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Sonntag, 25. Januar 2015

Von der Armut, die Armut gar nicht kennt (2)

Teil 2) Warum der amerikanische Traum sogar ein bißchen wahr und gut ist




Wahrer Reichtum (der engstens mit Eigentum verknüpft ist - als Zubehör zur Persönlichkeit, als deren Ausfaltung in die Welt hinein, insofern ein Schöpfungsprozeß!) ermutigt deshalb den wahren Armen, ist ihm Ansporn zur Größe, denn der wahre (arme) Reiche ist Seelenbruder des (wenige Güter besitzenden) Armen. Hier hat sogar der amerikanische Traum jenes Fünklein Wahrheit, an dem sich - mißbraucht und unverstanden - menschlicher Wahn aber so fatal entzündet hat.

Niemand aber hochfahrender als der letztere, der Elende. Letzterer wird nämlich gar nichts schätzen, ja er wird sogar jede Wertschätzung für irdische Güter, für den Reichtum der Schöpfung verlieren, und Schäbigkeit von Bescheidenheit nicht unterscheiden können. Er schätzt und liebt auch nicht, was er hat, und wird elend. Und er bleibt elend, auch wenn er 6000 Euro monatlich erhält. Denn anders als das Elend, fordert die Armut zu einem inneren aktiven Zustand der Rückbindung ans Ewige heraus. Während das Elend diese selbst zu leistende Tätigkeit - erst dann ist der Mensch in seiner Bestimmung und Würde - durch äußere Güter ersetzbar glaubt, sich also keineswegs selbst erhebt. 

Daß der Arme mutlos werden kann, und deshalb vorerst auch ins Elend fällt, oder der Elende sich eines Besseren besinnen kann, ist dabei selbstverständlicher Teil der menschlichen Vielfalt, weshalb jeder Mensch ganz gewiß immer sehr situationsbezogen zu sehen ist. Genauso bleibt dem zu (!) geringen Besitz natürlich das "Unangenehme", das Hemmende, das Kreuzhafte. Aber der Arme erkennt darin den Verweis auf eine Möglichkeit der Größe und Lebenserfüllung, die ihm immer bleibt, während der Elende diese Größe weder hat noch sucht.

Wir sprechen hier aber von ganz realen existentiellen Bedingungen. Nicht von Salonmoralisten, die gerne von geistigen Vollzügen schwadronieren, um sich jede Ernsthaftigkeit zu ersparen, bei der es ja erst um Wirkliches ginge. Während dem Armen zu helfen moralisch wertvoll ist, in jedem Fall, so ist es in den meisten Fällen sogar schädlich, dem Elenden zu helfen, es sei denn, daß er sich aus dem Elend - was meist heißt: zur Armut - zu erheben vermag. Aber diese Hilfe braucht Klugheit, Weisheit, gutes Überlegen und Sinn für pädagogisches Handeln, das heißt: Menschenkenntnis. Denn anders als die Armut, ist das Elend eine Verderbnis der Seele, und ihre Behebung hebt auch nicht die Glück- und Heilsperspektive des Betroffenen, ja im Gegenteil ist seine Besitzlosigkeit in seinem Seelenzustand verankert: der Elende wird immer auch verlieren, was er noch hat, und verspielen, schlecht gebrauchen, was er erhält.

Deshalb hat Marx die Armut gefürchtet. Denn er hat sie in einer Wirkung beobachtet, die er bösartig auf den Machtrausch der Kirche zurückführte: daß nämlich Arme für revolutionäre Gedanken alles andere als empfänglich waren. Das änderte sich erst, als man alle Verelendete. DAS sind die idealen Bedingungen, denn der Elende ist unfrei. Nicht aber der Arme.

Und deshalb sind alle revolutionären Gedanken und Bewegungen nie von den Armen ausgegangen. Das ist Geschichtsfälschung, das immer wieder und wieder, und auch heute, zu behaupten. Alle diese Bewegungen kamen von den Elenden, ob mit oder ohne Besitz, und bei beiden aus dem gleichen Motiv: Neid, als seelische Erkrankung der Platzlosigkeit und -verweigerung, des inneren Ungehorsams, und damit der Erkenntnis-Verweigerung.

Gleichzeitig bewegt sich eine solcherart im Elend gegründete bzw. existentiell unterfütterte geistige Situation immer zu einer geistigen Welt der "Blumentöpfe". Sie schafft sich künstliche Probleme, die zu lösen sie dann alles einsetzt. Nahezu der gesamte politische Apparat der Gegenwart, ob in Politik oder Kirche, ist damit bereits charakterisiert. Samt seinen Proponenten - existentiell abgesicherte, nur in der Dotierung unterschiedlich "besitzende" Elende. Deren Verachtung für den Reichtum nicht aus wohl verstandener oder gelebter Armut besteht (umso demonstrativer müssen sie diese Armut ja auch beweisen oder fordern, und zwar ständig), sondern aus der Geringschätzung des Irdischen. Und damit aus einer Häresie, einer Fehlhaltung vor Gott. 

Denn gerade die größten, schönsten Dinge dieser Welt - Kunst, Architektur, die Liebe zu Liturgie und üppigem Kult, die Wertschätzung des Schönen ... nur als Andeutungen - sind aus Situationen größter Armut entstanden, und nicht zufällig, und schon gar nicht aus Ausgepreßtheit, sondern aus der Beziehung zum Besitz der Spender, der Gebenden, die diese Dinge erbauten, ermöglichten. Und sieh da, aus dieser Armut erhob sich binnen weniger Generationen eine wahre Hochkultur. Nur wer die Relativität der Hoffnung auf irdische Güter kennt, wer sein Herz nicht (mehr) daran hängt (ohne sie zu verachten, weil auch sie ihr Sein aus Gott haben), schafft dem Geist Raum. Wer fastet, der salbe sein Haupt!

Er bezieht sein Maß nicht aus sich - er bezieht es aus dem Sein, dem er als Empfangender gegenübersteht. Kein Reicher, der nicht den Einbruch der Gnade erlebt hat, NACHDEM er sich am Ende aller seiner (irdischen) Hoffnung wußte. Und damit Raum für die Gnade ließ. So ist jeder Reichtum entstanden, ja jede hohe Stellung. Niemals aus "Belohnung von Kenntnissen" oder "erleisteten Anrechten" oder "erhaschten Titeln". Niemand ist so demütig, das sagt der VdZ aus vielfacher Erfahrung, wie Menschen, die wirklich in hohe Positionen und zu Reichtum gekommen sind (und nicht Diebe, Elende sind.) Und niemand so hochmütig wie jene, die meinen, die Güter der Welt nicht achten zu müssen, die sogar noch "Armut bekämpfen" zu sollen fordern.

Sodaß sehr begründet die Geschichte wenig von Zeiten der Elenden hören läßt, in denen ganze Völker ins Vergessen abgesunken sind (oder sich nie zur Geschichte erhoben haben), eben weil es ihnen an der Wertschätzung der Dinge, und damit an der richtigen Armut fehlte. Manchmal und nicht selten sogar gerade dort, wo sich Völker in Krieg und Eroberung gar große "Reiche und Reichtümer" angeeignet hatten. Denen aber jenes Fundament fehlte, das ein Gut überhaupt erst mit Bestand durchtränkt.

Das ist das wahre Geheimnis der weltdurchwirkenden Kraft des christlichen Abendlandes. Und das ist seine Unterscheidung von nahezu der gesamten übrigen Welt. Es würde von seiner geistigen Kraft her sogar noch für die Durchwirkung jedes politischen kontinentalen Programms reichen.  Nicht aus Nützlichkeit, sondern aus dem Wissen um das, was Kultur überhaupt wirkt.

Aber müßte man nicht schon sagen: das war sie? Wie viele reden von Elend, und nennen es Armut? Wie viele mittlerweile, bis und vor allem in höchste und allerhöchste Positionen, haben keinen blassen Dunst von Armut, obwohl sie scheinbar daraus herstammen, ja dieses der Begriffsverwirrung entstammende Äußerliche als Ausweis vorgeben, aber - in Wahrheit nur dem Elend nie entwichen sind?


Morgen (voraussichtlich) Teil 3) Hinzufügungen, Folgerungen und Ausschweifungen




*250115*