Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 24. Juni 2018

Die schöne Gestalt als Ort der Wahrheit

Es ist die Gestalt, die entscheidend ist, und in der sich letztlich (und auf eine Weise) alles in Ästhetik auflöst. Es ist die Gestalt des (eigenen) Leibes, die sich auch die Sprache wählt und wie in einem großen gemalten Bild zu einem ästhetisch als "gut" empfundenen "Weltbild", zu Sichtweisen, zu Ansichten zusammensetzt. So spricht dann der Mensch, so denkt dann der Mensch. Der durch alle Ebenen durchgeht, vom Vegetativen bis zum Geist. Und über den Willen auf jeder dieser Ebenen deren Entsprechung manifestiert. In der Bewegung ebenso, wie im Denken, weil Sprechen.

Deshalb muß und kann man von der Einheit von Wahrheit - Güte - Schönheit sprechen. Denn sie sind letztlich immer Entsprechungen innerhalb einer in sich geeinten Gestalt.

***

Diese Gestalt ist aber zuallervorderst eine "Hinspannung - auf". Ist also zuallervorderst auf ein Außen ausgerichtet, auf das hin sie ausgespannt ist. In dieser Hinsicht ist also Ortega Y Gasset zuzustimmen, der den Menschen als "utopisches Wesen" definiert. Hört diese Hinspannung auf, fällt der (nunmehr invertierte) Mensch in Formlosigkeit. Seine Gestalt beginnt konturlos zu werden und verschwimmt letztlich. Sie kann also nur empfangen werden. Der Tote zeigt es. Nur die Hinspannung - auf läßt also Gestalt überhaupt Form tragen.

***

Die Fragmentierung der Gestalt durch Kategorien der Nutzbarkeiten, der Befriedigungseffekte vor allem, wie sie bei der Leiblichkeit zu beobachten ist, ist eines der schlimmsten Übel der Gegenwart. Und selbst hier zeigt sich das Übel der mangelnden Sittlichkeit, denn eine solche überwältigt das Urteil.

Wer noch wissen will, was schön ist, sollte deshalb besonders aufmerksam auf die Wahl der Kinder achten. Wo diese Fragmentierung der wahrgenommenen Gestalten, die im Laufe des Heranwachsens so gut wie immer entsteht (weil umso mehr kulturelle Aspekte eine Rolle spielen), noch nicht oder zumindest weniger ausgeprägt ist. Weil sie noch mehr in Konturen sehen. Und Konturen können nur ein Ganzes zeigen.

***

Kinder zeigen sogar noch ein anderes Kriterium, die im Wesen des Bezugs des Menschen zum Schönen hin besteht: Die des Tremendums, des "schönen Schauers", der Furcht vor dem Schönen. Das Schöne verlangt nämlich aus sich heraus die Distanz.

Die Erziehung zur Distanzlosigkeit, ja die Lüge, daß Distanzlosigkeit mit Gutheit in eins falle, ist deshalb immer eine aggressive Verwüstung der Schönheit. Und bewirkt im Schauenden eine Fragmentierung seines Insgesamt.

***

Man kann das sogenannte "Psychische" (oder in dem Fall auch: Psychologische) durchaus als ständig aktiven Versuch betrachten, diese Einheit wiederherzustellen. Denn jeder Moment ist Begegnung mit der Welt, und jeder Moment deshalb neuer Anstoß zur inneren Bewegtheit und damit Unausgewogenheit. Es ist somit eine Emanation der Lebendigkeit, und in dieser wiederum eine der Einheit der Gestalt. Weshalb alles stirbt, vergeht, "durchdreht", wo es zu keiner Bewegtheit durch Begegnung mehr kommt.





*180618*