Die NZZ bringt nun einen langen Bericht mit Ergebnissen aus Studien einer Wirtschaftswissenschafterin, die nunmehr akademisch evaluiert die Frage stelt, ob "variable Leistungsentlohnung" nicht ein Irrweg ist. Damit stellt sie das wie ein Dogma gehandelte System von Leistungsanreizen in Frage - von Provisionen angefangen, über Prämien für bestimmte Kriterienerreichung, usw. usf. Wissenschaftlich erwiesen ist nunmehr aber, daß diese Teilmotivationssysteme nicht funktionieren. Sie richten sogar mehr Schaden an, als sie nutzen.
Ich gestehe - ich habe mich nach solch einem Durchbruch gesehnt, denn das bestätigt, was weitsichtige Unternehmer ohnehin immer wußten und bemerkten. Und schon vor 15 Jahren habe ich aus langjähriger Erfahrung mit solchen Entlohnungssystemen - quasi als eine der Abschlußarbeiten zu meiner Tätigkeit in der Wirtschaft, aus der so manche These erflossen ist, die sich praktisch alle bewahrheitet haben (verstehen Sie deshalb meinen Stolz?) - solche Auffassung vertreten,die freilich kaum wo auf offene Ohren stießen, denn zu sehr waren und sind die meisten Unternehmer in die Zahlenmechanik verkrallt.
Anreize über Entgelt - flexible Entlohnungssysteme (Provisionen, Prämien etc.) - richten aber vielfältigen Schaden an. Was die NZZ anführt, ist dabei nur die Spitze des Eisbergs: Mitarbeiter würden sich immer ausschließlicher der direkten Erreichung, ja Manipulation der Kriterienziele zuwenden, während das wirkliche Ausmaß menschlicher Leistung gar nicht apriori festzulegen und zu evaluieren ist! Damit fallen oft die wesentlichsten Leistungen eines Mitarbeiters durch den Rost, die Folgen sind Demotivation und Mitarbeiterfluktuation, weil Mitarbeiter - aus generellem Unzufriedenheitsgefühl und Leistungsdruck heraus - noch dazu ständig nach noch besserer Entlohnung (sprich: anderen Arbeitgebern) umsähen. Und das sogar in der Arbeitszeit. Gleichzeitig ist indirekt sogar sanktioniert, wenn der MItarbeiter in viel umfassenderem Sinn mitdenkt und -arbeitet, weil er Resourcen in Aufgaben verschwendet, die seiner Wertschätzung sogar entgegenarbeiten. Zugleich ist dem Unternehmen selten gedient, wenn z. B. nur bestimmte Eckdaten zu erreichen getrachtet werden, denn Unternehmensziele sind in bestimmten Eckdaten immer nur relativ zu weit höheren Gesamtzielen zu erfassen - nicht immer ist z. B. eine Steigerung der Verkaufszahlen wirklich wünschenswertes Ziel! Eine Entlohnung der Mitarbeiter mit hohen Provisionsanteilen bringt aber so etwas wie einen Wachstumsautomatismus, macht Wachstum zur heiligen Kuh, während Verkaufszahlen nur indirekte Parameter erfolgreichen Wirtschaftens sind.
Lohn als Leistungsanreiz ist damit eindeutig überbewertet, wenn auch mit individuellen Schwankungsbreiten, die wiederum von den jeweiligen (und damit auch veränderlichen) Lebenslagen der Mitarbeiter abhängen. Es wird unterschätzt, daß die eigentliche Motivation eines Mitarbeiters Sinnhaftigkeit heißt. Vielmehr ist damit anzudenken, ein Lohnsystem zu finden, das die prinzipielle Dienstbereitschaft einer individuellen Existenz so entlohnt, daß auch Wechselfälle des Lebens mit etwa gleichbleibendem Lebensstandard - ohne große Ängst und Nöte - abzufedern ermöglicht.
Daß sich auch bestimmte berufsbilddestimmte Parameter auf den Lohn auswirken, kann oder soll zwar noch im Spiel sein, aber nur eine Nebenrolle spielen. Viel wichtiger ist, daß der Mitarbeiter sich in einen Gesamtsinn eingebettet weiß, dem er dient, und wo sich das Gesamtwohl des Unternehmens - Gewinnbeteiligung ist deshalb durchaus sinnvoll, wenn sie nicht aposteriori winkt, sondern quasi Ernte aus Gesamtwohl wird - aus dem umsichtigen Handeln aller Mitarbeiter ergibt.Im Klartext: der Mitarbeiter sollte einen so abgestimmten Grundlohn erhalten, daß kein Existenzdruck dahingehend entsteht, bestimmte Parameter unbedingt erreichen zu müssen, weil sonst seine Lebensführung sofort betroffen ist. (Stichwort: Geringes Fixum, hohe Provision)
Mit anderen Worten: es ist dem Mitarbeiter nur ein bestimmtes Maß an Unternehmensrisiko übertragbar, weil er auch nur ein beschränktes Maß an Verantwortung (und Gestaltbarkeit, als Möglichkeit seines Standes, das ist also gar nicht auf ihn übertragbar, wie oft gemeint wird: durch Mitbestimmung, etc.) trägt. (Stichwort: Kein Umsatz - kein Lohn.)
Übergewichtete Lohnmotivation - besonders im Verkauf immer noch üblich - ist ja meist nur die Kompensation fehlenden Gesamtzieles und mangelhafter Integration eines Mitarbeiters in das Gesamtwirken eines Unternehmens. Sie wird damit zum "Schmerzensgeld" - und verändert wie bestimmt entsprechend die Haltung des Mitarbeiters zu seinem Unternehmen, der sich nur noch auf seinen Anspruch konzentriert, nicht auf das Gesamtwohl der Firma.
Natürlich verlangt das auch eine entsprechende
Unternehmensführung! Vielleicht liegt es eben genau daran, daß viele
Firmen lieber zu den "einfachen" Mitteln greifen - kurzsichtigen
"Techniken der Leistungsförderung" - weil ihnen gar nicht an
langfristigem Unternehmensbestand gelegen ist?! Denn erst dann wird ja das Unternehmertum menschliches und wirklich wertvolles Tun, wenn es schöpferische Kunst wird - und dazu verlangt es auch entsprechende unternehmerische Tugend. So, wie jede Tätigkeit des Menschen.
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