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Samstag, 6. August 2011

Die gute Seite der Bühne

Niemand, der sich ernsthaft mit dem Islam auseinandergesetzt hat, glaubt das Märchen von der patriarchalen Gesellschaft - islamische Gesellschaft sind zutiefst matriarchalisch, und genau deshalb braucht es so definitive "Männlichkeitsrituale": in denen sich der Mann pro forma absetzt vom Weiblichen. Nirgendwo ist deshalb die Homophobie so ausgeprägt, wie in islamischen Gesellschaften (wenn schon davon die Rede sein soll.)

Jean Gebser macht aber (unter breitestem Literaturhinweis) auf noch etwas aufmerksam, das kaum Beachtung findet, aber jedem Bühnenmenschen ein Begriff ist: Eine patriarchale Kultur (und von Kultur kann man erst ab dem Moment sprechen, wo sich eine Gesellschaft aus der matriarchalen Dunkelheit und "Einsheit" ins die Individualität des Individuellen, die ja erst Geist entstehen läßt, der Kultur eben, erhebt) ist auch dadurch gekennzeichnet, als sie von links nach rechts zu schreiben beginnt.

Matriarchale Gesellschaften schreiben von rechts nach links, und/oder im Zeilenverlauf von oben nach unten, wie in China. In Indien gab es sogar Gesetze, die den niedrigen Parias (Tschandala) das Schreiben von links nach rechts als Kastenmerkmal verboten haben.

Die rechte Seite ist in allen Völkern die Seite des Geistes, des Richtigen, des Gestalthaften - nur die Drehung nach rechts ist überhaupt eine gestaltete Drehung, also eine "Richtung"! (Versuche man doch den Linkswalzer ...) Kultur bedeutet ja überhaupt "Raumwerdung", und erst in den patriarchalen Kulturen beginnt sich auch archäologisch schön erkennbar das Individuum aus dem Hintergrund abzulösen. Das Relief beginnt, die Hintergründe in der Malerei werden heller, die Ornamentik läßt Figuren frei, die sich herauslösen, und später beginnt sogar die Skulptur.

Erst, wenn eine Gesellschaft sich dieser - lichten, bewußten - Seite zuzuwenden begann, begann ihre Kulturwerdung, als Moment des Patriarchalischen: die bewußte, bedachte, geplante Handlung begann. (Wobei der Hinweis nicht fehlen soll, daß diese allmähliche Entstehung des bewußten Horizonts, analog der Philosophie, aus dem allmählichen Zerfall aufgrund der sündlichen Neigung des Menschen zu sehen ist, die nach und nach, in ihrem historischen Wirken, alles zu zersetzen begann, sodaß das Bewußtsein als Phänomen, und damit natürlich die Schrift, die Sprache als Logik, nach und nach zunahm.)

Die Bühne kennt das Gesetz: eine "gute" Bewegung, die Hoffnung und Zukunft ausdrückt, muß von links nach rechts ablaufen. Ein Stück muß sich also von links nach rechts entwickeln. Die Rettung darf nur rechts (aus Publikumssicht) liegen - das Publikum ist sonst tatsächlich irritiert, das Stück hat klare oder subtileGlaubwürdigkeitsprobleme.

Arabisch schreibt sich von rechts nach links. Über China solle man sich seine eigenen Gedanken machen.

Eine der Reformen Atatürks war die Reform der Sprache, und er meinte damit: eine Entarabisierung der gesamten Kultur - auch das erzählt viel: Er holte französische Sprachwissenschafter, und entarabisierte das Türkisch, das seither etwa ein Drittel französischstämmiger Wörter enthält. (Ein kanadischer Universitätsdozent erzählte mir einmal, daß er im Vortrag, wenn er mit seinem Türkisch auf Verständigungsschwierigkeiten stoße, auf das Französische ausweiche, und in der Regel werde er dann verstanden. Während die zypirotischen Türken die Festlandtürken, die nach 1974 zuhauf ins Land gekommen sind und mittlerweile die Mehrheit stellen, kaum verstanden hätten - mittlerweile sind sie gezwungenermaßen gleichfalls "neu-türkisiert".)

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