Teil 2) Taoismus - Die Religion unserer Zeit
Daran zeigt sich, wie scheinbar
klein oft die Weichenstellungen in den Philosophien und metaphysischen
Konzepten auch der Weltreligionen sind, die in ihren Konseqenzen aber zu
völligen Unvereinbarkeiten führen. Und sie sind logische Fehler, keine
willkürlichen Auswahlen, die sich aus persönlichen Neigungen und
Unfreiheiten (oder: Freiheit) ergeben und in eine völlig andere Praxis
münden. Die Haltung zur Welt im Taoismus ist grundverschieden von jener
des Christentums, es ist sinnlos, christliche Anschauungen zu
unterlegen. Denn da "vereint" sie nichts. Da trennt es sich, und zwar
schon in den allerersten Anfängen, den allerersten Grundgedanken.
DIESE,
die allerersten metaphysischen Konzeptionen, auch im indischen Denken
genauso wie im chinesischen, sind in vielem tatsächlich nahezu
deckungsgleich mit der jüdisch-christlichen Sichtweise. Aber sie
scheiden sich historisch nachvollziehbar, und werden (je nach Strömung)
mehr oder weniger unvereinbar. Jene Haltungen, die im Europa so Mode
geworden sind, die da meinen, es wäre in einem noch übergreifenderen
Sinn alles vereinbar, irren auf groteske Weise, denn sie setzen diesen
Konzeptionen eine vermeintlich überlegene Konzeption entgegen, die aber
meist sogar schon bei oberflächlichstem Blick lediglich verabsolutierte
Teilkonzepte aus solchen (auch logisch nachvollziehbaren) Fehlwegen
sind. Hinter denen menschliche Haltungen, Lebenshaltungen stehen, so wie
hinter allen Konzepten menschliche Haltungen und persönliche
Entscheidungen stehen, aus denen auch die Religionen erfließen.
Und
wieder wäre es ein Irrtum zu meinen, daraus würde sich die Relativität
aller Religionen und Haltungen als mangelnder Wahrheitsanspruch ergeben.
Das
Christentum verneint dies nämlich nicht nur nicht, sondern es beruft
sich ausdrücklich auf diese Personalität, im inkarnierten persönlichen
Gott, ja es sieht im Weltgrund selbst, dem Sein, einen personalen Gott.
Und das weiß es nur aus Offenbarung, in deren Licht sich sämtliches
weitere Denken aufhellt. Das Tao des Taoismus ist "Wirkung". Der Logos im Christentum ist "Gott". Daraus ergibt sich eine völlig andere Stellung des Menschen als Handelndem.
Komplexer
wird die Angelegenheit, wenn man nun sieht, daß der Taoismus eine quasi
idealisierte Welt sieht, dergemäß die Welt umgestaltet werden könnte,
worauf sie in Harmonie stünde. In der es nichts herumzuwerken gäbe, die
nur Schmiegsamkeit verlangte, um der wirkenden Kraft des Tao, dem
Te, seinen Raum zu geben. Denn darin trifft sich scheinbar diese
kosmische Ordnung mit ... dem Kirchenbegriff des Christentums. Die
KIRCHE als ecclesia der Getauften ist exakt diese ideale Gesellschaft,
die societas perfecta! Woran der Leser die Unterschiede in
den tieferen Gedankenschichten erahnen kann, so er das möchte. Denn am
Unterschied im menschlichen Handeln, an der Ethik läßt es sich deutlich
erkennen: der Christ hat Gestaltungsaufrag weil Freiheit, ja die
Verwirklichung der societas perfecta als Gestalt hängt davon ab,
wo der Taoist nur Fügsamkeit kennt und damit Fatalist wird. Die schon
erwähnte ganz andere Stellung zur Welt selbst läßt sich darin erkennen:
dem Taoisten ist die Welt ein kosmisches Getriebe, das von den Reinheit
des Alls ausgeht, dem Christen eine vitale Geschichte mit Gott.
Die
Sache wird allerdings noch komplexer. Wenn man nämlich an den Punkt
gelangt, an dem die abendländisch-christkatholische Metaphysik letztlich
steht, und zwar nicht einfach nur in Thomas von Aquin bzw. der
Scholastik, sondern in ihrer sehr aktuellen rationalistischen
Philosophie, wie in A. N. Whitehead (bei allen Unterschieden, er landet
scheinbar im Pantheismus, am Warum arbeitet der Verfasser dieser
Zeilen noch) oder in der Phänomenologie ("Sein als Entwerden") und der
Lebensphilosophie: Im Denken von Gott ALS AKT, als actus purus.
Darüber wird an dieser Stelle wohl noch einiges zu lesen sein. Denn
dabei geht es um subtile, immer streng logische, aber fundamentale
Unterscheidungen. Keine nebensächliche Haarspaltereien.
Je
tiefer, je früher die Unterscheidungen und Trennungen ansetzen, umso
dramatischer wirken sie sich am Ende, im konkreten alltäglichen Leben
genauso, aus. Das Problem der heutigen Moderne ist im übrigen gar nicht
so sehr, daß sie philosophisch irrt. Das Problem ist, daß sie aufgehört
hat, ihre Philosophie zu hinterfragen, sich überhaupt um ihre (bzw. die)
Philosophie zu kümmern. Daß sie sich im Grunde von der Philosophie also
verabschiedet hat, und nur noch im Bereich der "Meinungen" in blindem,
auf praktischen Erfolg abzielendem Sophismus und damit längst irrational
agiert. Und dabei meint, rational zu sein. Das macht die Gegenwart zu
einer wirklichen Groteske. Aber noch mehr: Hierin kündigt sich das
eigentliche kulturelle Problem Europas, ja der Welt ab. Das nämlich
die Bedeutung des Konkreten, des Geschöpflichen zutiefst erschüttert
hat. Wie sehr zeigt sich auch und nicht zuletzt in der Ähnlichkeit der
taoistischen Haltungen zu den Haltungen des Gegenwartsmenschen.
Gnade folgt der Natur, sagt die christkatholische Gnadenlehre, ja sie
setzt sie voraus. Religion und reale Lebenshaltung sind
Zueinandergefüge!
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