Es gibt kein Argument,
das die Folter rechtfertigt, aus der jemand zu einem Geständnis gepreßt
werden soll. Auch nicht 9/11, auch nicht die Verhinderung von größeren
Untaten. Kein Gut kann (und darf) erreicht werden, indem man etwas
Falsches tut. Dies bleibt in sich schlecht, in sich schädigend, und zwar
den Täter, kann bestenfalls zur Verhinderung eines größeren Übels
dienen. Und dazu gehört nicht die Verhinderung von praesumtiven
Terroranschlägen.
Gaius Mucius Scaevola verbrennt seine Hand |
Im übrigen haben
die USA durch Folterpraktiken, in denen sie sich über jedes Recht
setzten, den Terror zu guten Teilen überhaupt erst verursacht, den Haß
auf sich gesteigert, und sich Feinde regelrecht selbst geschaffen. Nicht
zum ersten mal, sondern fast als geregelte Praxis einer lächerlichen
Außenpolitik, die sie von einer Niederlage zur nächsten, und von einem
Todfeind zum nächsten geführt hat. Wer aber ständig das Gegenteil von
dem erreicht, was er eigentlich bewirken wollte, beweist seine
Unfreiheit. Und das ist in diesem Fall eine besonders nette Konnotation,
denn all das behaupten die USA ja aus ihrer Sendung der Freiheit, die
sie über die Welt zu bringen hätten. Sie tun genau das Gegenteil, und
sie beweisen es - täglich! - an sich selbst. Nur puritanische
Verstiegenheit kann das leugnen.
Hier
gilt es übrigens auch gleich zu differenzieren, denn die
hochnotpeinliche Befragung des Mittelalters bzw. in der Neuzeit hatte
nicht das Ziel den der Folter unterworfenen zu einem Geständnis zu
zwingen, sondern kam aus der uralten Rechtsauffassung des Gottesurteils,
getragen von einer völlig anderen Verfaßtheit der Persönlichkeit: Denn
bis in die frühe Neuzeit hinein war den Menschen generell die Wahrheit,
die Ehre, die Schönheit, also das Transzendente wichtiger als Schmerz
oder Tod. Denn er wußte, daß er nicht nur im Hier und Jetzt, aus dem
geschichtslosen Nichts heraus, in ein solches hinein, lebte und wirkte.
Wer aber auch unter Schmerz bei der Wahrheit blieb, der bewies, daß er
auf Kraftquellen zurückgriff bzw. von einer Kraft erfüllt war, die eben
nur die Wahrheit geben konnte.
Deshalb
wurde das Gottesurteil - der Schmerz - oft regelrecht gesucht, ihm
wurde höchstes Beweisgewicht zugemessen. Aus dieser Haltung auch
begründet sich das Duell, das gleichfalls als Gottesurteil gesehen
wurde, als dessen Ausweitung man dann den Krieg, die Schlacht sehen muß.
Verlierer unterwarfen sich nicht erst, wenn alles in Grund und Boden
gestampft war, sondern wenn diese Überlegenheit zu erkennen war. Das
läßt sich in allen Kulturen finden, und wo nicht, sind es keine
Kulturen.
Wer
die Ehre so hoch stellte, der mochte vieleicht anders denken, aber er
war genau deshalb hoch zu respektieren und als Freier zu behandeln.
Dessen Wort war auch für ihn bindend, war dem Sakrament sehr sehr nahe.
Wie
sollte aus einem Menschen, der bei Schmerz zu wimmern anfing und bereit
war, die Wahrheit zu verleugnen, überhaupt eine gute Tat kommen? Agere
sequitur esse. Das Handeln folgt dem Sein. Wen die Erde überwältigt,
dessen Kopf gehört nicht dem Himmel.
Eine
Sichtweise, eine Praxis, die keineswegs vom Christentum erfunden wurde,
oder der Verstiegenheit religiösen Wahns entsprang, sondern die über
zahllose Beispiele aus der Antike her hinlänglich bekannt sein sollte:
Sich selbst einem Schmerz zu unterziehen, um die Wahrheit seiner Aussage
zu demonstrieren, ist nicht nur Fundament des Krieges, oder erst seit
der berühmten Tat des Gaius Mucius Scaevola (Linkshand)
bekannt. Der seine rechte Hand über einer offenen Flamme verbrennen
ließ, ohne sich Schmerz anmerken zu lassen, um zu beweisen, wie sehr er
der Wahrheit verpflichtet sei, damit zu einer Handlung verpflichtet sei,
die den anderen als Feind sehen MUSZTE. Woraufhin er, hoch geachtet,
ALS FEIND frei gelassen wurde.
Daß die hochnotpeinliche Befragung
erst seltener, später immer häufiger in Mißbrauch (aus wachsendem
Unverständnis) endete (Doderer, was wenige wissen: auch Historiker,
weist sehr dezent und angemessen darauf hin, daß die Folter immer
häufiger sehr sexuelle Annotationen hatte), traf sich schließlich nicht
nur mit einem völlig anderen Politikverständnis (denn es war die
Politik, die die Folter zu mißbrauchen begann), sondern vor allem mit
einem völlig anderen Verhältnis zum Körper: Der mit seiner Auflösung ins
Spiritualistische, Idealistische der Weltauffassung auch immer weniger
Realität erhielt, sodaß alles, was ihn in der Realität verankern könnte -
Schmerz - in einer immer niedrigeren Schwelle zum Problem wurde.
Menschen, die bereit sind, Schmerz und Tod zu erleiden, sogar um der
Wahrheit treu zu bleiben, sind der Gegenwart überhaupt schon
unverständlich, ja "unheimlich" geworden. Das können ja gar keine
Menschen sein ... so, wie jeder, der nicht dem Land der Weltmission
entstammt, der nicht Amerikaner ist, nicht einmal mehr Mensch ist.
Das
Wesen der Folter, die oben angedeutete Rahmen der Rolle des Schmerzes
prinzipiell verläßt, nicht in der Intensität, sondern in der Haltung und
Achtung des Schmerzleidenden, ist nämlich genau das: Sie zerbricht den
Menschen, und ihr Ziel ist, dessen Menschein zu zerstören. Der
Gefolterte soll nicht mehr in der Lage sein, seine persönliche
Integrität aufrecht zu halten. Er soll sein Menschsein aufgeben, um den
Schmerz, die Zerstörung zu vermeiden. Denn der, der Böses tut, ist
deswegen nicht kein Mensch. Wer Freiheit will weil als grundlegend
erkennt, muß auch damit leben, daß sie zur bösen Tat mißbraucht werden
kann. Wer Freiheit verhindert, weil er nur gute Taten möchte, verhindert
überhaupt Menschsein, und deshalb genau das Gute.
Der
Folterer wollte zunehmend den Menschen brechen, das war und wurde ihr
Ziel. Nicht Wahrheit, nicht Wiederherstellung einer Ordnung der Ehre.
Zerbrechen! Ehrunfähigkeit! Folter ist deshalb eine lediglich graduell
höhere Stufe zum Mißbrauch: Sie will, über die initiierte
Erlebenskomponente, die ZUSTIMMUNG des Opfers zu dem, was an ihm an
Selbstverlust beabsichtigt wird.
Eine
Form des Mordes, durch Zerstörung der Identität, des Selbstes, der
Gemeinschaftsfähigkeit. Der VdZ hat vor etlichen Jahren, in seiner Zeit
in Berlin 1997, ehemalige DDR-Häftlinge (Bautzen) kennengelernt. Er war
tief erschüttert, welche deutlich erkennbare Langzeitschäden "nur" drei
Jahre Folterhaft (und das war es, was einen in Bautzen erwartete: die
Häftlinge sollten dort gebrochen werden) anrichtete. Aber er war auch
tief betroffen von den Parallelen, die er zu Vorkommnissen sah, die
mitten unter uns, alltäglich, ablaufen. Übrigens - auch in der Kirche.
Und nicht nur am VdZ. Gott wird richten.
Morgen Teil 2) Bis sich Amerika in Afghanistan
sogar mit selbst gelieferten Raketen abschießen ließ
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