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Samstag, 22. Juni 2013

Auswirkungen zur Religion (1)

Der Taoismus, schreibt Georg Misch in seiner Untersuchung über die historischen Anfänge der Philosophie, sucht, von der geschlossenen Person loszukommen, sie ins All hinein aufzulösen. Als mystische Bewegung sucht er das Band, das die Menschen verbindet, nicht bloß außerhalb der politischen Machtverhältnisse, sondern in einer geistigen Region jenseits der Lebensbeziehungen, die durch die Familie oder durch gemeinsame Interessen und Einzelzwecke gegeben sind. 

Er verneint den Wert der Kultur, an den die Konfuzianer glauben, und schließt in diese Verneinung die Moralität ein, die er als bloßes Kulturphänomen faßt, in einen Gegensatz zu dem absoluten Wert stellt. Während ihn die Konfuzianer der persönlichen und sozialen Moral beimaßen. 

Durch diese negative Stellung zu den gesellschaftlichen Konventionen wurde der Taoismus zum Herd revolutionären Denkens, und zwar förderte er sowohl den Anarchismus wie sein Gegenteil, den totalitären Staatsgedanken.

Er zeigt sich nicht zufällig zu einem Zeitpunkt zum ersten  mal, zu dem sich nicht nur die chinesische feudale Ordnung auflöste, sondern auch die bürgerliche Gesellschaft. Hier errichtet er sein Ideal des Heiligen, der jenseits von Gut und Böse steht, und damit die wahre Herrschernatur darstellt. Liebe ist kein Affekt mehr, der im Konkreten wurzelt und sich darauf bezieht, auch in der Scheidung von gut und böse, sondern ein geistiges Ideal, ein geistiger, vom Konkreten losgelöster, vorgeblich aber alles (abstrakt) einschließender Akt - amor Dei intellectualis, wie Spinoza sagt. 

Damit wird das konkrete Menschsein "schmiegsam", nachgebend, "schwach", "sanft". Was immer einem zustößt, bleibt als Ideal im Heiligen des Taoismus diese abstrahierte "Liebe". Einer Art universaler Sympathie, dem Stoizismus verwandt, die aus philosophischem Gleichmut entspringt, die in der Unpersönlichkeit des Gefühls der christlichen Liebe scheinbar verwandt, aber in Wahrheit entgegengesetzt ist.

Das Tao, der Weg, ist hier die Wahrheit "des Himmels" - ganz anders im Christentum, wo es heißt: "ICH BIN der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich." Der Weg des Christentums ist der durch das Konkrete hindurch, im Konkreten, auch deshalb im Fleisch real, ja die Erlösung zielt auf diese Fleischlichkeit (als Geschöpflichkeit) ab - während der Taoismus das Konkrete aufhebt, für unwesentlich, für bedeutungslos erklärt. Woraus sich natürlich eine völlig andere Stellung des Todes ergibt. Das Tao des Taoismus ist nicht seiend, sondern es ist lediglich wirkend, es ist das Wirkende, das was "am Werk" ist, das All-Waltende, als dynamische Konzeption - nicht personal.

Heißt es im Christentum bzw. in der Analyse der abendländischen Philosophie operare sequitur esse - das Handeln folgt dem Sein -, so wird im Taoismus "das Handelnde" pan(en)theistisch (in der Welt real vorhanden) absolut gesetzt. Das ist ein nur vermeintlich kleiner, aber entscheidender Unterschied zum philosophischen Gleichsetzen von Sein und Gott, aus dem analytisch nachvollziehbar (also nicht als mytische oder bloß bildliche Vorstellung oder als metaphysische These) die Welt zum Gleichnis und in der Teilhabe (und nur soweit) Träger wird, nicht zum Sein selbst. Das Tao ist "etwas für den Gebrauch" (Misch). Vereinfacht gesagt, ergibt sich aus dem rechten Raum für das Tao die Harmonie aller Dinge und Weltenläufte, als Wirkungsweise der Kraft des Tao (dem: Te).

Es braucht nicht viel Schlußkraft, um daraus die utopistische Konzeption des Taoismus zu ersehen, in allen Querverbindungen zu Stoizismus und Gleichgültigkeit hier, zum Totalitarismus und Fanatismus dort. Denn es bleibt nur der historische Mensch in seiner Situation, der dieser Harmonie im Wege stehen kann, die sich in der einen Richtung ins Absolute hinein auflöst, in der anderen Richtung im Konkreten verliert, das er ideal machen zu müssen meint.



 Teil 2 morgen) Taoismus - Die Religion unserer Zeit





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