Das wissen wir ja alles, im Grunde, was
Reinhard Lauterbach da über die strategische Position Rußlands und der
NATO zu Anfang erzählt. Daß die NATO Rußland an die Pelle rückt ist spätestens
seit Peter Scholl-Latour Gemeinplatz. Was aber das Interessante an den
Betrachtungen des ehemaligen ARD-Korrespondenten und Historikers ist, ist
die spezielle Betrachtung der drei baltischen Staaten Estland -
Lettland - Litauen im Rahmen einer Gesamtstrategie, die manche überraschende Perspektiven offenbart.
Nur das Baltikum alleine gibt keinen Sinn. Denn diese drei
Länder in das angebliche Verteidigungsbündnis einzubinden, würde sich
bei erster Betrachtung sogar als Schuß ins Knie herausstellen. Also muß es einen weitergreifenden Sinn geben.
Die
NATO steht im Baltikum nämlich eigentlich in einem Dilemma. Diese drei Staaten sind
durch ihre Kleinheit und die schwierige logistische Lage mit konventionellen militärischen Mitteln gar nicht zu verteidigen! Es fehlt die Raumtiefe, es fehlt an
Nachschublinien, es fehlt vor allem an Soldaten (denn diese Länder sind
sehr klein, haben nur wenige Millionen Bevölkerung), sodaß - gesetzt den
Fall Rußland würde das wollen - keine drei Tage reichen würden, um sie
zu überwinden und zu besetzen. Die Aufmarschzeiten für größere
Verteidigungsmaßnahmen alleine sind auch viel zu kurz.
Käme
es zu einem Angriff Rußlands auf diese Länder, stünde die NATO aber vor
der Frage, ob es wegen Riga eine Zerstörung New Yorks riskieren würde.
Denn nur mit atomaren Waffen ließe sich so ein Angriff stoppen. Wie
sich in Planspielen herausgestellt hat, wäre kein westlicher Politiker dazu bereit. Damit steht die NATO in der Gefahr, sich als
zahnloser Papiertiger zu beweisen. Weil man ein strategisches Risiko
eingegangen ist, das man im Ernstfall gar nicht auf sich nehmen will und
kann.
Der
offizielle Grund, warum diese Länder so rasch in die NATO wollten (und
seit 2004 dort Mitglied sind), war aber, daß sie sich vor Rußland
fürchteten. Nun sieht man aber, daß die NATO dem erhofften
Sicherheitsbedürfnis nicht entsprechen kann.
Sodaß
sich die Frage stellt, warum die NATO diese militärstrategisch
unsinnige Position eingenommen hat. Lauterbach kommt nur zu einem
plausiblen Schluß: Es geht niemandem um das Baltikum. Dieses Schutzziel
wäre mit dem Raketen-Abwehrschild, das die NATO bereits in Polen
aufgebaut hat, längst gegeben.
Vielmehr
will man vermutlich Rußland zu einem Erstschlag provozieren, denn genau
so wirkt das, was die NATO da macht. Immerhin ist Leningrad von der
Ostgrenze des Baltikums nur 200 km entfernt. Gezielt wird - und es wirkt
wie eine psychologische Vorbereitung auf den Kriegsfall! - heute schon
in unseren Medien ein Bedrohungsszenario aufgebaut, in dem das böse,
riesige, militärisch weit überlegene Rußland ein armes, hilfloses
Baltikum bedroht. Und das muß man immer mit spitzen Ohren und wachen
Sinnen betrachten - dahinter steht ganz sicher Absicht.
Dazu
muß man wissen, daß es sehr reale Planspiele gibt, wo die NATO einen
Angriff auf die Enklave Kaliningrad (das ehemalige Ostpreußen)
durchführt. Dafür spricht sogar die Art der Waffen - die NATO rüstet
ihre Marine in der Ostsee als Angriffswaffe aus. Ferner bestehen
konkrete Vorhaben, die Transportinfrastruktur in Polen und im Baltikum
auszubauen.
Warum
aber sollte Rußland das Baltikum angreifen? "Schutz der russischen
Minderheit" wäre eines der Argumente, ähnlich wie auf der Krim.
Amerikanische Planspiele beziehen sich darauf. Doch müßte man sich da
beeilen, denn die an sich diskriminierten russischen Minderheiten in
diesem Raum schrumpfen rapide. Durch Arbeitsmigration, durch
Überalterung, durch Gleichberechtigungsmaßnahmen. Strategisch würde es
Rußland kaum etwas bringen, außer bessere Verbindung mit Kaliningrad.
Dafür aber müßte es enormen militärischen Aufwand halten, um diese
Gebiete dann auch zu halten, und es würde schwere politische Kalamitäten
heraufbeschwören.
Umgekehrt
aber wird Rußlands heute starke Abwehrposition im Baltikum durch einen
Beitritt Finnlands und Schwedens - beides steht derzeit zur Diskussion -
zur NATO geschwächt. Vor allem wenn man die reale strategische Position
bedenkt, in der eine solche Ausweitung der NATO nach Norden Rußland
wirklich bedrohen würde. Es wäre dann durch einen Angriff auf
Kaliningrad (mit ca. 400.000 Einwohnern, aber ca. 100.000 dort
stationierten Soldaten hat es große strategische Bedeutung) total von
der Ostsee abzuschnüren, und vor allem sein Luftraum wäre vom Norden her
offen. Binnen kurzem wäre ein Krieg auf russisches Territorium
getragen. Und das ist für die Russen aus historischen Erfahrungen ein Schreckgespenst.
Vor diesem Hintergrund wäre auch klar, warum seit kurzem Bremerhaven zum NATO-Zentralhafen ausgewählt wurde. Denn das läge außerhalb der Reichweiten der Raketen in Kaliningrad. Während die wenigen polnischen Tiefseehäfen - Danzig, Gdingen, Stettin - im Ernstfall relativ leicht zu blockieren wären.
Vor diesem Hintergrund wäre auch klar, warum seit kurzem Bremerhaven zum NATO-Zentralhafen ausgewählt wurde. Denn das läge außerhalb der Reichweiten der Raketen in Kaliningrad. Während die wenigen polnischen Tiefseehäfen - Danzig, Gdingen, Stettin - im Ernstfall relativ leicht zu blockieren wären.
Teil 2) Was hätte das für einen Sinn?
Gesamtstrategien
*170518*