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Samstag, 9. Juni 2018

Eine Zeit, gerammelt voll mit Tabus (2)

Teil 2)




Ob das eine oder andere Detail dabei stimmig ist, als "Wissen" oder "Irrtum", ist hierbei fast irrelevant. Denn man hat diesen inneren Kompaß der Wende zur Vernunft, und an diesem läßt sich allmählich alles ausrichten und Falsches von Richtigem scheiden. Unsere heutige Wissenslandschaft macht es aber - so behauptet sie, es ist natürlich in Wirklichkeit genau gegenteilig: nur kennt man diese Generalprämissen nicht mehr, das ist das ganze Geheimnis, und beläßt es auch, eben in einer ... blackbox - genau umgekehrt. Sie geht von "Inhalten" aus, als angeblich Gewußtem, damit in Stein gemeißeltem. Man hat dafür sogar einen Begriff geschaffen: Den der post-science. So aber wird Gewußtes nur noch zur Absicherung von ... ja wovon eigentlich?

Deshalb wäre es verkehrt, und der VdZ meint zu sehen, daß das auch nicht Hans-Joachim Zillmers Intention entspricht, diese Vorträge anzuhören in der Hoffnung zu erfahren, "wie es ist". Das konkrete Inhaltliche - ob etwas so war oder so - ist fast zweitrangig, wenn auch nicht ganz bedeutungslos, natürlich. Denn Tatsachen können nie der Grundannahme widersprechen, dann stimmt etwas an Letzteren nicht. Wer sie so anhört, weil er sich aus den "Fakten" ein Bild kleistern will, sollte es besser lassen. Die erste Aufgabe ist nicht, "Fakten" zu sammeln, sondern den tiefsten Gründen nachzugehen. Ohne geordnete Metaphysik, also dem Denken über die ersten Dinge, sind solche Vorträge völlig sinnlos, ja gefährlich.

Leider passiert das genaue Gegenteil. Massenhaft verlassen junge Menschen die Universitäten in einem scheinbar attestierten Zustand zu meinen, nun "zu wissen". Weil sie "das zu Wissende" wie ein Schiller-Gedicht im Gymnasium gelernt haben. Und damit treten sie in ungeheurem Selbstanspruch auf. Der umso provokanter daherkommt, als das tief Innerste die Wahrheit kennt ... das Ungesicherte, die Vernunftlosigkeit. (Denn nur in der Vernunft kann der Mensch frei und selbstbewußt und damit schöpferisch handeln.) Dabei sollten sie nur jene sein, die wissen, wie man am sinnvollsten Wahrheit und in ihr das nie sichere Wissen sucht.

Der VdZ erinnert sich in diesem Zusammenhang an ein langes Gespräch über Evolution, das er vor Jahren mit einem seiner Söhne führte. Der sich am Ende eines langen Gesprächs über Logik und Wahrheit damit rettete, indem er (sichtlich von der allgemeinen Meinung gestützt) darauf beharrte, "daran zu glauben". Und das, obwohl er kein wirklich geschlossenes Gedankenbild damit errichten konnte. Die vielen Leerstellen füllte er eben mit blackboxes. Mit dem Hinweis, daß das irgendwie eben so sei, anderes eben so und so sein müsse, und daß man das irgendwann noch herausfinden werde. Es hätte beim Eröffnungssatz des Gespräches bleiben können. Er sprach ihn gleich zu Beginn des Treffens aus. Als er wie um alles Kommende (das er ahnte, oder wußte; auch das ist ja interessant) von vornherein abzuwehren davon sprach, daß es keine Wahrheit gebe. Das tut einem Vater schon im Herzen wehe.

Nur aber wer diesen leicht zu widerlegenden, völlig unhaltbaren Satz (denn er ist selbst eine Wahrheit, und wer diese ausspricht muß also die Natur der Wahrheit kennen, sonst könnte er über sie gar nichts aussagen; Kommunikation wäre überhaupt unmöglich, weil niemand wüßte, worüber der andere spricht), nur wer diesen selbst schon irrationalen Satz* also akzeptiert, und das tun heute die allermeisten Menschen des Westens, der ja die Grenze zu völliger Irrationalität längst überschritten hat, kann auch mit tabuisierten blackboxes leben. In denen sich Widersprüche natürlich wunderbar konservieren, und der Laune und Willkür (die mit Freiheit verwechselt wird) Tür und Tor öffnen.

Der VdZ hat es deshalb einmal so formuliert: Gerade in unserer Zeit, die behauptet, keine Tabus mehr zu akzeptieren, herrschen so viele Tabus wie noch nie. Beide Komponenten - Wahrheitsunmöglichkeit und blackboxes - haben natürlich einen gewaltigen "Vorteil". Sie ermöglichen, daß man weiter "einfach so" nach Gusto und Laune leben kann, wie man eben lebt.

Zillmer war Bauunternehmer, wie er sagt. Das war auch der VdZ. Und insofern meint der VdZ auch Parallelen zu erkennen. Denn gerade die Baubranche, die so viele Bereiche umfaßt, die so umfänglich ist, ist eine Branche, die einen unbarmherzig auf die Wirklichkeit hin zurechtprügelt. Und das heißt: Zwingt, die Grundsätze dieser Wirklichkeit zu erfassen. Sonst wird man tief existentiell aufgerieben. Wenn man diese Lektion aber lernt, nicht in Staatsaufträge und Beziehungsverflechtungen flieht vor allem, mit denen man sich bequem aus der Wirklichkeit in eine Sonderwirklichkeit flüchten kann, also sein Innerstes korrumpiert, kann man viel gewinnen. 

Denn es muß somit das Material sein, das einem seine Gesetze aufzwingt, weil es zeigt, daß hinter ihm eine Ordnung steht. Und um dieser zu genügen, muß man genau zuhören. Dann hört man auf zu glauben, daß die Welt nicht intelligibel sei, daß es keine Wahrheit gäbe. Zum Gegenteil. Dann beginnt man vor der Schöpfung mit Ehrfurcht vor ihrer widerspruchsfreien inneren Ordnung, vor der Ordnung und Widerspruchslosigkeit des Geistes - dem logos - zu haben. 

Dann entdeckt man auch jene Vektoren, die auf den Schlüssel zu allem hinweisen: Den Sinn, der nur aus personaler Konstitution heraus (Gott, das Sein, als Person, als Beziehung von drei Personen, also als Dreifaltigkeit) ein solcher sein kann und bloße Rationalität weit übersteigt, wenn auch nie irrational ist. Denn der Unterschied zwischen bloßem Rationalismus und Denken ist die persönliche Beziehung zur Wahrheit. Logik ist damit zuerst sogar eine Frage der Liebe zum Sein. Zu Gott. So lautet nicht zufällig das erste Gebot, in dem alle weiteren enthalten sind.

Wenn man heute aber so weit verbreitete Unvernunft (als Mangel an der Bereitschaft dazu) feststellen muß, bei uns, dann hat das aber genau diese Ursachen: In einem Gesellschaftssystem, das zur Blase, zur Zweitwirklichkeit (Pseudologie) geworden ist. Das nur noch so lange bestehen kann, als es noch Elefanten gibt, auf deren Schultern alles ruht, die alles tragen. Aber es werden immer weniger Elefanten.








*Die angebliche Wahrheitslosigkeit der Welt beruft sich zumeist auf den Umstand, daß der Mensch immer Subjekt ist, und sein Zugang der Wahrheit also subjektiv. Das stimmt zwar, und sollte auch nicht vergessen werden, es ist sogar wichtig es zu wissen, aber das ist noch lange keine Aussage zur Natur der Wahrheit selbst, wie Josef Seifert in seinem sehr empfehlenswerten Buch "Wahrheit und Person" logisch stringent belegt. Umso bedeutender wird die persönliche Haltung! Aber die Natur der Wahrheit selbst ist immer absolut und objektiv, für jeden. Man wirft hier also zwei Dinge durcheinander - das Verhalten des Subjekts, und das Wesen des Objekts, zu dem er sich verhält. Und vor allem: man geht alles andere als empirisch dabei vor, wie man gerne behauptet. 





*180518*