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Montag, 21. Februar 2022

Von Schriftprache und Diebstahl (1)

Ich hatte ganz vergessen - dabei ist es mehr als logisch - wie sehr Konrad Burdach gegen die Mär gekämpft hat, daß Martin Luther die neuhochdeutsche Sprache "erfunden" habe. Nicht nur ist das unwahr, sondern Luthers Schriften sind durch die Bank dem Stand der Zeit HINTERHER gewesen. Und es läßt sich nachweisen, wie viel an seiner "Sprache" die Buchdrucker und -setzer noch geändert, dem aktuellen Gebrauch angepaßt und modernisiert haben. Erst ab etwa 1530 hat Luther sich den neueren Stand der Schreibweise des Deutschen angeeignet, und seine Schriften angepaßt.

Die Verbreitung des Neuhochdeutschen ging vielmehr ohnehin von Thüringen aus. Das zur damaligen Zeit und Epoche das geistige und sprachliche Zentrum Deutschlands war. Der enorme Einfluß Luthers auf die deutsche Sprache, den natürlich niemand abstreiten kann, ist vielmehr indirekter Effekt gewesen. Er stammt aus der Übersetzung der Heiligen Schrift generell, die zu einer Aneignung der Heiligen Texte durch das Volk geführt hat.

Wie so vieles verdanken wir diese Sichtweise Luthers der Literatur der sogenanntne Deutschen Klassik, der Stürmer und Dränger, auch in ihren romantischen Quellen einer Wiederaufnahme alter deutscher Formen. Das war wiederum keineswegs ein nostalgischer "romantischer" Lapsus oder eine Maniriertheit, sondern der Suche nach den wirklichen Quellen der Sprache zuzuschreiben. 

Und hier hat Luthers Sprache (wie gesagt: Vielfach verändert durch Nachbearbeitung, sodaß man eigentlich von der "Sprache der Bibelübersetzung" reden müßte) insofern einen großen Einfluß ausgeübt, als sein Rebellentum auch in der ungehemmten Verwendung der Sprache ihren Niederschlag fand. Sodaß sich im Deutschen über die Verbreitugn der Bibel gewiß auch die poetischen Poren wieder geöffnet haben. Die immer wieder im Formalismus zu ersticken drohten. Wo die Grammatik der Sprache vorschreiben wollte - und wir haben das heute nicht weniger als vor zweihundert und mehr Jahren.

Denn es isset da in diesem Kulturstrom der deutschen Völker - hie mehr, dort weniger - ein ständiges Kämpfen gegen jenen Starrsinn, in dem sich Unbegabte der Sprache insofern bemächtigen, als sie ihre sprachliche Impotenz durch Kenntnis der Regeln kompensieren wollen. Und somit nach außen Sprachmächtigkeit vortäuschen, die sie als Regelkenntnis mißverstanden wissen wollen. Wie so oft also der Kampf des Könnens mit dem Müssen, der natürlichen Begabung und Intuition gegen Freilich mit der Gegenschneide der willkürlichen Regellosigkeit. Denn freie Sprache ist eben genau nicht regellos, sondern wird aus der inneren Anhalte an die Regel geschöpft, die dann dem Gesprochensein immanent ist, ohne daß es dem Sprechenden bewußt ist.
Die Begabung ist sich dabei selbst ihrer Mächtigkeit bewußt. Das verschafft ihr eine Natürlichkeit, in der sie einem Machtkampf um Herrschaft in ihrem Tätigkeitsfeld kein Augenmerk richtet. Hier öffnet sich die Tür für die Regelfaschisten, die sofort ihren Fuß in die Tür stellen, sich in den Raum drängen, und gewaltsam die Macht übernehmen. 
So führt auch aus dieser Warte der Sprachfluß zu derselben Quelle, nämlich dem Dialekt, dem natürlich - ex natum, also von Geburt (Muttersprache) und sogar schon vor ihr, dem Kind im Mutterleib an - die wirkliche Sprachtmacht gehört. Aus der sich jede allgemeine Schriftsprache, die einen Sprachraum umfaßt (das Niederländische, aber auch das Letzeburgerische etc. hat sich, um das zu illustrieren, nur deshalb als "eigene Sprache" etwa um diese Zeit abzuheben begonnen, in der sich die Niederlande dem politisch motivierten anti-habsburgischen Geist der Bevölkerung nach aus dem zu sehr deutschen Deutschen Reich gelöst haben. 

Und es somit auch zu einer ablehnenden Haltung der Schriftsprache des Reiches kam, wie sie vor allem von den Staatskanzleien ausgegangen ist.  Von denen sich diese deutschen Stämme nichts mehr sagen lassen wollten. 

Aber noch etwas hat sich durch die Bibel in Volkssprache verändert. - Und, wie gesagt, durchdrungen von der nun in Schrift vorliegenden Bibel. Wobei auch das steht in vielerlei Zusammenhängen. Auf jeden Fall sind in deren Rolle im Glaubensleben sowie deren Anwendung im (erstmals!) Privaten wie Kultischen (Siehe Anmerkung*) die Niederlande ebenfalls ihre eigenen Wege gegangen sind. 

So starke Wege, daß man von einer regelrechten Durchwirkung der deutschen Völker sprechen muß, die von den niederländischen Hafenorten ausgegangen sind. Es war alles anders als zufällig, daß zeitgleich die niederländischen Häfen und die Rheinmündung überhaupt zu den ersten und wichtigsten Geldzentren Europas gehört hat. Wo nach dem Mittelalter wieder Geld mehr und mehr eine Rolle spielte. Ähnlich wie in Venedig und der Lombarbei, auch hier in Zusammenhang mit einem Fluß, und auch dort nicht zufällig und in Zusammenhängen mit sehr ähnlichem, politisch-kulturellen Profil) und damit dessen, was man als Kapitalismus bezeichnen kann, darstellbar. 
Wenn aber doch einmal die "Freien" die Macht übernommen haben, die dereinst ausgezogen waren dem Starrsinn zu widersprechen, wiederholt sich das Spiel mit dem Staubsaugervertreter, und zwar auf der völlig entgegengesetzten Seite. Wieder sind es die Unfähigen, Unbegabten, die den Fuß in die Tür stellen und die Machtübernahme per Revolution ausrufen. 
Wieder sind es dabei jene, die keine Verbindung mit dem wirklichen Schöpferischen Quell der Sprache (pars pro toto - ein schematischer Vorgang also, der sich auf so gut wie alles andere Material umlegen läßt) haben, aber auch die Regeln nicht beherrschen, ja nicht einmal kennen. Und sie rufen die Freiheit der Willkür aus, der Ungeformtheit überhaupt. Sodaß ihnen auch die oben bezeichnete immanente Durchdringung durch die Grammatik fehlt, die dem Schöpferischen aber unbedingt innewohnt.  
Die Niederlande waren im 17. Jahrhundert nicht nur die größte See- und Handelsmacht Europas, sogar bei weitem: Vier Fünftel aller Handelsschiffe, die es überhaupt in Europa damals gab, befuhren die Weltmeere unter niederländischer Flagge. Sie waren auch das reichste Land Europas. Bei weitem. Und griffen bis nach den Grenzen der Welt, um Kolonien zu gründen - selbst New York (das zuerst Neu Amsterdam hieß) war zuerst eine holländische Gründung als Handelsniederlassung - und sie zu prosperierenden Wirtschaftszentren auszubauen. 

Morgen Teil 2) Warum heute nicht Holland die Welt bestimmt? Es war Raub und Diebstahl, Neid und Gier. Es war das, was angeblich hinter einer Schrift steht, die Gott gestohlen wurde.