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Freitag, 12. April 2013

Ans Nichts gewöhnt

Es lohnt, das Interview mit dem Waldviertler Bäcker Josef Weghaupt in der Presse zu lesen. Der nur handgefertigtes Brot herstellt und verkauft. Weghaupt, der gar nicht erst das Ziel hat, "Millionär" zu werden, sonder zufrieden ist, von seiner Tätigkeit leben, den Betrieb erhalten zu können, zeigt die Grundlogik des Technizismus auf.

Denn mit der Technisierung der Herstellung von Nahrungsmitteln, die im 19. Jhd. vor allem von Amerika ausging und mittlerweile die ganze Welt umfaßt hat*, ging auch ein ungeheurer Qualitätsverlust einher. Das Argument, daß Lebensmittel damit billiger wurden, ist überhaupt nur haltbar, wenn man berücksichtigt, daß man um den "geringeren" Preis überproportional weniger erhält. Dieser niedrige Preis funktioniert nur unter der gleichzeitigen Berücksichtigung, daß das gekaufte Produkt vielfach "nur noch so aussieht" wie das, wofür es verwendet und verkauft wird bzw. wurde. Liquiditätsüberlegungen haben den Preis ersetzt.

Weghaupt zeigt ein Beispiel - denn es kann ja schon sein, daß ein Kilo Brot bei ihm 6 Euro kostet.

Verkaufen Sie in Ihren Augen noch ein Grundnahrungsmittel oder schon einen Luxusartikel?
Definitiv ein Grundnahrungsmittel. Wenn ich mir andere Bäcker ansehe, kann ich sagen: Meine Gewinnspannen sind sicher geringer. Bei dem Arbeitseinsatz, den wir haben, muss das Brot so viel kosten. Nur zum Vergleich: Wer im Supermarkt ein 200 Gramm leichtes Single-Sandwich um 1,90 kauft, denkt eben nicht daran, dass er für ein Kilo Semmelteig gerade zehn Euro bezahlt. Die Menschen schauen nur auf den Stückpreis.

Technisierte Produkte, wenn sie vergleichbar sein wollen, also "dasselbe" anzielen wie es das Handwerk tut, sind NIE billiger. Dies Grundwahrheit haben wir leider verlernt. Technik ist immer eine ZUSATZinvestition, und wie jede Beseitigung von Mühe kostet sie zusätzliches Geld, zusätzliche Energie. Eine technisierte Gesellschaft ist deshalb IMMER energieaufwendiger, und wird es mit jedem zugeschalteten technischen Schritt - ob in der geistig-organisatorischen oder physisch-maschinellen Stufe - weiter tun.** 

Weghaupt hält seine Preise nämlich bewußt niedriger, als sie betriebswirtschaftlich gerechnet werden müßten. Er richtet sich damit aber nach dem komplexen Zusammenspiel von Realitäten. Denn einfach "vormalige" Ansätze durchzusetzenarchäologistisch zurückzugreifen, ist ein häufig gemachter Irrtum. Aber nur so kann er sein Produkt in "normalen" Geschäften anbieten. Würde er alles voll durchkalkulieren, würde er sich nur noch an die zahlungskräftige Kundsschaft richten. Die sein Brot vielleicht aus Gründen der Mode, des Chiques kauft.

Tragisch wirkt sich laut Weghaupt vor allem aus, daß die Menschen heute gar nicht mehr erkennen würden, was gutes Brot kennzeichnet, wie es schmeckt. Sie sind bereits verbildet, an den Billigmischmasch gewöhnt, an die Chemie, die sie seit 150 Jahren zu sich nehmen. Ein vielsagendes Detail dazu: Weghaupt erzählt, daß heute ausgebildete Bäcker nach der Lehrzeit oft erst noch einmal eingeschult werden müssen. Denn sie wüßten oft gar nicht, wie man Grundteige aus ihren Grundzutaten herstelle. Ihre Fertigkeit ist ein bloßes Ensembling vorgefertigter technisch-chemischer Bestandteile.





*Lesenwert dazu: Sigfried Giedion's "Die Herrschaft der Mechanisierung", wo dieses Ineinandergreifen einzelner technischer Entwicklungen (samt, übrigens, ihren Motiven im Einzelnen, was sich schließlich zu einer wirklichen Aussage über den Charakter des heutigen Technizismus verdichtet) in ihren Wechselwirkungen mit der Lebensweise innerhalb der Gesamtentwicklung der Kultur sehr gut erkennbar wird.

**Dieser Grundsatz zeigt alleine die Verfehltheit, die Irrationalität, ja die Dummheit des heutigen Geredes von der "nachhaltigen Energieerzeugung" - durch noch weitere Technisierung in Anwendung wie Produktion von Elektrizität. Technik und Annihilierung der Gegenwart, der Zeit, wo im Namen einer irgendwann angeblich erreichten Zukunft defizitäre Gegenwart akzeptiert wird, sind ein und dasselbe Wort.








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