Der Vortrag, den Dr. Michael Lüders (Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft) da hält, ist ein wenig mühsam, aber er ist die Mühe wert. Denn ganz unemotional und klammheimlich kommen viele scharfsichtige, brisante Argumente zu Ohren. Schon Anfang der 2000er Jahre wurden die Pläne der USA entwickelt, Syrien zu destabilisieren, wobei die Hauptstoßrichtung der Iran und sein Gewicht in dieser Region war. Hauptansatzpunkt dabei war, die religiösen Spannungen zu erhöhen. Deshalb war es ein Teil dieser Strategie, im Osten Syriens einen Islamischen Staat zu schaffen, der Assad schwächen sollte.
Es gehört zu den Meisterstücken amerikanischer PR, daß diese Zusammenhänge in der westlichen Welt so gut wie unbekannt geblieben, ja über das Scheinargument "Kampf gegen den Terror" ins Gegenteil gewendet worden sind. Mindestens seit 2011 wurden diese "Terroristen" von den Amerikanern mit Waffen beliefert, um den Konflikt zum Ausbruch zu bringen. Es ist eindeutig zu sagen, daß es eine Lüge westlicher Medien war und ist, zu behaupten, daß die Mehrheit der syrischen Gesellschaft gegen ihren Präsidenten war. Der Kern der Syrer war und ist regimetreu, trotz allem. Denn die Folge eines Umbruchs wäre zweifellos, daß die radikalen Strömungen der Sunniten Syriens an die Macht kämen. Und das will die Mehrheit der Syrer nicht, damit würden sie vom Regen in die Traufe kommen.
Zu diesem Thema noch ein weiterer Hinweis auf einen längeren Vortrag von Daniele Ganser, in dem dieser zeigt, daß der Iran seit vielen Jahrzehnten die USA als konkreten Feind auffassen muß. Der Iran ist nicht nur umgeben von Atommächten, die sämtlich auf der Seite der Amerikaner stehen, sondern er hat seit über einem halben Jahrhundert mit direkten Interventionen der USA zu tun, die versucht haben und versuchen, das Land für ihre Interessen zu instrumentalisieren. Wie immer man Atomwaffen beurteilen mag - prinzipiell wäre es dem Iran als notwendigen Verteidigungsakt nicht zu verübeln, darüber nachzudenken, eigene Atombomben zu entwickeln.
Zumal man davon ausgehen kann, daß die Besiegung des IS noch nicht das Ende der Geschichte ist. Der gesamte Vordere Orient, ja der gesamte islamisch-arabische Raum hat es im Grunde mit perspektivlosen, in der Moderne entwurzelten, ja von diesen bedrohten Massen zu tun. Das ist der eigentliche Nährboden für radikale Bewegungen.
Lüders legt nämlich dar, daß die gesellschaftlichen Strukturen des gesamten arabischen Raumes von einer Natur sind, die nicht einfach nach westlich-demokratischem Verständnis beurteilt werden kann. Letztendlich geht es dort immer um Stammes- und Familienstrukturen. Deshalb ist auch der "Arabische Frühling" gescheitert. Die Basis für eine Moderne ist viel zu schwach. Diesen Feudalstrukturen ist die Moderne sogar feind. Die westlichen bürgerlichen Schichten, die den Westen heute tragen, existieren dort nicht. Noch dazu in solchen "unnatürlichen", willkürlich geschaffenen Staaten, die nach
dem Ersten Weltkrieg von den Westmächten mit dem Lineal gezogen wurden - ein Staat kann also
den arabischen Völkern gar keine Identität geben. Das zementiert die
feudale Grundverfaßtheit, die sich an den gewachsenen Strukturen
(Familie, Stamm) und im Staat an dem orientiert, der gerade eben die
Macht inne hat.
Umgekehrt sind die sehr schmalen sehr reichen Eliten dem Westen (oder vielleicht müßte man sagen: seinen Nutz-Effekten) gegenüber zwar offen, in ihren Gesellschaften, aber in der Regel in ihren Völkern nicht legitimiert, sondern durch Gewalt an die Macht gekommen. Der Großteil der arabischen Gesellschaften lebt sogar in prekären Verhältnissen, in mehr oder weniger großer Armut. In Gesellschaften, die tief korrumpiert sind. Sie sehen sehr klar, daß die Eliten versagen, und müssen deshalb mit Einschränkungen der Freiheit kleingehalten werden.
An anderer Stelle führt Lüders aus, daß auch die Sichtweise, daß die Konflikte in der arabischen Welt religiöser Natur seien, nicht zutrifft. Vielmehr wird Religion als Vorwand für ganz andere Interessen im Streit um die Macht benutzt.*
Umgekehrt sind die sehr schmalen sehr reichen Eliten dem Westen (oder vielleicht müßte man sagen: seinen Nutz-Effekten) gegenüber zwar offen, in ihren Gesellschaften, aber in der Regel in ihren Völkern nicht legitimiert, sondern durch Gewalt an die Macht gekommen. Der Großteil der arabischen Gesellschaften lebt sogar in prekären Verhältnissen, in mehr oder weniger großer Armut. In Gesellschaften, die tief korrumpiert sind. Sie sehen sehr klar, daß die Eliten versagen, und müssen deshalb mit Einschränkungen der Freiheit kleingehalten werden.
An anderer Stelle führt Lüders aus, daß auch die Sichtweise, daß die Konflikte in der arabischen Welt religiöser Natur seien, nicht zutrifft. Vielmehr wird Religion als Vorwand für ganz andere Interessen im Streit um die Macht benutzt.*
Zur Türkei meint Lüders, daß sie ab 2016 mit gutem Grund die Seiten gewechselt hat. Als sie begriff, daß Assad nicht zu stürzen ist, hat sie sich auf ihre eigenen Probleme mit den Kurden konzentriert. Ohne Assad ist es aber nicht möglich, die Kurden an der Bildung eines Staates zu hindern. Der dann die Türkei selbst destabilisieren würde.
Morgen Teil 2) Die ausgebauten Anmerkungen,
und weitere nüchterne Befunde
*290518*