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Sonntag, 14. August 2011

Ein Loblied auf den Zwang

Was für eitler Plunder, schreibt Kierkegaard einmal, zu sagen, der Mensch müsse völlig frei von allem Zwang sein, um so zu seiner ganzen Größe der Gewissensentscheidung stehen zu können. Die Wahrheit ist, daß nur die wenigsten diese Größe des Alleinseins vor Gott wirklich aushalten - und sie sind es, die in der Geschichte gerade die Widerstände und Zwänge gebraucht haben, um zu ihrer ganzen Größe aufzustehen, um überhaupt sichtbar zu werden. Ja, gerade die Zwänge waren ihnen oft entscheidender Nährboden.

Der Mensch ist fast nie so ein Satanskerl, wie er sich gerne schmeichelt. "Nimm allen Zwang fort, welchen die Menschen just brauchen und eben gerade in den höchsten Angelegenheiten [und vernünftigerweise beständig mehr, je höher die Angelegenheit ist] - und die Masse der Menschen wird entweder zu nichts werden oder in die Hände von Parteien u. ä. fallen.

Die Apostel, Luther u. ä. waren das, was sie waren, eben dadurch, daß aller mögliche Widerstand und zwang gegen sie da war - aber sie überwanden sie. Wäre der Zwang nicht dagewesen, hätte man nie zu sehen bekommen, daß sei das waren, was sie waren.

Im Innersten ist es ja gerade der Widerstand, der die Kraft des Gewissens herausfordert und braucht. Sonst vermag man sich ja nie sicher zu sein. Aber man ruft nach Gewissens- und Glaubensfreiheit usw. (Kierkegaard schrieb das 1850), dabei ist es schon eine große Seltenheit überhaupt einen Menschen vorzufinden, der noch eine eigene Meinung hat!

Also sind diese Rufe doch meist nichts als verachtenswerte Weibischkeit, bedeuten, daß wir Schwächlinge sind, schreibt Kierkegaard, verweichlicht, die doch so gerne um billigen Preis die Heroen spielen würden. Denn wirkliche Gewissenshoheit, ja, das wäre in der Tat Heroismus.

Mit der sogenannten Gewissensfreiheit in allen Dingen kam nur die Einbildung, in der alle nun meinen, Gewissensfreiheit auch zu HABEN. Aber die hat sich immer nur eingeklemmt zwischen zwei Schilden bewährt - bereit für den Scheiterhaufen, für das Kreuz, für den Tod. Alle Zwänge aufzuheben hat genau das Gegenteil bewirkt.

Je größer das Ding, um das es geht, umso mehr Zwang kann man sogar vertragen. Geht es um die Pflicht, einen Hut zu tragen - gut, das ist unerträglich. Kein Zwang kann die geistige Freiheit jemals zwingen! Er kann ihn höchstens die Freiheit teuer kaufen lassen.

Das Gerede vom Zwangabschaffen kommt deshalb von verweichlichten Menschen, schreibt Kierkegaard. Oder von solchen, die vielleicht einmal die Kraft zum Kämpfen gefühlt haben, aber nun ermattet sind und es bequemer finden, wenn der Zwang abgeschafft wird.

Man sollte da sagen: wir sind schwach und furchtsam, haben keinen solchen Mut oder solche Kräfte, darum wollen wir allen Zwang weg haben; darin läge doch Sinn. Aber in der lügnerischen Diebessprache der Zeit heißt es: wir kämpfen für Gewissensfreiheit.


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