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Samstag, 24. Januar 2015

Von der Armut, die Armut gar nicht kennt (1)

Vielleicht ist es an der Zeit, den Begriff der Armut - der an dieser Stelle bereits vor geraumer Zeit umfassend durchgesprochen wurde - noch einmal durchzudenken, um inmitten des vielen und unausgesetzten Geredes um Armut die Orientierung durch Rückführung auf das Grundproblem nicht zu verlieren. 

Denn Armut ist ja keineswegs einfach mit "geringer Güterverfügung" gleichzusetzen, fast sogar im Gegenteil. Arm im richtigen Sinn kann sogar nur sein, wer die Güter hochschätzt, und zwar über das Verlangen nach ihnen weit (!) hinaus, ja von völlig anderer Qualität. Von Armut scharf zu unterscheiden ist nämlich das Elend. Daß gerade die größten Armutsquatscher der Gegenwart in Wirklichkeit eine Förderung des Elends verlangen, ist dabei sehr typisch.

Armut hat mit der Angepreßtheit an das Ewige zu tun, das in die Welt und ihre Zeit (als Nacheinander) - zeitlos! - hereinragt. Deshalb wird die Armut auch in ihrem geistigen Wert so hochgepriesen. Denn nicht der ist arm, der ein kleines Auto fährt oder nur 1000 Euro im Monat verdient. Sondern der, der um die Hinfälligkeit allen Irdischen weiß, und deshalb seinem jederzeitigen Besitz rechnet. Der sein Leben, seine Existenz eben nicht auf irdische Berechnung aufbaut, sondern jeden Augenblick in der Erwartung des Einbruchs des Schöpferischen lebt. Der die Angst kennt, die immer wieder aufsteigt, weil er weiß, daß auch sein nächster Schritt ein Schritt ins Ungewisse ist, das Morgen unplanbar ist, und der trotzdem, zitternd gar, voranschreitet, Tag für Tag, Tat für Tat - DER lebt arm. Weil er sich an die Brust Gottes wirft, den Herren der Schöpfung, weil er darin auch etwas Seltsames lernt: ins Sein zu vertrauen. Nirgendwo mehr Gottvertrauen, als bei den wirklich Armen!

Denn der befindet sich tatsächlich in der seltsamen Situation - aufgrund des geistigen Reichtums, den er sammelt - daß sein Besitzstand an Gütern fast zwangsläufig hinter dem hinterherhinkt, oft sogar erheblich, als ihm zur Entfaltung "zustünde", wodurch auch immer bedingt, aber durchaus  nicht immer "falsch" oder "zu beseitigen". Daß dem Armen zu helfen ein Gebot der Gerechtigkeit ist, gründet aber darin.

Armut deshalb einfach durch soziale Maßnahmen pauschal und abstrakt besiegen zu wollen, die noch dazu stets so aussehen, daß existentielle Sicherheit durch irdische Maßnahmen geboten bzw. verlangt werden soll, räumt damit aber genau das Segensreiche der Armut aus dem Weg. Sie nimmt dem Armen jene Situation, in der ein Mehr an Gütern durchaus Gerechtigkeit wäre, zu der der "arme Reiche" aufgefordert wäre (woraus eben erst eine soziale Pflicht des Kapitals abzuleiten wäre). Denn sie gilt ja nicht zufällig als wesentlicher evangelischer Rat. Und nur in diesem Sinn spricht die Kirche immer schon von der Armut als ihren eigentlichen "Schatz". Es wäre anders verstanden ja zynisch. 

Deshalb ist der, der monatlich 6000 Euro verdient, aber sich in jedem Augenblick auf jener Nadelspitze weiß, die ihn beim nächsten Schritt ins Nichts fallen lassen kann, weit ärmer - im "guten" Sinn - als der, der 1000 Euro per festem Beamtengehalt aufs Konto erhält, oder sich in einer Situation des Anspruchs weiß, den er auch mit Rechtsapparaten einfordern kann. Während er sogar eine Pflicht hat, die Güter der Erde zu mehren, zu entwickeln - wie im Mäzenatentum der Kunst beispielhaft. Ja, er schafft damit kraft seiner Möglichkeiten auch dem (wirklichen) Armen Hoffnung, weil verfügbare geistige Quelle, aus der wahre, gute Armut lebt, indem er das Fenster zur Ewigkeit weiter aufstößt.

Wer die Armut besiegen möchte, und mehr Güter besitzt, muß deshalb Kathedralen und Paläste bauen! So wird er die Fähigkeit der Menschen zur Schönheit - und damit zum Überwinden allen Elends - fördern. Die größten und prächtigsten Heiligtümer sind auf diese Weise entstanden, keineswegs nur durch "Reiche", sondern vor allem durch den Gottesdienst der Besitzlosen.

Ersterer Armer wird jedes Ding schätzen, das er zu erwerben vermag, damit es sein Leben noch besser darstellen kann (denn das ist die Pflicht, weil der Sinn der Welt), weil er durch das Schöne sein Leben heben kann. Der Arme wird deshalb den Reichen schätzen, und zwar nicht im Pragmatismus des Neids, in der Haltung der Gier, selbst auch so viel besitzen zu wollen. Und darin bewußt oder unbewußt die Ewigkeit schätzen, die hinter ihm steht, vor allem: die Schönheit fördern und bejahen, aus der der Mensch alleine lebt. Er weiß um deren Zerbrechlichkeit und ihre Gnadenhaftigkeit, und er weiß es aus dem Erfahren des Wesens von schöpferischen Prozessen. Niemand demütiger als der Schaffende, an dessen Werktisch der Totenkopf prangt!


Morgen Teil 2) Warum der amerikanische Traum sogar ein bißchen wahr und gut ist




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