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Montag, 15. August 2011

Fester Schritt, auf dünnem Eis

Es gehört zu den schwierigsten Dingen zu begreifen, daß auch das Urteil über eine Sache, eine Handlung, ein schöpferischer Akt ist - oder es ist gar keines, nein, es ist nicht. Denn es gibt die restlose Sicherheit nicht, die aus Fakten hervorgienge, sodaß das Urteil ohne Rest aufgeht. Es gibt diese Form von Beweis nicht, und es ist kleinbürgerliche Niedrigkeit, Urteile nicht zu ethischen Akten zu machen - sondern vorzutäuschen, es gäbe Akte einer rationalen Gewißheit.

Ein Urteil ist einer Haltung zu einer Sache gleichzusetzen, und es ist immer ein Akt der gesetzt werden muß, gegen einen mehr oder weniger großen Rest Ungewißheit. Und weil die einzigen Gewißheiten, die es überhaupt gibt, subjektiver Evidenz entspringen, mag ein gültiges Urteil auch aus oft wenigen Eindrücken entstehen.

Es bleibt ein weiterer Akt, Fehlurteile zu korrigieren. Aber unsere Zeit krankt vor allem daran, Urteile als Akte mit sittlicher Qualität zu begreifen, nicht - herausgehoben aus aller Sittlichkeit - als Gewißheitssummen. Es braucht Bereitschaft zum Risiko, es gibt kein risikoloses Leben. Unser Handeln muß sich immer auf solche unsere subjektiven Haltungen beziehen - und dazu stehen. Unter Ansehung der Gefahr, auch zu irren.

Rationalistisch Gewißheit zu verlangen ist nur ein weiterer kleinbürgerlicher Versuch, unsere wirkliche sittliche Qualität - denn wenn Urteil nur subjektiv entstehen kann, ist es so gut, wie unsere Sittlichkeit gereift ist - zu verschleiern. Durch die Forderung nach Verlagerung auf angebliche Gewißheit, die der Welt abzugewinnen wäre.


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