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Freitag, 4. Februar 2022

Der Kampf mit unserer Natur (1)

Consuetudine statuit altera natura - Die Gewohnheit formt sich eine zweite Natur. Die wahre Bedeutung dieses alten römischen Sprichworts ist kaum hoch genug zu veranschlagen. Letztlich geht es hier sogar um das Geheimnis und Wesen unseres irdischen Daseins, das ein Dasein in carne, im Fleisch ist. Es kann nicht von Geist, es kann nicht von der Seele getrennt werden, ohne daß es zerfällt, aber es hat auch die Realität und Kraft, das Schicksal der Seele zu bestimmen.

Wir werden von der Liturgie des Alltäglichen geprägt, darum geht es auch jetzt in diesem Coronawahnsinn. Nur höchst unweise, ja tölpelhaft-dumme Führer konnten auf die Idee kommen, eine Krankheit durch völlige Isolation der Menschen bekämpfen zu wollen. Es ist,als würde man mit einer zweijährigen Folter (und ich gehe daovn aus, daß dieser Kampf letztlich von dreijähriger Dauer gewesen sein wird) das Wohlergehen des Gefolterten bewirken wollen. Und Isolation gehört zu den schärfsten Formen der Folter, und ist deshalb aus dem Strafvollzug wieder verschwunden, WEIL es Folter war. 

Vor allem für Kinder sind die Folgen verheerend. Denn sie bilden sich erst zu Persönlichkeiten, die sie dann hoffentlich im Erwachsenenalter sind, sodaß sie nicht nur altern, sondern - eben - reifen. Für sie ist jeder Tag die neue Basis für den nächsten, und bei ihnen formt sich mit dem seelischen Erleben auch das Fleisch. Das die Sammelstelle für Welt ist.

Und das sich in jungen Jahren mit Leichtigkeit und Eleganz jedem geistigen Gebot anschmiegt, einzig zwei Gegner vor sich: Die Geneigtheiten aus der Vererbung, und die Liturgie der Umgebung, in die sie gewissermaßen wehrlos - weil sie sie sogar aufnehmen müssen; sie wird zu einem entscheidenden Teil ihrer Gesamtpersönlichkeit - hineingefügt werden, und die ihnen weitere Prägungen und Charakteristiken der Umgebung (in jeweils übergreifenden und geschichteten Gesamtmengen, wie zum Beispiel Türckstraßenviertler, Ortsteil Hammichenrode, Stadt Bürckwald im Schwarzwald, Kreis Tübingen, Land Baden Würtemberg usw.) zum Teil ihrer Persönlichkeit (als Hingespanntheit auf) werden lassen.

So sehr schmiegt sich die kindliche Seele dem Diktat der äußeren Lebensvollzüge an, daß es sogar völlig falsche, seinen individuellen Anlagen konträre Lebrensvollzuüge auf- und annimmt. Und sich somit einen wahren Gebirgsstock aneignet, den es dann herumschleppt und kaum noch abzubauen in der Lage sein wird, auch wenn es sich erkennt. Täglich und wieder täglich muß es dann diese Berge übersteigen, und ist bereits schweißnaß und erschöpft, und es ist bereits Abend, ehe es dann an das Lebren gehen kann, das ihm schöpferisch zugedacht gewesen wäre. 

So weit geht die Kraft der Gewohnheit, daß sich Menschen, die wider ihr Wesen und ihre Natur erzogen (und das heißt durch Mitleben als Teil eines Ganzen großgeworden, von dem es sich erst allmählich zu distanzieren vermag, was aber nicht heißt, daß es sich davon auch abspalten muß, im Gegenteil) worden sind, daß sie später nie mehr die Kraft haben, aus diesen gewohnten Lebensabläufen, aus dieser Einrichtung des Lebens sozusagen, auszubrechen, und ein neues Leben anzufangen. 

So schwerwiegend auch die Erkenntnis gewesen sein mag die da eines Tages, in der Regel von einem Außen angestoßen (denn das, was uns anstößt, stammt wohl immer von einem Außen, wehe also denen, die das Außen absperren) zum Einsehen führte, daß das eigene Leben völlig zu ändern sei - weil die Erziehung contra naturam auch die Tugend verkümmern läßt. Die ein starker Wille, der in solchen Fällen sehr oft weil parallel entsteht, dann erschreckend und höhnisch lachend karrikiert. 

Als jene Haltung, die aus einer fleischgewordenen Gewohnheit eine permanente Anhalte zum Guten (das sich aus dem Sein ergibt, also auch hier an die Notwendigeit der inneren Freiheit stößt, weil erst diese den Geist durch das gewissermaßen "individuelle Mobiliar" durchscheinen läßt) formiert hat. Der Tugendhafte muß über das Gute nicht mehr lange nachdenken, er neigt automatisch dazu, es zu bejahen bzw. es zu tun.

Deshalb ist es dem alten Menschen sehr schwer, sein Leben noch wirklich zu ändern. Und es gelingt ihm auch nur höchst selten. Meist wird das Gegenteil sogar wahr: Er hört auf, gegen den Anruf des Seins zu kämpfen, den Anspruch des eigentlich Gesollten noch länger als Unruhe zu ertragen, und blenet diese Gewissensstimme aus. Er wird also taub. 

Es kann für mich keinen Zweifel geben, daß die Altersdemenz genau darin ihre Ursache hat. Sie ist kein simples Krankheitsgeschehen, sondern sie ist die Folge des Abschottens der Umwelt, der In-sich-Gekehrtheit, die im Alter immer mehr zu einer Haltung wird. Also dauerhaft im Fleisch, wie ein Organ, wie ein organisches Komposit, das eines Tages für sich gestellt und dem eigenen Dasein als dauerhaftes Organ eingefügt wird.

Das spricht so nebenbei auch allem Sprechen hohn, das da meint, der menschliche Wille würde sich aus der sinnlichen Qualität der Erfahrugn der Dinge formieren. Nichts wäre weniger wahr, nicht wäre weniger gefährlich, weil es den Menschen dann zum bloßen Produkt des jeweiligen Zeitgeistes macht. Der es dann über die allgemein gewordenen Lebensgewohnheiten ist, der die Seele formt. 

Die sich somit nicht aus dem Geiste ihr Urbild nimmt, sondern sich simpel und träge dem Fleisch anfügt. Etwa so, als würde sich der Firmenerfolg von Mercedes an Beliebtheit und Qualität der Kantinenküche im Werk Sindelfingen messen und formen lassen. Wo es sich erstaunlich gut und schwäbisch essen läßt, keine Frage, ich habe es vor vierzig Jahren festgestellt: Man geht mittags zufrieden wieder ans Fließband. Aber taugt das zur Beurteilung, ob man dort arbeiten soll oder nicht? Es kann nur ein Faktor sein. Andere Faktoren sind weit bedeutsamer.

Somit läßt sich für uns vielleicht erahnen, was für Bedeutugn einerseits die konkrete Liturgie des Alltags hat. Der sogar dann, wenn er uns eigentlich schädigt, uns zuwider läuft, so viel Haltekraft haben kann, daß er dem, was einem Entschluß immer folgt (wenn er schöpferisch ist), dieses Hinaussteigen ins Dunkel und ins Nichts, im Hineinwerfen in die Hand Gottes, des Seins, im Selbstüberlassen an seinen Willen und an seine Vorsehung, als Herren jedes Seins, das also diesem Moment (der oft lange anhalten kann, weil das Neue auch viel Gewohnheit und Dauer braucht - Zeit - um zu einem tragfähigen neuen Leben werden zu können) in seiner Lebenstragefähigkeit weit überleben ist. 

Die Gewohnheit ist gewissermaßen ein Leben, so wie es sämtliche persönlichen Lebensvollzüge sind, die wir tagtäglich tätigen oder denen wir uns fügen. Dazu dürfen wir ruhig alles, as wir tun, bis hin zum Einkauf, bis hin zum Hinuntertragen der Müllsäcke, dem Spaziergang, dem Lesen der Zeitung, dem Gespräch mit der Frau oder dem Nachbarn, dem Essen und den Dingen die am Teller liegen, der Zubereitung, oder in nächsten Rahmen den Feiern im Freundekreis, den Treffen im Kegelclub, der Gemeindefeier am Hauptplatz zur 750 Jahr-Feier des Stadtdomes, und natürlich den Gottesdiensten, den Andachten, den Meßopfern, den Weihnachtsmetten und Kar-Tagen und Kräutersträußerln an Maria Himmelfahrt. Oder dem Blasius-Segen am heutigen 3. Februar. 

Morgen weiter mit: Jede Gestalt ist Gewohnheit. Jede Gewohnheit ist Liturgie des Lebens.


*030222*