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Montag, 15. April 2013

Leben heißt Spezifizierung

Begreift man eine Kultur als die Ausfaltung des Lebens selbst, wird ihr Fortschritt in die Gestalt hinein als Fleischwerdung des Lebens, des Wortes begreifbar. Und das heißt nichts anderes, als daß die Entwicklung einer Kultur alle Dinge mehr und mehr zu sich kommen läßt, aus sich in die Welt als Welt. Damit wird auch deutlich, was mit Höherentwicklung einer Kultur gemeint ist.

Nun fällt auf, daß mit dem Höherstieg der Kulturen auch die Differenzierung von Mann und Frau Gestalt annimmt. Und zwar weltweit, und in allen Kulturen, so sie sich überhaupt entwickeln. Was selbst bei primitivsten Stämmen dort noch ausgebildet ist, wo es um die die jeweilige Geschlechterpolarität am stärksten ausbildenden Pole geht - die Bräutlichkeit im Schmuck der Frau, und der Kriegs. oder Kampfschmuck, die Kriegs- und Jagdtracht beim Mann.

Entsprechend läßt sich beobachten, daß bei unteren (!) Kulturstufen sowohl das Aussehen wie die Tätigkeiten kaum noch Geschlechtsunterschiede aufweisen. Es verwundert gar ein wenig, daß heute nicht gesehen wird, daß noch vor 500 Jahren hier, bei uns, Männer und Frauen in der Bekleidung genauso wenig unterschieden waren, wie in der Tätigkeit. Nur in den höheren Gesellschaftskreisen, dem Adelsstand, hatte sich diese Differenzierung bereits früher ausgebildet, und von dort nach unten ausgegriffen.

Das läßt sich auch erkennen, wenn man die Physiognomien betrachtet, den Körperbau. Die primitivsten Kulturstufen weisen noch sehr wenige anatomische Differenzierung aus. Je höher eine Kultur steigt, desto zierlicher wird die Frau, desto männlich-kompakter der Mann, und so die Gesichter. Die mittelalterliche Frau gebar ihr Kind rasch zwischen den Pflugscharen im Gebüsch, der Mann strickte genauso wie die Frau, und beide trugen dieselbe Haube, denselben Rock, dieselben Beinkleider, und die tägliche Arbeit war nicht geschlechtsweise geteilt, sondern man tat, was anfiel. Diese Dinge herauszuarbeiten, geschlechtsspezifischer zu gestalten, der eher gegebenen Schwachheit der Frau, ihrem Grundberuf mehr entgegenzukommen, wie die Stärke und Außenbezogenheit des Mannes mehr herauszuarbeiten, war die Frucht jahrhundertelanger, immer konkreterer Fleischwerdung ihres innerten Wesens. 

Zahllose Bildnisse des Mittelalters, die uns überliefert sind, zeigen Frauen mit sehr männlichen, harten, ja alten Gesichtszügen. Die Jungfrau Maria, von der man wußte, daß sie zur Geburt Jesu kleinesfalls alt war, wird überall als Frau in den Dreißigern dargestellt, wie es uns heute erscheint. Aber Tatsache ist, daß es der Frau damals noch an jener Spezifität mangelte, wie wir sie heute kennen. 

Desgleichen sind im Mittelalter männliche Gesichter von denen der Frauen kaum zu unterscheiden.  

Wer die römische, ja egal welche historische Kultur betrachtet, wird dasselbe beobachten.

Ja, selbst im Tierreich läßt sich diese Tendenz als Tendenz des Lebendigen erahnen, mit einem Gesetz: je primitiver die Lebensstufe, desto unterschiedsloser Aussehen wie Tätigkeit der Geschlechter, desto geringer oft sogar die Angewiesenheit auf die Existenz eines anderen Geschlechts überhaupt (wenn das auch nur über gewisse Zeit möglich ist, wie sich bei Autogamie nachweisen läßt). Je höher aber, desto differenzierter, und desto unumgänglicher die aktuelle Ergänzung, als Tangente zur menschlichen Leistung an sich, der Zeit.

Daß die Frau sich dem Haus, dem Haushalt, dem Heim widmen kann, war deshalb keineswegs eine Eingrenzung, sondern eine Errungenschaft der Spezifizierung (und insofern natürlich eine Eingrenzung, so wie jede Gestalt auf sich eingrenzt) und eine kulturelle Höherentwicklung, um das jeweils spezifisch Eigene besser zur Gestalt zu bringen, eine Befreiung zu sich selbst. Zumindest prinzipiell. Somit kann sich kulturelle schöpferische Leistung höher und höher entwickeln. DARIN ist die Polarität, das immer Eigentümlichere, also direktes Gotteslob, darin trifft sich Kulturentwicklung mit religiösem Auftrag direkt. Ja, in diesem Drang, in dieser Fleischlichkeit der Entelechie, der Leibnahme von Wesen, zeigt sich direkte religiöse Kraft und Wahrheit.

Übrigens erhellt sich damit auch das Rätsel um Priesterinnen, wie sie aus früheren Zeiten bekannt sind. Zur Ausbildung bloß männlichen Priestertums kommt es im Gleichschritt mit der Spezifizierung des Eigentümlichen, wo der Kult als Samenspendung, das Volk als Schooß ("Kirche", als Versammlung aller, ist weiblich verstanden, auch heute) begriffen wird. Mann und Frau läßt sich wohl am besten begreifen, wenn man es mit "jeweiligem Beruf dazu" erfaßt. Eben als "ich bin" - als Akt und Stufe des Werden-wollens, den wir als Ich erfassen, der wiederum die Einheit der Geschlichtspolarität braucht, mit dem ihr zugewiesenen Ort, der Ehe.

Dieser Auftrag als innerstes Streben jedes "Ich" wird mit jedem Menschen neu geboren, mit jeder Geburt erneuert, als dieser Auftrag zur Spezifizierung. Deshalb wird jede Zielsetzung, zur Geschlechtsneutralität zu erziehen, einfach nur scheitern, und zwar mit jedem Geborenen neu. Wenn man das schon nicht in ihrer metaphysischen Dimension erfaßt, so sollte es selbst die materialistischeste Biologie lehren, die von der ersten Zelle an das Gesetz, daß alles Lebendige zu sich selbst als Ganzes strebt, als allem Organischen zugrundeliegend anerkennen muß.

Die Geschlechtsunterschiede wieder einzuebnen, durch Gleichmachung der Berufswahl, Kleidung, was auch immer, ist also keine Errungenschaft, sondern ein ganz grotesker, weil so offener Rückschritt, betrachtet man das Gesamt einer Kultur. Welcher auf das Wesen des Feminismus ein ganz eigenes Bild wirft, es wie despotischen Zwang darstellt, kulturelle Entwicklung abzulegen, und ihren anti-religiösen Affekt erweist.

Wir sind also am besten Weg, das was wir uns bereits errungen hatten, die Quelle des wirklichen Individualismus (der aber nicht Autonomismus, quasi Hermaphroditentum ist), mit vollen Händen beim Fenster hinaus zu werfen. Wenn wir das einmal als Verlust erkannt haben werden, und das werden wir, wird es zu spät sein.

Eines aber ist gleichfalls gewiß: daß diese Einebnung des je Eigentümlichen auch die Familie auslöscht, jawohl, auslöscht, ihr den inneren Halt (des Eros) nimmt, der sich in die dargereichte Schale "Ehe" fügt. Sie so zu einem Zufallsprodukt, zur bloßen Zweckehe wie sie in tieferen Kulturstufen herrscht, oder gar zu einer Notwendigkeit der Menschenzucht entwürdigt. Da von individuellem Moralgebot oder  Glaubensangelegenheit zu sprechen, ist pure Gotteslästerung, wenn man gleichzeitig an dieser Auflösung mitwirkt. Denn die Ehe beginnt beim Staat, beim Volk, nicht beim Individuum. Diese antworten nur aus Entsprechung.





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