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Dienstag, 30. April 2013

Zeit und Welt (2)

Teil 2) Zählbarkeit der Zeit - Quantelung der Zustände




Die technische Zeit - wie in der Uhr - ist die Zahl der Bewegung nach dem früher oder später. Nur insoweit also spricht Aristoteles sogar von der Zeit. Denn die Jetzte sind nicht teilbar, sie sind unendlich. Nur die Begrenzung der Jetzte machte Zeit "zählbar", das ist aber nicht möglich. Dennoch besteht in den Zahlen eine Analogie zur Zeit: Wenn wir 1, 2, 3, 4 ... betrachten, so bedeutet 3, daß 1 und 2 nicht mehr gültig sind. Und so fort. Ist also zwar die Zahl der Jetzte nicht begrenzbar, so bedeutet dennoch eine Zahl den Moment eines einzigen (unfaßbaren) Jetzt, das gültig ist, während alle vorhergehenden Jetzte nicht mehr gelten, weil nicht mehr sind.

Und so kann sehr wohl von einem für die gesamte Welt zutreffenden Gleichzeitigen Jetzt gesprochen werden (anders übrigens, als die Relativitätstheorie sagt.) Denn diese umfassende Jetztigkeit der Welt bezieht sich auf einen jeweils anderen Zustand der Fülle der Dinge. Es ist nur das verschieden, auf das sich diese Zahl bezieht: ihr Seinstand (Conrad-Martius) ist nur je anders. Insofern verhält sich die Zeit analog zur Zahl: auch mit jeder Zahl, die man weiterzählt, versinkt die vorhergehende ins Nichts.

Wenn aber den Dingen die existieren nur Gegenwärtigkeit anhaftet, dann kann es durchaus sein, schreibt Conrad-Martius, daß Anfang und Ende eines Prozesses sich gegenseitig beeinflussen.

Nun ergibt sich aus der Quantenphysik ein interessanter Tatbestand: Auf der Ebene der Elementarteilchen hört die Bestimmbarkeit von Nachher und Vorher, die "Kausalität", auf. Ergebnisse von Prozessen beeinflussen deren Ausgangspunkt, Abläufe drehen sich um.

Während eines letzten Zeitmoments also kann "empirische Zeit" nicht sein. Zeit braucht mindestens zwei solcher Momente. Das eigentlich Zeitliche an der empirischen Zeit muß also das Weiterrücken von Zeit- und Seinsquanten zum jeweils nächsten sein. Diese Momente aber können selbst wiederum nicht als "Zeit" aufgefaßt werden. Zeit konstituiert sich also als raumhafte Verschiedenheit jeweiliger (zeitloser) Jetzte. In dieser raumhaften Verschiedenheit werden diese Jetzte zu ... Zahlen, mittels deren Bewegung, Veränderung und Ruhe der empirischen Welt zeitlich "gezählt" werden.

Natürlich ist dieses "Fortrücken von Zeitquant zu Zeitquant" selber nicht mehr empirisch ausmeßbar, unser emprischer Zeitbegriff bezieht sich ja umgekehrt auf dieses Fortrücken. Diese Quanten selber durchmessen aber keine Zeitstrecke. In ihnen ist die Welt jeweils "neu" da, mit all ihrer Kausalsituation. Diese Quanten wirken also auch nicht direkt "hinüber" auf die nächsten. Wären sie aber "meßbar", so wären sie die "absolute Zeit".

Das beständige Vergehen und Entstehen betrifft die Welt mit allen ihren Kausalbeziehungen nur in Bezug auf ihr Da-sein, nicht in bezug auf irgendwelche inhaltliche Gestaltung. (Hedwig Conrad-Martius, "Die Zeit").

Reale Zeitbewegung begründet also die räumliche Bewegung. Eine empirische räumliche Bewegung durchmißt nur deshalb AUCH Zeit, weil der Bewegungsträger fortlaufend neu ex-istiert. Und nur weil und solange der Bewegungsträger zu je quantenhaft neuem Dasein gelangt, kann räumliche Bewegung sein. Wenn dem Bewegten der Seinsatem ausgeht und er zeitliche Herzschlag aufhört, fällt selbstverständliche auch seine empirische Bewegungsmöglichkeit dahin. Reale Zeitbewegung ist Seinsbewegung, das heißt Bewegung von einem Seinsquant zum anderen, jeweils aber neu geboren. Sie ermöglicht erst naturhafte Bewegung. Und damit auch das Dasein von etwas Ruhendem, das von Zustand zu Zustand seine Ruhendheit erhält. Es verändert nur nicht seine Zustände.

Bewegung aber ist das Wesentliche des Unvollendeten. Käme eine Bewegung wirklich zu ihrer Ruhe, so wäre das Wesen des bewegten Dinges transzendiert. Denn das Erdhafte zum Beispiel zieht zum Erdmittelpunkt. Wenn es das nicht mehr täte, wäre es nicht mehr es selbst - es hätte sein Wesen transzendiert.  






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