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Samstag, 27. April 2013

Namenlose Verdummung

Die Arbeitsteilung ist eine Frucht der klaren Rollenspezifizierung. Von den Rollen ging sie aus, und damit von der Erfahrung, daß sämtliche Welt in einem Bereich der menschlichen Erfahrung wiederzufinden ist. Im Menschen ist die Welt enthalten, und nur diese Aspekte an ihr kann er vereinzeln. Indem er in spezielle Rollen schlüpft. Denen er sich im Spiel bzw. im Kult zuwendet, die er an sich wachruft. So, wie er sie an Feiertagen wachruft, Aspekt für Aspekt. Nein, wachgerufen bekommt.

Denn Feiertage sind Angelegenheit der Sippe, des Landes, das die Sippen zusammenfaßt, in denen sie sich zusammenfassen. Und im Jahreskreis, im Kreis mehrere Jahre (Olympiade ...), findet sich das Ganze, das Universale. Nur in dieser Festigkeit und Unangefochtenheit des eigenen Standpunkts, den ihm die Gemeinschaften garantieren, den sie sichern, wird der Einzelne frei, sich dem Ganzen zu öffnen. Aus einer Position des Friedens also, wo sein Selbstsein nicht an seiner Kampfbereitschaft hängt, die Verengung braucht, wie jeder Krieg.

In der Zusammenschau der Reihe der Feiertage - in allen Schichtungen: Religion, Staat, Familie etc. - findet sich damit eine Volksidentität in ihren Aspekten wieder. Sie gliedern das Menschsein, ja in ihrem Wechsel lassen sie die Menschen überhaupt erst Gestalt werden, als Herren über die Zeit. In allen Kreisen des Menschen, von den persönlichen Feiertagen angefangen (Geburtstage, Namenstage), über Familie, Sippe, Land, Religion ... Noch einmal: Feiertage, die erst zu solchen werden, wenn sie vom Allgemeinen kommen. Denn ihre Geistigkeit steht nicht nur außerhalb des Individuums, das nur an ihr teilhaben kann, wenn es sich ihr öffnet, sondern wird dem Einzelnen in ihren Inhalten und Kraftfeldern zugeteilt.*

Denn es ist der Name, mit allem was geistig dazugehört, der gewährleistet, daß in allem Erkennen, Ausprobieren, Spielen, Schwach- und Starksein, in allem Wandel, die Identität unangetastet und kontinuierlich bleibt. Mit allen Beifügungen, in denen man den weiteren Raum zugemessen und abgesteckt erhält, ja der einen zum Menschen macht.**

Es ist der Name, den man aus dem außenliegenden geistigen Raum erhält, der einen zu sich ruft, und der einen im Leben hält. Wie weit das geht, soll durch Querverweise auf die Gedächtniskultur in Monumenten und Sagen und Erzählungen, im Gut- oder Schlechtsprechen von Verstorbenen (und dem Verhältnis, das wir dazu fühlen), und selbst auf die Tatsache, daß der Mensch nur bleibt, weil sein Name im Gedächtnis Gottes, dem absoluten Geist, erhalten ist, aus diesem auch durch den Namen - man betrachte die Bedeutung des Zeugnisses, der Vollmacht: man kann nur tun, wozu man Vollmacht hat*** - hervorgeht, angedeutet werden.

Bis in die individuelle Persönlichkeitsentwicklung läßt sich das feststellen: Je weniger spezifisch eine Identität (als Rollenbewußtsein, als Übernahme einer zugeschriebenen Rolle, als Ergreifen in seiner Vollendung, und damit als Weiterbauen am Namen, der zu einem neuen, eigenen Namen wird) desto weniger spezifisch ist die Persönlichkeit orientiert. Löst sich das Institutionelle auf, als Zusprache von Namen, als Zeigendes das Ort zuweist und damit Orientierung in der Welt - auch in der Selbstreflexion - erst ermöglicht, zerfließt auch die einzelne Identität. Der Mensch verliert seine Tatkraft, er ist einem blinden, ungeformten Aktivitätswollen ausgeliefert.

Aber noch mehr: er verliert die Fähigkeit, Information - als "seine" - zu erkennen, als Information. Er verliert die Fähigkeit der Aufmerksamkeit, bleibt gefangen in einem panischen Achtgeben auf alle Aspekte die auf ihn treffen, deren Wichtigkeit er nicht reihen, deren Zutreffendheit auf ihn er nicht erfassen kann. Schon Norbert Wiener weist darauf hin, daß der Aspekt meist übersehen wird, daß Information erst zu einer Information wird, wenn sie für den Rezipienten auch als ihn betreffend erkannt werden kann. Erst dann wird sie zur Information. Sie braucht also Rolle, Identität.




*Die Bösartigkeit diverser Kräfte der Gegenwart läßt sich deshalb vor allem an ihrem Drang erkennen, zum einen traditionelle Feiertage auszuhebeln, zum anderen neue zu schaffen. In ihnen nämlich treffen sie die Lebensweise der Menschen ins Mark. Fluch deshalb über jene Medien, die konsequent mitarbeiten, solche neue Feiertage - vom Weltfrauentag über Klimaschutztage etc. etc. - durch implantierte Neurosen zu schaffen, in denen sie das Gewissen manipulieren und Mythoplastiken in den Verkehr setzen, die die Lebensordnung der Menschen ans Irrationale des Rationalismus binden. Sie sind mit die effizientesten Mittel, ein Land seiner schöpferischen Kräfte zu berauben, die Menschen am direktesten zu entwurzeln.

**Daraus läßt sich ermessen, was es bedeutet, wenn Beruf und Ausbildung mit Identität nicht mehr zusammenhängt. Wenn "Jobs" zu erledigen sind, als bloße vorübergehende Funktionen, wenn Beruf nur noch Vermeidung von Ablaufstörungen bedeutet. Das Problem der Scham (und Schamlosigkeit) hängt damit eng zusammen, denn die Scham ist der Schleier, "hinter der das Leben sich verwandeln kann." (Rosenstock-Huessy) Nur in der Scham gewinnt der Mensch die nötige Zeit für eine geistige Tat, in ihrem Gegenpart der Diskretion, die den Freiraum des bloß Möglichen schützt. Was direkt zur Bekleidung führt, an der sich das Maß des Menschseins ablesen läßt. Der Priester verhüllt sich deshalb ganz, wenn er die Heiligen Handlungen vollführt. Vom Lendenschurz zum Krönungsmantel führt eine direkte Leiter der Berufung. "Die Nation (das Volksganze) ist ein Kleid," schreibt Edmund Burke. In ihr liegt die Weisheit. Nacktheit heißt Krieg, Bekleidung Friede und Freiheitsraum. Fasse, wer es fassen kann.

***Deshalb die Tragödie des Neides und der Verleumdung: die darauf abzielen, die Vollmacht eines anderen, des Beneideten, die in seinem Namen steckt, zu zerstören, sodaß dieser in seiner Entfaltung, in seiner Selbstwerdung, seiner Entelechie deformiert und verhindert wird. Neid fällt eben unter das 5. Gebot: Du sollst nicht töten. Neid zeigt aber immer einen vorangehenden Defekt in den übergeordneten Gemeinschaften an, in denen der Einzelne steckt, aus denen er nämlich hervorgeht und sich ins Einzelne treibt. Der für Österreich in weiten Bereichen so typische Neid als Volkskrankheit zeigt deshalb einen ins Tiefste reichenden Defekt der Volks-, Kirchen- und Staatskonstitution, am leichtesten in einem verwüsteten Elitebildungsmechanismus erkennbar. Das österreichische Gemeinbewußtsein hat sich folgerichtig in das von Sekten umgewandelt.






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