Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 8. Januar 2015

Das Gute wollen - das Schlechte erreichen (1)

Es gilt als Zauberwort, zumindest in Österreichs politischer Landschaft, und kein Politiker, der etwas werden will, der es nicht verwendet. Zumindest anfangs. Dann wird es bald wieder still um dieses Wort - die VERWALTUNGSREFORM. Meist ist damit lediglich gemeint, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen, indem man sie zentralisiert. Also sind differenzierte Verwaltungseinheiten die erklärten Feinde. Die 21 Sozialversicherungsanstalten Österreich etwa, darunter die kleinste, die ihren Sitz in Baden bei Wien hat und für die Verwaltung ihrer 4-500 Mitglieder gerade mal ein paar Sekretärinnen und einen ehrenamtlichen Direktor braucht. Nicht selten lebt in diesen kleinen Versicherungen ja noch der uralte Solidargedanke von Berufsgemeinschaften, oder gar Betriebsversicherungen, wie die Neusiedler Papierfabrik (die aus der alten Theresienthaler Papierfabrik hervorging, heute freilich zum südafrikanischen, weltweit aktiven Mondi-Konzern gehört) sie hatte. 

Ganze Regionen verdanken so unternehmerischer Verantwortung Wohlstand und soziales Wohlergehen, waren von einzelnen Namen geprägt, ließen Siedlungen mit hellen Wohnungen und sozialen Einrichtungen erbauen, richteten Kinos und Theater ein, bauten Schulen und Spitäler, und sorgten für die Alten: Böhler im Ybbstal, Pengg im Thörltal, Berndorf bei Baden, Theresiental, und wie sie alle heißen. Denn die Entwicklung der Industrie in Österreich, wie sie v. a. ab dem 18. Jhd. einsetzte, ist ja eine einzigartige, ja bewundernswerte Geschichte sozialer Verantwortung, vor allem seitens der Unternehmer, die sich als Väter ihrer Betriebe sahen und Standards einführten, die bis heute vorbildlich sind. 

Gerade die kleinsten dieser Anstalten haben nun eine Besonderheit: Sie sind nicht einfach deshalb beliebt, weil der Österreicher gerne nach dem Motto "small is beautyful" handelt, sondern sie zeichnen sich durch die Bank durch außerordentliche Leistungen aus. Krankenkassenschecks der Neusiedler etwa wurden den Überbringern von Ärzten und Krankenhäusern im Ybbstal etwa aus der Hand gerissen, und die Pensionsregelungen sind legendär. Zumindest war das einmal so. Schon gar, wenn das Unternehmen (oder die Solidargemeinschaft) ihre Versicherungsanstalten immer noch als aktuelle Aufgabe begriff, und nicht zum technischen Apparat ausgliederte, der gefälligst schauen sollte, wo er blieb. Ihre Leistungen aber waren gekoppelt an den Wohlstand, den die Arbeiter durch ihre Arbeit, die Unternehmer durch ihre Betriebe, die Berufsgemeinschaften durch ihre Tüchtigkeit erwirtschafteten, und an dem sie auch jene teilhaben ließen, die aus egal welchen Gründen nicht mehr leistungsfähig genug waren.

Es ist deshalb schon ein heikles Problem, daß solche Einzelanstalten durch Beamte und öffentliche Bedienstete später nachgebildet wurden, die dann aus dieser Teilhabe einen Privilegienstadel machten, der sich in seinen Leistungen zunehmend an abstrakten Wohlstandsbegriffen anglich. Aber darum geht es hier nicht, gehen wir das Thema vielmehr von einer anderen Seite an.

In den 1980er Jahren, mit dem Höhepunkt in den 1990ern, kam unter großen Betrieben, und gar Weltkonzernen, die Mode auf, zu "diversifizieren". Ganz schlaue mathematische Berechnungen ergabe nämlich einen Gewinneffekt, der nicht aus besserem Verkauf oder höherer Produktqualität entstand, sondern aus den sogenannten "Synergieeffekten". Der mit einem simplen Beispiel erklärt werden soll: Das, was einen Autohersteller und eine Papierfabrik verbindet, sind nicht primär Produkte, die beide voneinander brauchen (nach wie vor kaum bekannt ist ja etwa, daß die Papierbranche in enormem Maß von der Autobranche abhängt, weil jedes Auto hunderte Kilo Papier benötigt, bis es beim Endverbraucher anlangt), sondern beide, einander branchenfremde Betriebe haben Gemeinsamkeiten anderer Art: Personalverwaltung, Buchhaltung, Finanzgebarung, etc. etc. Also in beiden Betrieben (scheinbar zumindest) gleiche technische Abläufe. 

Faßt man diese zusammen, so müßten sich also - so die Theorie, die auf sehr plausiblen Berechnungen beruht - große Einsparungspotentiale ergeben. Denn es ist kaum von Interesse, ob ein Computer 500 oder 50.000 Arbeitnehmer verwaltet, und faßt man die Liquiditätsbedürfnisse eines Betriebes von 30 Mio. und eines von 300 Mio. Umsatz zusammen, so ergeben sich vor allem für den kleineren Betrieb meist große Zinsvorteile. Plötzlich hatten Metallkonzerne eigene Baufirmen, und Glashersteller produzierten in Tochtergesellschaften Plastikverschlüsse für Zahnpastatuben oder Gehbehelfe für Invalide. Wahre Gemüseläden entstanden auf diese Weise.

Aber schon wenige Jahre nach Aufflammen dieser Mode stellte sich etwas Bemerkenswertes heraus: Die Berechnungen gingen überall nicht auf. Nicht die rein mathematischen Posten, die stimmten schon. Aber aus solchen Universalkonglomeraten erwuchsen Probleme, mit denen niemand gerechnet hatte. Synergieeffekte ergaben sich nur in groben Zügen. Aber sie wurden davon zunichte gemacht, weil zum einen große Verwaltungsapparate und Unternehmenszusammenballungen - in sprungprogressiver Entwicklung, also nicht linear, sondern in Stufen - Aufwand entstehen ließen, der sich aus der Verwaltung ihrer selbst ergab, und zum anderen Zusatzkosten durch Anpassungsnotwendigkeiten entstanden, mit denen niemand so gerechnet hatte.

Ein Pharmabetrieb funktioniert eben nicht auf dieselbe Weise, wie eine Großtischlerei für Eckbänke, die auch Kisten (für die Pharmaprodukte) herzustellen vermag. Und zwar nicht  nur in Teilen nicht, sondern überhaupt nicht, als unteilbar Ganzes. Und es ist ein Unterschied, wie bei der DESA (Name?), weltraumorientiert zu denken, und Autos herzustellen. Bei allen Gemeinsamkeiten, die sich finden lassen, ist doch jeder Betrieb in einen ganz eigenen Organismus von Beziehungen und Bedingungen eingebunden, der sich erst bemerkbar macht, wenn man ihm nicht mehr gerecht wird, weil man verallgemeinernden Notwendigkeiten der Synergieeffekte wegen gehorchen muß.

Auf den Punkt gebracht: Die vermeintliche Einsparung durch Zusammenfassung vermeintlich gleicher Prozesse hat in der wirtschaftlichen Praxis, in der Wirklichkeit des realen Lebens, nicht funktioniert. Sie hat unflexibler gemacht, und die Kosten zur wenigstens teilweisen Rückgewinnung der für die realen Beziehungen notwendigen Flexibilität waren höher als die Einspareffekte, und dennoch kam nur ein Kompromiss heraus. Während Entscheidungen "für alle" Einzelteile immer schwieriger wurden, weil die Faktorenfülle nicht zu bewältigen war, aus der heraus man allen Teilen gerecht zu werden trachten mußte.

Also haben sich weltweit die Konzerne fast überall wieder entschlossen, sich auf "Kernkompetenzen" zu konzentrieren, und ihre universalen, synergetistischen Wald- und Wiesenkonglomerate nach und nach wieder aufzulösen. Sie haben die Erwartungen nicht erfüllt, ja hatten mehr Nachteile als Vorteile. Wo in Kleinunternehmen noch eine Person - der Unternehmer selbst, sein entsprechend in solche personalen Prozesse hineingewachsenes Personal - diese Schaltstelle des "Unplanbaren" auszufüllen vermag, eben WEIL er Entscheidungsmomente hat, die mit einem Faktor agieren, den kein technischer Prozeß jemals ersetzen kann, sind diese Konzentrationen ab einer bestimmten Größe und ab einer gewissen Automation und ab einer gewissen Umfassendheit schlicht und ergreifend nicht mehr zu verwalten. 

Ja, es gibt ein regelrechtes Geheimnis um die Person, dessen wirtschaftliche Relevanz - mangels entsprechender Entwicklung der Wirtschaftstheorien, deren Zustand, als in Kinderschuhen, sich schon daraus erweist, daß es buchstäblich HUNDERTE Theorien gibt, und keine davon vermag das Versprechen, Wirtschaftsprozesse wirklich zu verstehen, auch erfüllen, mit einer schweren Konsequenz, die seltsamerweise noch nie jemand bekrittelt hat: Es fehlt allen diesen Theorien ihre Basis, die KOSTENWAHRHEIT -  eine kaum zu fassende Ignoranz erfährt. Denn die Person ist das effizienteste Lösungsbündel, das überhaupt denkbar ist. Nur in der Person kann nämlich jenes "Eine" des Denkens und Fühlens vollzogen werden, das die Basis jeder Entscheidung bilden muß. Damit passiert in jeder Phase menschlichen Handelns das, was kein Computer, kein technischer Apparat auch nur annähernd und jemals erfüllen kann: Diese "Ambivalenz", dieses "Luftpölsterchen aus Humanität", das um jede Entscheidung gebettet ist. Und bewirkt, daß jeder rationalen Entscheidung jene Flexiblität, auf wunderbare Weise, eignet, die auch große Entscheidungen, Entscheidungen in Großbereichen, überhaupt erst gelingen läßt. 




Morgen Teil 2) Entstaatlichung heißt: Redifferenzierung. 
Repersonalisierung ist der einzige Weg zu Effizienz





***