Teil 2) Die Lawine rollt - Hoffnung auf die Wundermaschine
Aber nun droht Japan eine weitere Mühle,
auf die der Schlußstein bereits zurollt, und niemand weiß momentan, wie
diese Mühle offengehalten werden könnte. Wie in allen Ländern der Erde
hat nämlich Japan seit vielen Jahren alle Symptome einer alternden
Gesellschaft. Wie eine Lawine rollt auf die gesamte kapitalistische Welt
nämlich die Demographie zu. Und ganz anders als etwa der Klimawandel,
der auf bloßer Phantasie beruht, ist diese Lawine berechenbar wie ein
Abakus. Und wurde dennoch seit Jahrzehnten regelrecht ignoriert. Dafür
ist das Land mit einer Infrastruktur gesegnet worden, die sich als
Bumerang der Sinnlosigkeit herausstellen könnte.
Japan
überaltert, und zwar in rasendem Tempo. In so einem Zustand, während
einer Transformation dieser Art, noch dazu in diesem Tempo (in nur
einer Generation), zeigt sich ja lange Zeit scheinbar nichts an einem
Land, nur wenige Auswirkungen. Vorerst, und wenn wie in Japan, ja auf
der halben Welt, auf einem zuvor ständig steigenden Bevölkerungswachstum
aufgebaut werden konnte. Dasselbe erleben wir ja auch in Europa (oder:
erleben es eben noch nicht), vor allem in Deutschland und Österreich:
Bis zur Mitte der 1960er Jahre wurden immer mehr Menschen geboren. Dann
kam der Einbruch, von dessen Auswirkungen man lange Zeit nichts bemerkte
und bis heute noch nicht bemerkt. Denn diese bis 1965 geborenen
Menschen arbeiten, liefern Sozialabgaben und Steuern.
Aber
eines Tages beginnt ein seltsames Ungleichgewicht einzutreten, und es
entwickelt sich immer schneller. Überalterung hat nämlich die
unangenehme Eigenschaft, sich progressiv zu äußern. Es dauert nur wenige
Jahre, bis sich ihre Fatalität einer auseinanderklaffenden Schere - von
fallenden Staatseinnahmen und im selben Maß steigenden Ausgaben -
offenbart: Wo eine nicht mehr arbeitsfähige, aber durch Steigerung des
Lebensalters weiter wachsende Altenpopulation einer im Verhältnis dazu
immer kleiner werdenden arbeitenden Population gegenübersteht. Derzeit
glaubt man diesem Mißverhältnis nur durch Erhöhung der Steuern
beizukommen. Aber höhere Steuern drücken auf die Wirtschaftsleistung.
Dazu
kommt, daß die Japaner, um ihre Wirtschaft in treuem Volkssinn zu
stützen, ihre Ersparnisse brav auf die Märkte getragen haben, bzw.
weniger sparten. Und nun malt sich am Horizont Nippons ein Szenario ab,
vor dem allen bereits die Knochen schlottern.
Auf den Seiten www.zerohedge.com
sind auf Graphiken einige Zahlen dazu aufbereitet. Sie zeigen, daß
Japan bereits ab 2020 in eine Lage kommt, von der niemand vorhersagen
kann, wie sie bewältigt werden könnte, und die sich in den kommenden
Jahrzehnten nach derzeitigen Maßstäben als unlösbar herausstellen wird.
Einerseits ist das Land extrem überschuldet. Der Spielraum der Politik
wird also immer geringer, zumal die Steuerlast bereits sehr hoch ist.
Anderseits ist die Sparquote, mit der sich Japan finanziert, womit in
der jüngeren Vergangenheit bereits so viel ausgeglichen wurde, schon in
den letzten Jahren drastisch gefallen. Woher also soll nun dieses Geld
in Zukunft kommen?
Denn
dann kommt noch die Situation der Arbeitskräfte, auf denen immer noch
jede Wirtschaft der Welt aufbaut. Auch eine Finanzwirtschaft, die sich
ja nur auf diese ganz reale Leistung einer Bevölkerung bezieht und
beziehen kann. Denn insgeheim wissen gerade die Finanzjongleure
Houdini'scher Konfektion am allerbesten, daß ihr Spiel nur von einem
abhängt: Vom einzelnen Menschen ganz am Anfang der Wertschöpfungskette,
als Arbeiter, als Konsument, als Bürger.
Während
aber heute noch 80 Millionen Japaner in Arbeitsprozessen stehen, werden
es bis 2060 nur noch 40 Millionen sein. Wer wird aber dann die
Wirtschaftsleistung noch erbringen? Wer wird die Steuern abführen, mit
denen einerseits die Staatskredite zu bezahlen, anderseits die Renten
bezahlt werden sollen? Die Spielräume zu weiteren Eingriffen sind noch
dazu bereits jetzt derartig ausgereizt, daß die japanischen Regierungen
schon in den letzten Jahren vor dem Dilemma standen, daß sie kaum noch
Handlungsspielraum hatten! Und woher sollen die Kredite kommen, mit
denen solche Politik noch finanzierbar wäre?
Das
Fazit erzeugt ein Gefühl eines Kinobesuchers, der in einem Blockbuster
sitzt, dessen Ausgang immer ungewisser wird. Der sich stattdessen immer
noch im Aufbau der Spannung befindet, in dem immer noch mehr Faktoren
eintreten, die auf den Punkt einer ultimativen Katastrophe zusteuern, so
weit ahnt es der Zuschauer längt. Er nimmt also seine Popcornpackung,
futtert blind in sich hinein, und rutscht immer tiefer in seinen Stuhl -
dann alles das verspricht ein wirkliches Schlußszenario! Bisher war man
ja gewöhnt, daß irgendwie irgendwelche Umstände die rettende Kavallerie
spielten, mal mehr, mal weniger glaubwürdig. Diesmal aber läuft es auf
etwas Seltsames zu: man kann sich immer weniger vorstellen, wie sich
dieses Land noch befreien soll. Schon jetzt scheint die einzige
Möglichkeit jene, die auch in der griechischen Tragödie einen
gesellschaftlichen Zustand anzeigte, der kurz vor der Klippe eines
völligen Verfalls stand: Wenn der Deus ex machina, eine Bühnenmaschine,
willkürlich eingreift.
Eine
Lösung, über deren Vernünftigkeit aber niemand mehr Auskunft geben
kann, weil sie nicht mehr in der Vernunft vorgesehen ist. Die deshalb
einen Zustand der Entwirklichung anzeigt, dem im antiken Griechenland
nur noch die Komödie und dann die beißende Satire folgte, wo niemand
mehr jemanden ernstnimmt. Es ist also von größtem Interesse zu schauen,
ob sich nicht irgendwo jene Maschine abzeichnet, an der Japans Regierung
(oder irgendwelche Weltmächte, dann Japan ist ja nur Vorreiter einer
Entwicklung, die sich in sehr vielen Staaten der Welt abzeichnet)
hoffentlich bereits baut. Um dann einzugreifen, wenn die natürlichen
Abläufe der Welt ihren endgültigen Kollaps erfahren.
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