Zwar sind die ökonomischen Bedingungen in Griechenland nach wie vor alles andere als gut - 35 Prozent Arbeitslosigkeit, mit 65 Prozent Jugendarbeitslosen, extreme Sparmaßnahmen in allen Bereichen - aber der Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung hat einen erstaunlich optimistischen Zug. Denn zwar sind auch die Subventionen für Kunst und Kultur dramatisch auf 0,3 Prozent des BIP gefallen, aber das Kulturleben selbst ist keineswegs erloschen, ja erlebt eine Art Aufbruch.
Die Obsorge um die antiken Stätten etwa, in Griechenland natürlich von großer Bedeutung, haben vielfach private Stiftungen übernommen, und sie dürften ihre Sache gut machen. Und ja, es gibt auch eine Zweiteilung, wo hier das Massenentertainment floriert, dem dort eine zwar verkleinerte, aber offenbar sehr vitale Szene der kleinen Bühnen und der kleinen Verlage gegenübersteht. Die Kunst hat vielleicht sogar mehr denn zuvor ihre Stimme gefunden, Künstler sind aktiv und leben am Puls der Zeit. Keineswegs ist auch die Pflege des literarischen Nachwuchses zusammengebrochen, eher sogar im Gegenteil spricht die NZZ von einer sich bildenden, sehr vitalen "grassroots-"Kultur, die es vorher so gar nicht gab. Das Leben organisiert sich überall wieder, nur - anders. Dafür treten Qualitäten, die man für erstorben hielt, nun ans Tageslicht.
"In «solidarischen Kliniken» heilen Ärzte ehrenamtlich Menschen ohne
Krankenversicherung, Initiativen sammeln Lebensmittel vor Supermärkten
für die Armen, Aktivisten stellen (illegal) dort wieder die
Elektrizitätsversorgung her, wo Wohnungen (wegen unbezahlter Rechnungen)
vom Strom abgeschnitten wurden. Während es einerseits im Kulturkonsum
einen Zug ins Triviale und Populäre gibt, worunter ambitionierte
Buchverlage leiden, blühen andererseits Happenings, kleine Bühnen und
Festivals. Beinahe euphorisch klang es, als die Kulturjournalistin
Mikela Chartoulari erklärte: «Und das Wichtigste – über die großen
Themen wird wieder diskutiert.» Athen bekommt langsam eine
Graswurzel-Agora. Dumm scheint die Krise die Menschen jedenfalls nicht
zu machen. Oder sagen wir: nicht alle." (cit. NZZ).
Freilich sind solche Berichte mit Vorsicht zu genießen. Denn sie sind möglicherweise unter gewissen Blickwinkeln, in denen der Wunsch dominiert, verfaßt und gesammelt. Was soll man von einem (in Dänemark lebenden) griechischen Künstler halten, der da meint: "Demokratie, Rechtsstaat und eine von Nepotismus freie Wirtschaft
brauchten «schwache», also nicht in Blutsbanden, sondern in
Institutionen verankerte Bindungen."
*030115*