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Mittwoch, 3. April 2013

Gerechtigkeit statt Fairness

Einen bedeutenden Aspekt der Ethik spricht der amerikanische Philosoph Stephen T. Asma in einem Interview in der Presse an. Er zeigt nämlich, daß Ethik außerhalb persönlicher Verbindlichkeit - Bindung eben - gar keinen Sinn mehr ergibt, keinen Handlungsrahmen mehr bietet, außer den eines abstrakten Utilitarismus.

Stephen führt dabei ein Beispiel an: Wenn er vor einem brennenden Haus stünde, in dem sich zwei Menschen befänden, einer davon der Präsident der Vereinigten Staaten, der andere ein Zimmermädchen, das aber seine Mutter sei, er könne aber nur einen retten, so würde er nicht zögern - und seine Mutter retten.

Stattdessen hat sich im Westen eine doktrinäre utilitaristische Moral festgesetzt, die sich in zu Religionen gewordenen Moralsätzen - wie in den Umweltbewegungen am deutlichsten erkennbar - ausprägt. Wo ethisches Verhalten auf rein sachlich-utilitaristische Überlegungen* verlegt worden ist.

Im Westen hat sich das Wort von der Gerechtigkeit zum Wort von der Fairness - einer Gleichmachung aller Personen - gewandelt. Aber dieser Fairness liegt ein abstrakter Utilitarismus, ein mathematisches Kalkül zugrunde.

Erst aus solchen persönlichen Bindungen entstünde Sinn. Eine Erfahrung, die auch den Ostasiaten kennzeichnet, dieser aufgeklärte Utilitarismus ist nämlich eine spezifisch westliche Erscheinung. Selbst Jahrzehnte des Kommunismus, mit seiner Zielsetzung, durch die Auflösung der Kernfamilie die Bindung an kommunistische abstrakte Prinzipien zu erwirken, habe nicht gefruchtet. Nach wie vor sieht der Ostasiate seine Verbindlichkeit vor allem durch familiäre oder freundschaftliche Bande geprägt.

Während sie im Westen eben keinen Sinn mehr hat, und für eine Regulierung des Lebens wie die Praxis zeigt auch gar nicht ausreicht. Das wird besonders deutlich, wenn man von Diskriminierung spricht, von Bevorzugung - er kenne niemanden, so Asma, der nicht immer wieder von persönlichen Beziehungen profitiert hätte und auf sie zurückgreift. Und das zurecht.

Nur in einem solchen Zurückgehen auf persönliche, familiäre Bindungen als Basis der gesellschaftlichen Ethik liegt deshalb Zukunft. Sie entspricht offenbar mehr der menschlichen Natur. Gerechtigkeit findet nämlich keinen Maßstab außerhalb persönlicher Bindung. Zur Fairness abstrahiert, wird der Gesellschaftsraum zum bloß rationalen Mechanismus, aber damit erst recht ungerecht. Erst persönliche Verbindlichkeit liefert menschengerechte Urteilskriterien.

Gerechtes Regieren heißt deshalb auch nicht, maximalen Nutzen IN BESTIMMTER ABSTRAKTER, aufgeklärter HINSICHT anzustreben, und beliebige Opfer zu riskieren. Es ist ohne persönliche Beziehung, ohne individuelles Bewerten, ohne Bindung nicht möglich. Erst in Hinblick auf diese Bindungen ist Ethik überhaupt sinnvoll - als Antwort auf persönlichen Anruf.




*Das entscheidende Kriterium dabei ist ja die Sinnfrage, die die Aufklärung auszuschließen vorgibt, aber dabei nur neu definiert und vorschreibt, im Namen einer "objektivierten" Wahrheit. Diese Abstrakta, die seither persönliche Verantwortung als Grundlage der Ethik ersetzen sollen, sind ja sehr konkrete Idealbilder eines "guten Menschen" bzw. "geglückten Lebens". Der Mensch, und damit die Gesellschaft, sind eben keine "objektiven Mechanismen", die es zu optimieren gälte - in Hinblick auf ein Idealbild - sondern ist immer personales Wesen, dessen Leben selbst wiederum persönliche Antwort ist. Deren Sinn aber nicht aus der Welt hervorgeht, dort aber gewirklicht werden muß, um so die Welt über sich hinauszuheben - in den Himmel hinein.

HINWEIS IN EIGENER SACHE: Wie regelmäßige Leser dieses Blog gewiß längst erkannt haben, geht es dem Verfasser dieser Zeilen nie primär darum, Gedankengebilde zitierter oder erwähnter Personen darzustellen. Sondern er nimmt sich jede Freiheit, diese lediglich als Anregung zu verstehen, um Gedanken selbst weiterzuentwickeln und zu ergänzen. Nur bedingt also sind Hinweise auf Ansichten erwähnter Personen auch als wirkliche Darstellungen "derer" Meinungen und Sichtweisen zu betrachten. Er interpretiert so gut wie immer, und tut dies bewußt. Reine Zitate sind dagegen stets gekennzeichnet, schon um der Ehre des Erwähnten keinen Abbruch zu tun. Wer aber z. B. in diesem Falle Interesse hat, die Ansichten Asma's direkt, umfassend und "unverfälscht" kennenzulernen, wird sich die Lektüre seiner Publikationen nicht ersparen können.





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