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Mittwoch, 24. August 2011

Antikunst

Es ist das technizistische Denken der Perspektive - die die Wirklichkeit auf einer geometrischen, willkürlich gewählten Raumbemessung fixiert - auf eine nächste Spitze getrieben, ähnlich dem Illusionismus der Renaissance: was der Film längst treibt. Aber er regt nicht die Phantasie zu Eigenschöpfung an, sodaß der Betrachter in ein höheres Leben, ein besseres Ich angeregt wird, sondern ihre Wirkung ist perfekte Verblüffung. Sodaß man eigentlich von Dämonie sprechen muß: eine Vorstellung, eine abstrahierte Oberfläche erlangt eigenes Wesen, eigene Wirkmächtigkeit, indem Wirklichkeit simuliert, vorgetäuscht wird.

Die Vergleichbarkeit wird auch durch die Tatsache deutlich, daß die Perspektive gleichfalls aus der Illusionsmalerei - im Theater, als Dekor - stammt. Auch hier wird Welt vorgetäuscht, die sich für den Film des Umstands benutzt, daß der Mensch immer gleich ist: Mode und Design sind historisch-zufällig (wenn auch ihrem Wesen nach nicht zufällig, sondern stets Darstellung des Dahinter.) Geschichte wird so als Drehbühne der immer gleichen Menschseins begreifbar. Nur: all das hat mit Kunst nichts zu tun. Gerade diese Art der ästhetischen Schöpfung beweist durch ihre Tauglichkeit für die Philosophie, daß sie der Philosophie, der Rationalität entstammt - nicht der Kunst. Und damit ist auch ihre Nähe zur Dämonie schlüssiges Argument, wo der Verstand aus dem Willen des Menschen heraus zur Gestalt wird - nicht weil er hoher Geist ist, Atem des Hohen Geistes, sondern als Spuk, meist nachsichtiger als "Romantik" bezeichnet. Aber in solcher Kunst ist kein Gefühl mehr echt, ist kein Empfinden, kein Nachfühlen mehr wirkliches Erleben - sondern Verführung zur Selbstaufgabe, zur Auslieferung an den Effekt, dem aber wirkliche Regung fehlt. Die Musik ist entsprechend - sei es aus ihrer Technik heraus (die elektronische Musik täuscht ja gleichfalls das zu Hörende durch Imitation vor, sie produziert gar keine Töne mehr - sie imitiert Sounderfahrungen, ihr fehlen die Instrumente, ihr fehlt jeder wirkliche Ton! Es gibt aber keinen Ton, wie ihn die Elektronik vortäuscht.)

Die Kunst täuscht nie Wirklichkeit vor. Das ist ein Griff in den Wahrnehmungsaparat des Betrachters, das ist Unfreiheit um eines Effekts willen. Kunst IST Wirklichkeit. Der Illusionismus des Films, wie er im Rausch des technisch Machbaren längst üblich und Folge reiner Funktionsverlängerung ist, ist deshalb Antikunst: er verkleinert den Zuschauer. Nicht zuletzt deshalb muß diese Art von Film mit enormen Toneffekten arbeiten, denn der Ton, das Hören, ist das erste: es bereitet das Interpretationsbett, in dem diese Scheinwirklichkeit erst Welt - gleich der des Zuschauers! - werden kann.




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