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Mittwoch, 17. August 2011

In den Untergrund gezwungen

Wäre die Tat des Anders Breivik nicht in sehr individueller und individualistischer Weise zu verstehen oder zu erklären, neigte ich jener Meinung zu, die Andreas Kämmerer auf der Seite der "Freie Wähler Frankfurt" dieser Tage publiziert hat. Mit einer sehr stringenten Argumentation, die die Neurotisierung des Denkens (Kämmerer spitzt es auf "political correctness" zu) zur Ursache solcher Extremisierung macht, und animiert weiterzudenken:

Wenn nämlich bestimmte Diskurselemente gar nicht mehr möglich sind, wenn sich das Klima öffentlichen Diskurses, öffentlicher (und: veröffentichter) Meinungsbildung wie in der political correctness so deutlich auf Denkverbote zuspitzt, wo bestimmte Ansichten und Argumente, die sich nicht innerhalb einer bestimmten dogmatisierten Moral bewegen, finden zunehmend Menschen ihr Denken nicht mehr in den Rahmen möglicher demokratischer Mehrheitsbildung gestelt. 

Das hat die unausweichliche Folge, daß mehr und mehr (!) Menschen ihre Ansichten als "außerhalb des politischen Diskurses" erfahren, sich selbst als Dissidenten erleben, die keine normalen Wege mehr finden, um ihre Wünsche berücksichtigt zu finden. Im Klartext heißt das sogar, daß JEDER, der nicht willens ist, vorgekaute Dogmatiken zu übernehmen, sondern wirklich - das Grundprinzip der Demokratie befolgend! - eine eigene Meinung zu bilden, die notwendig die Freiheit braucht, "ergebnisoffen" zu sein, sich politisch entmachtet erlebt.

Die political correctness funktioniert ja nur, wenn sie mit der Macht einhergeht. Denn sie braucht, um das Klima zu bestimmen, die Mehrheiten, die Masse. Und sie braucht diese Masse als feige, mutlose Systemdiener - und aus dieser Voraussetzung ist die Nähe zum Fanatismus endgültig evident: political correctness lebt nur in der Form des Fanatismus! Sie ist anti-demokratisch, und provoziert damit Vorgangsweisen außerhalb der gegebenen demokratischen Wege. Weil die political correctness das wirklich Soziale zerstört, Soziales also gar nicht mehr gegeben ist - Familie, Multi-Kulti-Gesellschaft, Zerstörung der Zwischenmenschlichkeit (in dem man sie in die öffentliche Sphäre hebt, vor allem auch in der Sexalität), etc. - ist eine Tat gegen diese Gesellschaft auch nicht mehr "asozial", im Gegenteil: der Proponent versteht sich als "letzter Vertreter des Sozialen". Und er hat damit nicht einmal unrecht.

Der Linken und ihrem Instrument PC wird deshalb ihr Zynismus gar nicht klar, in dem sie ihre Denkzäune aufstellt. Und in dem sie sohin erschafft, wovor sie warnt. Indem sie also auch den Extremismus für immer mehr Menschen zum einzigen Weg macht, sich in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Weil diese Menschen die Oberfläche der PC als jene offene Kampfansage identifizieren, als die sie sogar gemeint ist - und sich als im Krieg befindlich zu begreifen anfangen.

Wenn man also Breivik und wenn man die political correctness politisch ernstnehmen will (was der Verfasser dieses Blog aber nicht tut!), dann ist diese Erklärung am naheliegendsten. Lesenswert weil voller Anregungen ist der scharfsinnige Aufsatz von Kämmerer allemal. Auch wenn der Verfasser dieser Zeilen meint, daß Kämmerer den konkreten Fall nur zum Anlaß seiner Thesenbildung nahm, also gewissermaßen Breivik umdichtet.



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