgang ist in zwei Ebenen einzuteilen: Der eine ist die Information. Film ist, je technisch perfekter er ist, nur noch Information. Der zweite Vorgang aber ist zugleich der fatalste. Denn er täucht eine sinnliche Wahrnehmung vor, die es so gar nicht gibt. Er täuscht diese Wahrnehmung aber nicht nur vor, sondern er täuscht eine innere Aktivität vor, die er schlicht nachahmt (indem er die Schöpfung des Bildes, wie es aus sinnlicher Anregung entstehen kann, als Reaktion, bereits dem Urteil vorgibt). Und diskoordiniert sinnlich eintretende, gegenüberstehende Wirklichkeit, von der Wahrnehmung als Akt.

Dasselbe, was also der Illusionist macht, macht auch der Fernsehmacher: Er täuscht eine Wirklichkeit vor, die nicht der Wahrnehmung entspricht, sondern dem intellektiven Urteil. Prinzipiell, nicht durch Inhalte. Diese sind dann bestenfalls noch in Lüge oder Nicht-Lüge einzuteilen.

Der Wirklichkeitsverlust der Gegenwart - als Seinsverlust - ist im Wesentlichen eine solche Spaltung. Eine Spaltung in den eigentlichen sinnlichen Begegnungsakt, und einer nicht mehr real erfolgenden, sondern im Urteil je vorweggenommenen, aber nur noch intellektiven, nicht mehr habituellen Reaktion. Wo gibt es heute noch Menschen in Europa, die an dieser Entwirklichung nicht bereits leiden, deren Sprechen nicht wie ein Scheinkonstrukt über ihnen schwebt, und die vor allem die Diskrepanz zum situativen Wahrnehmen, zum eigenen habitus vor allem, gar nicht mehr empfinden? Die sich nicht völlig in aberwitzige Scheinwortwelten aufgelöst haben, in denen sie wie in Wolken über sich selbst schweben?

Kunst ist niemals Illusion. Sie ist hingegen die Darstellung einer Wirklichkeit, das heißt: sie IST die Wirklichkeit. Die Kommunikation mit dem Betrachter ("Konsumenten") ist deshalb die Herausforderung zu einem Akt der Selbsthervorrufung dieser Wirklichkeit. Das ist die Ebene, auf der Kunst, ja: auf der DIE WELT "funktioniert". Die einander durch die Sinne bzw. dort anhebend in die Ebene der göttlichen Ebenbildlichkeit, Analogie, hebt. Über Stufen, bis zum Menschen, in dem auch der Geist lebendig werden soll, der sich aus der sinnlichen Wahrnehmung in die höchste Form der Wirklichkeit, der Wahrheit, herauszieht, in der Geistigkeit des Menschen, eine Aktivität.

Das ist der Sinn der Kunst, und so ist sie auch WIRKLICHE Schöpfung, eben: Wirklichkeit. Keine Illusion, keine Virtuosität (so sehr beides miteinander zu tun haben kann), und keine simple "Information" (wenn sie auch Information enthält). Das ist der Grund, warum der VdZ seine größten Zweifel hat, ob Film (und: wann gerade noch, und: wenn, dann auf welcher Ebene) Kunst sein kann. In jedem Fall hat ihn die Technisierung, die technische "Perfektionierung" (hin zur Illusion) schwer geschädigt. Niemand geringerer als Charles Chaplin war deshalb der Meinung, daß sich bereits mit dem Tonfilm der Film als Kunst erledigt habe.

Aus dem hier Angedeuteten kann aber das Urteil über eine (intellektive) Aussage wie in diesem Werbefilm nur lauten: Er verkündet eine glatte Lüge, die bösartig verführerisch den Menschen sogar von seinem noch sinnlichen Wirklichkeitserfahren (Weihnachtsfest) wegziehen soll.

[Und nun schauen Sie sich das Filmchen noch einmal an.]








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