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Samstag, 1. Juni 2013

Antwort vom Klugscheißer

Sehen Sie, schreibt dem Verfasser dieser Zeilen Leser K in diesen Tagen, Sie hatten Unrecht. Der Goldpreis steigt wieder! 

Wertester K, das Wort "Klugscheißer" als ihm zubemessenes Prädikat kann der Verfasser dieses Blog durchaus akzeptieren. Also will er sich damit nicht länger aufhalten. Nur kurz sachlich replizieren:

Daß der Goldpreis momentan wieder steigt, sogar die 1400 Dollar-Marke wieder überschritten hat, zeigt keineswegs daß die Aussagen hier "falsch" sind. Es könnte mehreres anzeigen, und tut es wohl auch. Die Einflußfaktoren auf den Goldpreis sind extrem vielfältig und komplex*, wir können sie hier nur andeuten.

  • Es könnte also eine technische Korrektur aus den Gesetzen der Spekulation sein: zu niedrigerem Goldkurs haben höhere Käufe eingesetzt, die den Kurs wieder nach oben trieben. An den Stand des Goldpreises knüpfen sich ja viele Interessen, die sich teilweise auch widersprechen. Deshalb sind viele Beobachter keineswegs sicher, ob das tatsächlich eine Trendwende bedeutet, oder einfach ein kurzfristiger "technischer Ausreißer" ist. In jedem Fall war der Kurseinbruch für eine bestimmte Käuferschicht - darunter jene, die an den absoluten und ewigen Wert des Goldes felsenfest glauben - Anreiz und Bestätigung, weiter ihr aktives Geld in passives Gold zu investieren.
  • Es könnte mit ausgelöst sein durch die schlechten Konjunkturprognosen für China wie die EU, die in letzter Zeit die Medien durchgeistert haten. Und damit den Mechanismus der (relativen) Vermögensabsicherung in Richtung Flucht aus den Währungen - als ewige Such- und Pendelbewegung zwischen Realanlagen (wie Immobilien), Kapitalanlagen und eben Gold - bewirkt haben. (Der Yen fällt ja derzeit ins Bodenlose, der Australdollar gleichfalls, bei gleichzeitigem Aufblasen der Geldmenge, die ja angelegt sein will; Gold gehorcht aber internationalen Gesetzen.)
  • Deshalb schon steht der Goldpreis immer, in dem Streben des Weltvermögens zu einer Art "Gesamtharmonie", in ausgleichender Beziehung zu den übrigen Wertanlagen. Gold ist wie alle übrigen Sachwerte also relativ. Nach oben wie nach unten. Mit einem gravierenden Nachteil - Gold ist "totes Kapital". Geht es allen besser als es gerade notwendig wäre, ist es gefragt. Geht es allen schlecht, braucht man lebendiges, verwertbares Kapital, eben Geld. Dabei ist es unwichtig, ob auf dem Schein "5 Milliarden" steht, oder "fünf". Wichtig ist, was es an sehr realer Leistung verspricht. Das ist bei Gold nicht anders.
  • Die Goldproduktion wurde aufgrund des fallenden Weltmarktpreises (und der fallenden Werte der Goldförderunternehmen) teilweise bereits gedrosselt. Die Rentabilitätsgrenze für einige Goldförderer war bei 1100 Dollar je Unze bereits erreicht. Für andere liegt sie ja weit darunter, etwa bei 6-700 Dollar. Durch diese Verknappung des Angebots steigt der Preis natürlich wieder.
  • Weil Gold Ware - nicht "Geld" - ist, gibt es etwas wie einen "gerechtfertigen Preis", der sich in einem Waren- und Leistungsäquivalent ausdrückt. Und demgemäß ist durch die Überschätzung der Sicherheitsleistung des Goldes nicht nur nach Ansicht des Verfassers dieser Zeilen der Goldpreis immer noch deutlich zu hoch. Einer derzeit hohen physischen Nachfrage v. a. aus Asien, im Rahmen einer Schwäche des Dollar (und damit Verbilligung des Goldes),  stehen taktische Anleger gegenüber, die nach wie vor ihre Goldspeicher leeren, um ihre Gewinne zu realisieren und ihr Kapital umzuschichten.
An der Hauptaussage, daß das Gold keinen "absoluten Wert" darstellt, ändert sich damit nichts. Wer seine Goldbarren zuhause nun mit größerer Zufriedenheit betrachtet, möge das tun, es sei ihm gegönnt. Aber spätestens, wenn er in einer wirklichen Krise, die die Wirtschaftsgefüge zerfallen läßt, versucht, aus seinem "ewigen Vermögen" das zu ziehen, was Vermögen bedeutet, nämlich Verwertbarkeit in Sachgüter, wird er die Relativität des Goldes als Wert begreifen. Denn wenn er das nicht voraussieht, kann er sich am Kurswert seines Goldvorrates heute zwar erfreuen, aber er kann ihn nicht nützen.  Nicht heute, und nicht in der Krise.

Wofür also hat er "Wert absolut gesichert"? Als Potential für den Weg in die Welt der Wirtschaftsgüter. Und damit in den der Relativität der Werte in einem Gefüge von Beziehungen, die in schweren Krisen auf ihre Ursprünge zurückgehen, die menschliche Arbeit. Und genau damit wieder - ins schnöde Papiergeld, und zwar VOR dem, womit er spekuliert, wovor er sich fürchtet, dem Totalzusammenbruch, der ihn arm machen könnte. 

Den es im übrigen in dieser Form gar nicht gibt, die Angst davor ist irrational. Denn Menschen leben und brauchen immer etwas und arbeiten selbst dann weiter, wenn die Krise brennt. Nur in weniger diversifizierten oder anderen Gebieten. Der Vertriebsleiter wird zwar nicht merh Vertriebe leiten, wenn seine Firma pleite ist, aber er hat immer noch zwei Hände, und eine Frau und drei Kinder, die nach "Brot" schreien. Also kann er auch eine Schaufel in die Hand nehmen, und beim Auswuchten eines Brunnens mitarbeiten, und seine Frau Marillenmarmelade einkochen, die unter Nachbarn gerne für alles Mögliche eingetauscht wird. In Athen kann man das gut beobachten, in Argentinien hat sich schon im Jahre 2000ff genau das gezeigt. Das BIP wird dabei zwar fallen, aber im Grunde ändert sich gar nichts.

Aber als Ware ist Gold in einer wirklichen, fundamentalen Krise, einem totalen Wirtschaftszusammenbruch, mit dem ja die Goldwertgläubigen rechnen, recht wenig verwertbar. Goldringe werden eher wenig nachgefragt sein, wenn es an Eiern und Klopapier mangelt. Und damit ist auch Gold recht wenig wert. Wie wenig wird es erst wert sein, wenn solche Vermögensbesitzer von Hunger und hysterischen Ehefrauen getrieben durch die Straßen irren, und zwar überzeugt sind achtzig Brote kaufen zu können, aber nur eines angeboten finden, auf das dreizehn weitere Goldbesitzer bieten? Und ausgerechnet jener ehemalige Manager, der mit dem Spaten in der Hand dortsteht, und anbietet den Brunnen des Bäckers zu vertiefen, als Gegenwert, kriegt es dann. Wollen Sie dann beim Gericht den "Wert" ihres Goldes einklagen, oder sich beim Konsumentenschutz beschweren? Oder ihr Gold beim Juwelier Kleinschmied und Söhne anbieten, der ihnen dafür aber ein höchst bescheidenes Entgelt anbietet, weil er einerseits im Gold erstickt, anderseits so wenige Taufkettchen in bestem venezianischem Gliederdesign nachgefragt werden, obwohl sie so günstig sind wie noch nie? Die einzigen, die noch Freude am Goldangebot haben, werden jene sein, die es überhaupt nicht brauchen. Die einfach genug besitzen, um sich am rechnerischen Wert ihres Goldes NACH der Krise zu erfreuen, wenn alles wieder normal läuft.

Dem Verfasser dieser Zeilen ist die Geschichte eines Mannes bekannt, ohne jede Bildung und lediglich mit einem sehr schlichten Gemüt begnadet, der nach Mai 1945 mit einem Handkarren täglich durch die Villenviertel einer deutschen Stadt zog. Im niedergebombten Bahnhofsbereich hatte er spottbillig eine desolate Lagerhalle von der Besatzungsbehörde angemietet. Die aber eines angeschlossen hatte: einen Obstgarten. Und so wanderte er täglich mit Obst - so begann er - durch die Straßen, und tauschte alles dafür ein, was den Bewohnern nichts mehr wert war. Von verbogenen, aus dem Schutt gezogenen Kupferrohren angefangen, über Bücher und Porzellan, und natürlich Schmuck und Gold, alles in Friedenszeiten von den Eigentümern dieser Villen zu Höchstpreisen erstanden, ihr "Vermögen". Es war 1945 nichts wert, und man kannte den regelrecht in Lumpen gekleideten Mann überall. Der offensichtlich nichts besaß - außer Tonnen von "Plunder", die er einfach und geduldig in seinen Hallen sortierte und stapelte. 1960 war er vielfacher Millionär. Fragen sie sich selbst, was in diesen 15 Jahren passiert war.

Anders und doch gleich aber das Verhalten so mancher Amerikaner, die durch die Straßen zogen und wirklich auf Gold und Preziosen abzielten. Denn zwar waren diese Güter in Deutschland nichts wert, aber anders war es in Amerika, wo die Wirtschaft überhitzt und Inflation zu befürchten war. Aufgrund dieser Wertdifferenz, aufgrund der Folgen billigen Goldes am Weltmarkt, verboten die Besatzungsmächte Goldbesitz (außer in Schmuckform) überhaupt.

Vielleicht, ja wahrscheinlich, werter K, darin stimme ich Ihnen in gewisser Weise zu, wird Gold auch in schlimmster Krise noch meistens zumindest als Tauschwert akzeptiert. Aber wie bewerten Sie den Vermögensverlust, wenn Sie für eine Unze reinsten Goldes, wie es dann viele als Zahlungsmittel anbieten werden, die aber vor allem keinen praktischen Verwendungswert hat, gerade mal ein Dutzend Eier kriegen, weil der Bauer erstens gar nicht mehr zu veräußern hat, und zweitens dafür lieber Zigaretten für sich, oder Gummibärli für seine greinende Tochter, oder einen Doppelflansch für seinen Mähdrescher akzeptiert, weil er diese Güter dringend braucht? Sehen Sie Gold dann wirklich als "gesicherten weil absoluten Wert"?




*Die Globalisierung der Wirtschafts- und Informationsprozesse zeigen sich ALS rein technische Prozesse u. a. darin, daß sie zu keiner Vereinheitlichung, Zusammenfassung der Vorgänge führen, also nicht von einem "Geist" oder Urbild ausgehen, nach dem sie geordnet sind, sondern Vorgänge im Einzelnen immer unvorhersehbarer und planbarer machen. Das zeigt sich nicht zuletzt an Japan. Denn nun überlagern auch speziellste Einzelinteressen Vorgänge an Orten und in Bereichen, mit denen sie eigentlich gar nichts zu tun haben, und zwar direkt. Die kleine Vorsorgeversicherung eines Drehers aus Würzburg hat damit direkte Auswirkungen auf die Zinkpreise in Durban, und damit prallen unzählige Detailinteressen mittlerweile aufeinander, die mittel- oder langfristig gar nicht anders als in Katatonie - Starre aus zu großer Bewegtheit - münden können, dem "nichts geht mehr". Wie es sich in Japan abzeichnet, wo als Reaktion auf die jüngste Geldschwemme durch die Nationalbank, die den Yen schwächte und die Unternehmenskonjunkturen kurzfristig ankurbelte, sich die Deflation verstärkt. Das ist zwar posthoc irgendwie alles erklärbar, gewiß, aber nicht mehr vorhersehbar. Wenn alle alles beeinflussen können, müssen alle alles beeinflussen, und damit ist bald nichts mehr (gesteuert) beeinflußbar, nicht mehr durch und in seiner Art. Dann jagt eine Überraschung die andere, eine Krisenintervention löst die andere ab, das Handeln wird immer kurzfristiger notwendig. Nur jene Betrachtungsweise bleibt langfristig am stabilsten, die auf die Essenz der Dinge abzielt, die Vielfalt wirklich in ihre Einheit führt.

Das ist so nebenbei der Grund, warum die Sozial- und Psychologiewissenschaften, die zur Deutung wirtschaftlicher Vorgänge zunehmend herangezogen wurden, über weite Strecken in Widersprüchen und Aussagelosigkeiten landen.





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