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Freitag, 9. Januar 2015

Das Gute wollen - das Schlechte erreichen (2)

Teil 2) Entstaatlichung heißt: Redifferenzierung. 
Repersonalisierung ist der einzige Weg zu Effizienz




Dazu aber braucht es das nie durch Abstraktion ersetzbare Rückbinden an persönliche Beziehung in Verantwortung. Kein Apparat der Welt, auch kein Apparatschik, und kein Technizist in Controlling oder Management, wird dieses Geheimnis JEMALS erreichen. Ganz einfach: Weil das nicht simulierbar, in Modellen rekonstruierbar ist, sondern eben mit persönlicher Situation zusammenhängt. Deshalb ist nur ein Unternehmer in der Lage etwas zu tun, was jedem reinen Kapitalbetrieb, dem es nur um Funktionen geht weil gehen kann (deshalb ist er ja entstanden), prinzipiell unmöglich ist. Nur ein Mensch, nur eine verantwortliche Person, die einer Situation quasi "gehört", ganz, kann (noch einmal: prinzipiell!) das Universale von Prinzipien, die alles enthalten, ins Einzelne tragen.

Es gibt deshalb keinen besseren Problemlöser als den Menschen selbst, der sich einer Situation gegenübersieht, die mit ihm direkt und existentiell dicht, wie Wasser um einen Fisch sich schließt, zu tun hat, und es gibt nichts Kosteneffizienteres als den Menschen. (Daß das noch nicht entdeckt ist, liegt nicht an den Tatsachen, sondern an der grundsätzlichen Verfehltheit der Grundlagen der meisten Wirtschaftstheorien, die die Wirklichkeit nicht kennen und sehen.)

Fehlentscheidungen und Probleme häufen sich gerade dort, wo sie viel, ja exponentiell Kosten aufwerfen. Denn es ist aus der Qualitätssicherung bekannt, daß sich selbst bei perfekten Systemen Fehlerquoten von 1-2 % NIEMALS unterschreiten lassen, dafür beim Bemühen, diese Quote weiter zu verringern, die Kosten und Probleme dabei exponentiell steigen, ja sich diese sogar gegen die große Mehrheit der Prozesse zu wenden beginnen. Es gibt kein perfektes Produkt, es gibt keine perfekte Kostenstrutkur, es gibt nur ein adäquates Produkt, und eine adäquate Kostenstruktur.

Die Wirtschaft hat damit  nachvollzogen, was die Kybernetik seit den 1950er, vor allem aber 1960er Jahren, bis heute verfeinert, mit  mathematischer Sicherheit entdeckt hat: Daß sich Systeme von Einzelsystemen ab einer bereits relativ geringen Zusammenfassung der Vorhersagbarkeit zu entziehen beginnen, unregelbar werden. Denn die Einzelfaktoren der Wirkungen summieren sich nicht einfach, sie potenzieren sich, und streben rasch gegen unendlich. Und das, obwohl jeder Teilprozeß, für sich betrachtet, und schon gar posthoc analysiert, für sich streng rational und verstehbar bleibt. 

Das konnte schon einer der Väter der Kybernetik, Norbert Wiener, nur noch durch menschliche Entscheidung brechen, in der man die mathematische Sicherheit einfach verlassen mußte, um sich zu entscheiden. Wiener hat das bei der Entwicklung der Zielerfassungssysteme für die Fliegerabwehr im 2. Weltkrieg praktisch angewendet. Ja, es ließ sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Flugbahn eines Bombenflugzeuges ermitteln, aber sie blieb nicht mehr als Wahrscheinlichkeit, Treffer brauchten dann trotzdem noch das Zutun des Bedienpersonals, das irgendwie "ahnte", zum Beispiel, wo das abzuschießende Flugzeug in 10 Sekunden, beim theoretischen "Treffpunkt mit dem Geschoß", sein werde. Kein Flak-System konnte dessen entbehren, die Einflußfaktoren waren einfach zu mannigfach, und das haben auch die seither gigantisch gesteigerten Rechenkapazitäten der Computer nicht verbessert. Es handelt sich um eine Prinzipienfrage, wie man mittlerweile weiß.

Und nun spätestens schließt sich der Kreis zu der eingangs angesprochenen Verwaltungsreform, die mit Jahrzehnten Verspätung als Schlagwort können soll, was die Wirtschaft sämtlich nicht geschafft hat. Denn was als Verwaltungsvereinfachung dargestellt wird - wozu neun Bundeländer? wozu 21 Versicherungsgesellschaften? wozu Landeskompetenzen, wo sich doch alles zentral regeln läßt? wozu Gemeindehaushalte mit Eigenverantwortung, wo sich doch Verwaltungsvorgänge österreichweit standardisieren lassen? etc. etc. - ist der Kurzschluß, etwas nachzuvollziehen, was sich in der Praxis des realen Lebens längst als sinnlos herausgestellt hat.

Neben so kleinen Gustostückerln ... daß etwa über die Defunktionalisierung unterer Verwaltungshierarchieen gespottet wird (der gesamte Niederösterreichische Landtag, eine gewaltige demokratiepolitische Institution, mit dutzenden Abgeordneten, gewählten Mandataren, ist im wesentlichen nur noch für die Feuerwehr- und die Jagdgesetze zuständig!), während niemandem einfällt - was jedem Betriebsinhaber sofort auffallen würde - diese Leute durch Abgabe von Aufgaben wieder "zu beschäftigen".

Das hier in groben Linien Aufgerissene ist übrigens auch der handfestes Aufweis dafür, daß ein Staat heutigen Zuschnitts, der Betriebe nur nach methodischen, technischen Prinzipien führen KANN (selbst dort, wo angebliche "Sozialmaßnahmen" das Soziale imitieren, ist er nur technisch), also niemals personal, niemals einen Betrieb, der in Bereichen tätig ist, die das normale Leben des Staatsvolks gleichfalls zu ihren Aufgaben zählt (am klarsten: Wirtschaftsbetriebe), effizient zu führen vermag. Solche Aufgabenanmaßung kann überhaupt nicht anders enden als in Korruption, Verschwendung und Verantwortungslosigkeit. Das betrifft übrigens auch und nicht zuletzt die sogenannten Sozialbereiche.

Wer unter anderem Licht also die politischen Maßnahmen der Gegenwart analysiert, wird zu dem erstaunlichen Ergebnis kommen, daß die zunehmende Automatisierung, Standardisierung und Zentralisierung von sozialen Prozessen, und das sind ja in erster Linie die Prozesse der Rechtssprechung, der Verwaltung, der Sozialgesetzgebung, ja nahezu der gesamten Politik, bis hin zum Straßenbau, die Notwendigkeit zu immer mehr Verwaltungsstellen und Einsatzstellen ergeben hat, die Teilprobleme zu lösen hat. Die sogar zu einem guten Teil überhaupt erst DURCH die Zentralisierung entstanden sind.

Die diese Aussage belegenden Beispiele aus der Praxis sind derartig umfang- und zahlreich, daß hier auch nur damit zu beginnen eine unbewältigbare Aufgabe ist. Belassen wir es deshalb bei der generalisierenden Aussage.

Und nehmen wir zur Kenntnis, daß es zwar Einsparungsmöglichkeiten in der Verwaltung geben mag, wobei diese meist aus ungerechtfertigen Einzelanpassungen (Stichwort: Privilegienstadel aus Mangel an Rückschlageffekten auf die erbrachte Leistung) erwachsen sind. Daß aber das meist geforderte Konzept der Zentralisierung, das "Vereinfachung" verspricht, mit völliger Sicherheit einen Zusatzaufwand hervorrufen wird, mit dem derzeit noch niemand rechnet. 

Deshalb kann es nur einen Zusammenhang geben, den zu vermeiden eben sich die Politik so bemüht. Aber nur er ist die Lösung, die wirklich Kosten für den Staat einspart: Kosteneinsparungen im öffentlichen Bereich sind nur bei gleichzeitiger, klarer REDUKTION DER STAATSLEISTUNGEN möglich. Das heißt: NUR ein Rückbau des Sozialstaates, was nämlich keineswegs eine "Abkühlung des Klimas der Solidarität" bewirkt, wie Zentralisten immer behaupten, sondern zum GEGENTEIL, nicht mehr ist als eine Rückführung so vieler standardisierter sozialer Ausgleichsprozesse auf die Lösungskompetenz und -notwendigkeit der jeweiligen Betroffenen und Betroffenengruppen, in allen Einbindungen an ihre jeweiligen Um- und Mitwelten, wird auch die Staatsausgaben senken können. Alles andere ist sinnloses Gerede, in dem Prozesse imitiert werden sollen, deren Unfruchtbarkeit sich schon vor Jahrzehnten erwiesen hat.

Aber das ist noch nicht alles: Denn der Sozialstaat heutiger und österreichisch-deutscher Prägung ist historisch aus einem hoch komplexen sozialen Gefüge heraus entstanden und gewachsen. (Mit vielen Fehlentwicklungen, aber das soll hier nicht diskutiert werden.) Dieses Gefüge ist das, was man "Kultur" nennt. Das heißt, daß die sozialen Einrichtungen gerade dort, wo sie differenziert sind, etwa bei den 21 Versicherungsanstalten, auf eine kulturelle Ausdifferenzierung aufbauen. Ist das Verwaltungsgefüge also differenziert, so nur deshalb, weil die Kultur sich bereits so hoch entwickelt hat, daß auch die kulturelle Basis dazu vorhanden ist. In gewisser Hinsicht heißt ja Kultur überhaupt nur: Herausbilden von Differenzierungen! Umgekehrt bedeutet ein Einebnen von bestehenden Differenzierungen auch einen Rückbau der Kultur, das ist ohne jeden Zweifel so zu sehen.

Wenn also so manche Politiker meinen, damit hausieren gehen zu können, daß eine Simplifizierung der Verwaltung (die nichts sonst ist als eine Zentralisierung) ein Fortschritt wäre, weil es angeblich "Kosten spare" (und dieses Wort ist ja zu Zeiten der Überschuldungen recht populär, ohne daß sein Sinn auch nur irgendwo erfüllt wäre, denn Sparen heißt: Verzicht!), so tun sie dies in der Regel aus bloßer Unwissenheit, wenn nicht Dummheit (in der das Unwissen in seiner sittlichen Verflochtenheit erscheint). Mit einer furchterregenden Seite: denn diese "Reformforderung" ist bereits sehr häufig der Ruf nach einem Kulturabbau.

Es ist wie mit dem Unterschied von Großkonzernen und Kleinunternehmen (auch wenn die oft beträchtliche Größe erreichen können): Je größer ein Apparat, eine bloße automatisierte Strutkur, desto kleiner wird die Bandbreite ihrer Lösungskraft. Es muß aber Ziel von Politik sein, die weitere Entwicklung einer Kultur zu fördern, was in der Regel heißt: nicht zu behindern, Hindernisse zu beseitigen. Kultur aber heißt: Differenzierung. Doch diese Differenzierung, und damit diese Kultur, ist nur KLEINEN Entscheidungsstellen möglich verwaltbar.

Und somit treffen sich hier zwei Richtungen, die als politische Aufgaben der nächsten Zukunft vor uns liegen, wollen wir uns nicht selbst auflösen und, das Gute auf die Fahnen geheftet, das Schlechte erreichen: Ein Rückbau des Sozialstaates kann nur die weitere Ausdifferenzierung, und damit die Rückgabe auch der Entscheidungskompetenzen an untergeordnete, bis hin in persönliche Bereiche heißen. Das wird in vielem gar nicht so sehr heißen, daß einzelne soziale Hilfen ausfallen. Das wird nur heißen, daß sie nicht generalisiert sein können, weil ihre Kosten somit IN JEDEM FALL über denen der invidiuelle(re)n kleineren, aber im Persönlichen universelleren Instanz liegen, und zwar beträchtlich. Denn das die Lehre, die wir auf 50 Jahren ausuferndem Sozialzentralismus ziehen MÜSSEN. 

Während nur auf diese Weise auch verhindert wird, daß wir unter dem Motto, die Kosten der Verwaltung zu reduzieren, in Wahrheit die Kultur abbauen, und damit eine Substanz entsorgen, die wir nicht mehr verstehen, die aber, wenn sie einmal abgebaut ist, kommende Generationen in einen Zustand kulturellen Rückstands versetzt, aus dem eine REFORM, eine Regeneration, nicht mehr möglich ist, sondern eine spiralige Abwärtsentwicklung in Gang gesetzt wird. Denn eine Kultur bewegt sich nur in einer Gesamtlinie, als Insgesamt, nicht in Teillinien, nach oben, oder nach unten. Das das nicht mehr gewußt wird, ist ein zunehmend bedrängenderes Problem. 




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