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Freitag, 16. Januar 2015

Newmans Häresie der Unfehlbarkeit (2)

Teil 2) Wie aus einem Menschen plötzlich ein Heiliger wird


Und darauf weist auch Kardinal Newman hin. Der sogar darauf hinweist, daß eine explizite Formulierung ungenügend sein kann, und durchaus historisch wandelbaren Interpretationen unterliegt. Er zeigt es an zwei Beispielen. Etwa dem Zinsverbot, das nämlich ursprünglich dogmatisiert war. Um im 19. Jahrhundert eine bemerkenswerte Änderung zu erfahren: Wer es nämlich NICHT als unsittlich, sondern als gerechtfertigt sehe, Zinsen einzuheben, das sehr wohl dürfe. 

Ähnlich verhält es sich mit dem Satz "extra ecclesiam nulla salus" - außerhalb der Kirche kein Heil. Er zeigt eine andere historische Wandelbarkeit eines Dogmas, die von der Herangehensweise abhängt, in der sie gesehen wird. Dieser Satz wurde ursprünglich nämlich streng positivistisch gedeutet. Das heißt daß man damit ausdrückte, daß es UNBEDINGT notwendig sei, Mitglieder Kirche, also getauft zu sein, um in den Himmel zu kommen, um das Heil zu erlangen. Das hat selbst Zwangstaufen gerechtfertigt, wenn man deren Geschichte nachgeht. Denn sie waren ganz reale Instrumente der heilsvermittlung, wie auch immer die Reige der Ahnungslosen und Strohköpfe der Gegenwart sie sonst deuten möge, die sich guten Willen in seiner Abhängigkeit von Erkenntnis (die IMMER ein historisches Gesicht hat) eben gar nicht vorstellen können.

Diese Interpretation ist einem anderen Aspekt gewichen, bzw. wurde aufgeweicht. Ja, es stimmt, etwas anderes kann die Kirche nicht sagen als das, daß es außerhalb kein Heil gebe. Sie könne, sie dürfe, ja sie müsse aber vermuten, daß Gottes Wege der Barmherzigkeit von uns Menschen nicht erschöpfbar sind. Die Kirche MÜSSE zwar so sagen, und zar nicht aus Pragmatismus, sondern weil sie nichts anderes sagen KÖNNE, denn nur diesen Weg zum Heil kennt sie überhaupt, aber dennoch ist nicht ausschließbar, daß Gott auch Heiden sein Heil schenkt. Wie immer dies passieren möge. Dies freilich so zu deuten, daß deshalb auch Heiden jederzeit das Heil hätten, wenn sie es nur wollten, würde aber schon wieder falsch sein! 

Wer fassen kann, der fasse. An diesem Beispiel illustriert sich das Wesen des depositum fidei, das weit weit tiefer ist als alle menschlichen Worte es je zu fassen vermögen, und doch, und doch absoluter und konkretes Urteil möglich macht, und genauso eine positive Formulierung, ein absolutes Urteil NOTWENDIG macht, sonst kann sich erst gar kein Urteil bilden. Wer fassen kann, der fasse.

Im Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich dies etwa im Dekret "Nostra Aetate" zum Ausdruck gebracht. Das wie sämtliche Konzilsdokumente "nur für sich" keine Wahrheit ergeben. Sondern, wie in der Präambel zum Konzil festgehalten, nur ... aus dem depositum fidei heraus interpretier- und verstehbar ist. Wo sich also Einzelne auf Wortlaute kaprizieren, wollen sie in Wahrheit eine ihnen genehme Interpretation. Kein Text ist "aus sich heraus" verstehbar, kein menschliches Wort der Erkenntnis ist absolut, also auch sein Geist, sein Vollzug. Es hat nur Analogie zum Logos.

Ausschweifung? Notwendige Ergänzung des Farbenrings, um das Ganze zu sehen? Der Leser möge es selbst beurteilen. Fahren wir also fort.

Denn was Newman ganz sicher gesehen hätte, wäre die Auswirkung, die die Entwicklung der medialen Welt auf das Papstamt - unter dem Dogma der Unfehlbarkeit - ganz real hat. Vergessen wir nicht: Bis noch vor 50 Jahren war das einzige, was der durchschnittliche Gläubige vom Papst mitbekam, und zwar in seinem ganzen Leben, das eine oder andere Predigtwort durch den Pfarrer, wenn überhaupt, oder das eine oder andere blaßkolorierte Bildchen, das jemand von einem Rombesuch mitbrachte. Und schon nur noch wer sich wirklich und mit Eigeninitiative interessierte - das eine oder andere Buch mit Papstaussagen. Welcher Gläubige aber las Enzykliken? Die hatten doch mit ihm sowieso nichts zu tun, denn er glaubte ja. Und da sind wir wieder exakt bei Newman.

Führen wir also nur die beiden Aspekte zusammen - die "Sanktifizierung", "Dogmatisierung" von allem und jedem, was der Papst macht oder sagt, und das Schaufenster, in dem seit Jahrzehnten, und mittlerweile in kaum noch vorstellbar überbietbarer Weise jeder Papst steht, so erhellt sich sehr vieles, was in den letzten Jahren immer konzentrierter zu beobachten ist. Denn unter dem nunmehr explizit gemachten, und nicht zufällig immer wieder und noch mehr explizit gemachten Licht einer Unfehlbarkeit der Gestalten, der Personen, die Papst sind, wird der Gedanke fast unausbleiblich, daß auch jeder dieser Päpste HEILIG ist, und jeder dieser Päpste - weil Heiligkeit Vollkommenheit bedeutet, zumindest hochgradige - auch in allem was er tut und sagt UNFEHLBAR ist.

UND DAS IST EINE HÄRESIE.


Morgen Teil 3) Wie eine unfehlbare Wahrheit zur Häresie wird



*160115*