Wachsen junge Menschen in sich abgeschlossen heran, wachsen sie nicht in der geschlechtlichen Polarität heran, dann wird ihr geistiges Selbst in sich geschlossen. Es wird unfruchtbar, weil es gelernt hat, sich selbst zu genügen, und genauso unfruchtbar werden seine geistigen Hervorbringnisse. Eugen Rosenstock-Huessy zieht deshalb direkte Analogien zur Homosexualität, die die gleiche in sich gerundete Selbstliebe ist, weil sie die Gesamtwerdung als Mensch nicht mehr vom Gegenüber, von der Ergänzung erwartet. Liebe wird zu einer Liebe des Gleichen, von zwei parallel - nicht an- und ineinander - Lebenden.
Eine Erziehung wie sie heute stattfindet, zwingt den Menschen zu einer vorzeitigen In-sich-Gerundetheit, die den wirklichen Reifungsprozeß gar nicht mehr stattfinden läßt. Es fehlt das existentielle Bedürfen nach dem ergänzenden Teil. Erzieht man Kinder selbständig und autonom, ohne Gehorsam und Angewiesenheit auf die Ganzwerdung, schwächt man die geistige Form des Geschlechts.
Das sich entwickelnde geistige Selbst erfaßt in seinem Abrundungsversuch nur noch die Hälfte seines Trägers. Mit 20 tritt der Mensch nach außen, und sein Geist hat eine andere Entwicklung genommen, als sein Leib: Er ist nicht mehr in der Lage, dem Streben seines Leibes - das das ihm Entgegengesetzte sucht - erfüllende Wege zu suchen.
Also verändert sich auch sein Verhältnis zur Umgebung. Der in sich gerundete, autonome Mensch wird ein Stadtmensch. Denn in der Stadt - und darüber hinaus: im Staat - sieht er ein größeres, verlängertes Selbst. Es ist überhaupt kein Wunder, daß die Staatslehre, auf der alle auch heutigen Staatslehren aufbauen, von dem knabenliebenden, uni-geschlechtlichen Plato entworfen wurde. Ihm kann der Staat nur männlich sein.
Der heutige Mensch wird "entschlechtet", ungeschlechtlich. Und damit verliert die gesamte Richtung seines Geistes die werbende bzw. bräutliche Komponente. Als ein allen seinen Handlungen zutiefst zugrundeliegender Eros (oder nicht) bzw. als begattende, werbende Antwort. Zwar ist quasi geschwisterliche Liebe möglich, keine Frage, aber die leidenschaftliche Liebe der Begeisterung nicht mehr. Sie wird im wahrsten Sinn des Wortes "platonisch".
Was sich natürlich auch im Außen zeigt: in der Knabenhaftigkeit der Mädchen, die ihren Vater, in der fehlenden Männlichkeit bei Burschen, die ihre Mutter wiedergebären, um "in sich" eine Art Ganzheit zu erreichen.
Aber in noch etwas zeigt es sich: In den Scheidungen. Und zwar nicht nur in den Ehescheidungen, sondern im Auseinanderreißen der Ganzheiten von Mann und Frau - wie in dem von (männlichem) Staat und (weiblicher) Kirche, im ganz aktuellen, konkreten Fall. Wo in Wahrheit Staat und Religion eine sich wechselseitig ergänzende Einheit bilden müssen, anders geht es gar nicht.
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