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Samstag, 2. Juni 2018

Geostrategische Linien in Baltikum und Osteuropa (2)

Teil 2) Was hätte das für einen Sinn? 
Gesamtstrategien




Was hätte das für einen Sinn? Insgesamt könnte man auf eine NATO-Strategie schließen, die Rußland zwingen, seine militärischen Anstrengungen durch die Schaffung vieler Brennpunkte und Gefährdungsszenarien zu verzetteln. Denn damit schafft sich die NATO die Position, daß es jederzeit zuschlagen könnte, ohne daß es vorhersehbar wäre WO. Es gibt konkrete strategische Papiere dazu, über diese Strategie eine Lage zu schaffen, in der man mit Scheinbedrohungen Rußland zu einem Präventivschlag provozieren könnte, sodaß jede militärische Maßnahme der NATO dann das Unschuldsmäntelchen einer "reinen Verteidigung" um sich hätte. 

Diese Strategie wäre alles andere als neu - wir haben vor kurzem hier dargestellt: Sie gehört spätestens seit Reagan zum festen Repertoire amerikanischer Außenpolitik.

An sich, meint Lauterbach, sei das schon aus historischen Gründen - praktisch alle Kriege Rußlands seit dem 13. Jahrhundert waren reine Verteidigungskriege gegen Angriffe aus dem Westen; auch der VdZ hat dies an dieser Stelle vor einigen Wochen dargelegt - völlig irrational. Die aggressive Begierde ging immer vom Westen aus! (Und hierin, meint der VdZ, liegt auch die Begründung für dieses ständig bemühte "Bedrohungsbild": Selbst-Rationalisierung! Exkulpieren sollendes Scheintheater!) 

Man könnte also zu dem Schluß kommen, daß Rußland einerseits provoziert, anderseits destabilisiert werden soll. Und hier kommt sogar der Faktor Syrien und Islam ins Spiel. Denn in Rußland leben immerhin 25 Millionen Muslime. Die Bestrebungen eines IS betreffen also Rußland direkter, als man meinen könnte. Und das stand nicht zuletzt hinter dem entschlossenen russischen Engagement in Syrien.

Neben dem Aspekt, daß Rußlands Eingreifen in Syrien ein starkes Signal an die NATO war, weil sie im Nebeneffekt gezeigt haben, daß sie mit ihren Raketen auch über weite Strecken einsatzbereit wären - also auch bis an die Ostgrenzen Deutschlands.

Warum aber macht Deutschland dabei mit? Man darf die die EU betreffenden strategischen Interessen in diesem geographischen Raum nicht unterschätzen. Und darin ist Deutschland direkt involviert. 

Dazu kommen die - wir haben an dieser Stelle schon vor Jahren darüber geschrieben! weil man das völlig unterschätzt! - Interessen Polens, zur starken Macht in diesem Raum aufzusteigen. Das hat tiefe historische Wurzeln und ist alles andere als neu: Es gibt sehr reale Strömungen in Polen, die die alten Großmachtträume nie aufgegeben haben. Dazu bietet es sich den USA ganz klar als Gegengewicht gegen Rußland an. Und zwar anstelle Deutschlands! Der Traum Polens war dabei immer, ein von ihm dominiertes "Intermatium" - in dem Dreieck von der Ostsee über die Adria bis zum Schwarzen Meer - als geographischen Einflußraum aufzubauen. Vor diesem Hintergrund muß man den polnischen Widerstand gegen die Nordstream-Gaspipeline von Rußland nach Deutschland in der Ostsee sehen, der ja eigentlich Polen gar nichts anginge.

Ein starkes Polen, gar ein starker europäischer Zentralraum, von Polen dominiert, hätte für die USA, aber auch für England und Frankreich die "ideale" Aufgabe, einen Sperriegel zwischen Deutschland und Rußland zu legen. Und das ist ja die alte Angst dieser Mächte, daß Deutschland von der Atlantik-Linie abfällt und in starker Annäherung an Rußland (beide Länder ergänzen sich hervorragend) enorme (wirtschaftlich, damit politische, damit militärische) Macht aufbaut. Wahrscheinlich stärkstes Gegenmittel gegen eine solche klare Ausrichtung der deutschen Politik sind die Wirtschaftsinteressen. Immerhin ist der Umfang des Außenhandels mit den USA heute zehnmal so groß wie der mit Rußland. Darum gab es auch nie nennenswerten Widerstand gegen die Sanktionen gegen Moskau. Aber eigentlich widerstrebt das den langfristigen Interessen Berlins.

Es sind also sehr interessante, ja spannende Überlegungen, die Reinhard Lauterbach hier vorstellt. Der auch darauf hinweist, daß die USA - weil sie global gesehen am absteigenden Ast sind - deshalb am gefährlichsten sind, weil absteigende Hegemonialmächte immer zu einem Präventivkrieg neigen. Lauterbach vergleicht Trump hierin mit "dem Pferd von Caligula". Und es könnte besorgt machen, wie locker er mit Atomkriegsdrohungen umgeht. In den USA gibt es deshalb bereits Debatten darüber, ob und wie man dem Präsidenten die Befugnisse zum "Drücken des Atomknopfs" (der, wie wir wissen, von ihm gar nicht so leicht zu drücken wäre, das freilich nebenbei) entziehen könnte.









*170518*